Yamaha DX7 – Der König der FM-Synths wird 40 Jahre alt
Der FM-Synthesizer Yamaha DX7 kam am 29. Mai 1983 in den Handel. Anlässlich seines runden Geburtstags schauen wir uns die Entstehung und Geschichte einer der bedeutendsten Synthesizer überhaupt an. Wie kam es dazu, dass der DX7 so bald nach seinem Erscheinen die Welt der Synthesizer absolut dominierte?
Im Original veröffentlicht auf Gearnews.com von Rob Puricelli. Übersetzung von Julian Schmauch.
Yamaha DX7 – Der erste Game-Changer?
Wenn mir langweilig ist oder ich mich mit Gleichgesinnten unterhalte, diskutiere ich gerne darüber, welche Synthesizer die Welt verändert haben. Ich muss vorsichtig sein, wenn ich diesen Begriff verwende, denn unser Chefredakteur ist kein Freund seiner inflationären Verwendung. Aber im Zusammenhang mit einer historischen Einordnung einer der einflussreichsten Synthesizer finde ich durchaus angebracht!
Denn ein Synthesizer, bei dem sich alle einig sind, ist der Yamaha DX7. Er hat die Welt der Synthesizer unbestreitbar auf vielfältige Weise verändert. Ob man das nun gut oder schlecht findet, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Denn der DX7 läutete die Ära der digitalen Synthesizer ein. Er begründete damit eine ganze Industrie von Presets von Drittanbietern und setzte Maßstäbe für Preis und Verarbeitungsqualität. Die Sounds des DX7 klangen damals revolutionär neu, noch nie da gewesen außerhalb eines Klanglabors.
Der unverwechselbare Sound des DX7
Und sie waren einfach überall. Der Sound, die Spielbarkeit und das Coolness-Level des Yamaha DX7 waren so beeindruckend, dass er quasi auf fast jedem Hit in den Achtzigern zu hören war. Außerdem wurde der DX7 zum Liebling der Ambient-Szene. Der Synth prägte den Sound der mittleren bis späten 80er-Jahre. Ganze Genres wurden von seinen glasigen Glockenspielen, knackigen Bläsern, „housigen“ Bässen und einzigartigen E-Pianos begründet.
Es gibt wohl kaum jemanden, bei dem der DX7 E PIANO-Patch nicht eine leichte Erregung in den Lenden erzeugt in Erinnerung an Abi-Bälle und Schulpartys 1985. Der Eröffnungsrefrain von Songs wie Whitneys „Saving All My Love For You“ sorgte dafür, dass Jungs im Teenageralter den Mut aufbrachten, das Mädchen auf der anderen Seite des Saals zum Tanz zu bitten. Jede R&B-Ballade benutzte das Preset, war es doch für die damalige Zeit voller Leben und Ausdruck für einen Synth-Sound.
E BASS 1, ein weiteres Yamaha DX7 Preset, läutete die berauschende Eröffnungsszene von Top Gun ein. Kenny Loggins vertonte damit die von einem Flugzeug startenden die F-14. Der DX7 schenkte uns die funkige Basslinie in A-ha’s „Take On Me“ und untermalte geschmackvoll Howard Jones‘ „What Is Love“. Auch Tina Turners „What’s Love Got To Do With It?“ bestand fast ausschließlich aus DX7 Sounds, mit Ausnahme einer LinnDrum und der E-Gitarre.
Der DX7 war allgegenwärtig. Aber nicht, weil er uns durch eine groß angelegte Marketingkampagne „aufgezwungen“ wurde. Tatsächlich hat Yamaha im ersten Jahr, in dem der DX7 auf dem Markt war, praktisch keine Werbung dafür geschaltet. Der Sound des DX7 verkaufte sich von selbst. Für diejenigen von uns, die damals schon dabei waren, war der DX7 kaum zu bekommen. Die meisten Modelle waren bereits verkauft und bezahlt, bevor die Container von Hamamatsu überhaupt im Hafen einliefen. Wie gelang es Yamaha also vor 40 Jahren, die Konkurrenz buchstäblich vernichten? Ich werde es euch erzählen …
Die Technik des Yamaha DX7
Dr. John Chowning ist weithin bekannt als der Erfinder der FM-Synthese. Während seines Studiums der Computermusik an der Stanford University in im CCRMA-Institut in den späten Sechzigern stieß Chowning darauf, als er begann, eine Sinusschwingung (den Carrier, der mit dem Signalfluss verbunden ist) mit einer anderen Sinusschwingung (dem Modulator, der nur mit dem Carrier verbunden ist) zu modulieren. Er stellte fest, dass dadurch die Schwingungsform des Carrier komplexer wurde. Das Resultat klang ganz anders, wenn er die Frequenz des Modulators erhöhte. Indem er mit den Frequenzen des Carriers und des Modulators experimentierte, konnte er komplexere Schwingungsformen mit vielen Ober- und Untertönen erzeugen.
Später fand Yamaha heraus, dass man noch komplexere Klänge erzeugen konnte, indem man den Ausgang eines Operators (so bezeichnete man Carrier und Modulator) zu sich selbst zurückführte, sogenannte Feedback-Modulation. Diese neuen Methoden erzeugten Klänge, die kein anderer Synthesizer zuvor erzeugen hatte. Von dieser Entdeckung begeistert, setzte Chowning seine Forschungen fort und verfügte schließlich über genügend Daten, um die Methode von Stanford patentieren zu lassen. Und Patente waren und sind immer noch eine gute Gelegenheit, um zusätzliches Einkommen für Universitäten zu generieren. Das DX7-Patent sollte das Lukrativste in der Geschichte Stanfords werden.
Yamaha schluckt den Köder
Stanford begann, Unternehmen für die Lizenzierung der FM-Technologie anzuwerben. Da diese Syntheseart vor allem Orgelklänge hervorragend reproduzieren konnte, versuchte man es zuerst bei Firmen wie Lowery und Hammond. Diese zeigten allerdings kein Interesse. Und so schickte Yamaha 1973 ein Team seiner Ingenieure nach Stanford. Und nach eingehender Prüfung war das Team sicher, dass sich hier um etwas handelte, mit dem sie arbeiten konnten. Also wurden Verträge unterzeichnet und die Technologie wurde nach Japan gebracht. Über viele Jahre wurde Chownings Methode in enger Zusammenarbeit mit ihm verfeinert. Schließlich, etwa 7 Jahre später, 1980, brachte Yamaha sein erstes kommerzielles FM-Instrument heraus, den GS-1.
Das GS-1 glich mit seinem großen Holzgehäuse und den dürren Beinen einem Flügel für Babys. Der Synth war eine Maschine nur mit Presets, die nicht weiter verändert werden konnte. Neue Presets konnten über einen Magnetstreifenleser hinzugefügt werden. Ein Jahr später folgte das GS-2, das in einen Case eingebaut war und eine kleinere Tastatur hatte. Beide Instrumente verwendeten jeweils feste Paarungen von Operatoren, die jeweils einen Carrier und einen Modulator enthielten. Diese wurden dann zur Modulation anderer Paare innerhalb des Instruments verwendet. Bis 1982 reduzierte Yamaha seine Technologie weiter und baute eine leicht abgespeckte Version in die CE20 und CE25 ein.
Doch 1983 brachte Yamaha dann den FM-Synthesizer heraus, der alles verändern sollte. Sie gaben dafür die Methode der Cross-Modulation auf, die in GS- und CE-Synthesizern verwendet wurde. Dies erforderte eigenständige Programmiereinheiten, um die Presets zu erstellen und im Speicher des Yamaha DX7 zu speichern. Die Yamaha-Ingenieure entschieden sich für einen Ansatz mit sogenannten Algorithmen, um den Programmierprozess weiter zu vereinfachen. Sie stellten 32 Algorithmen (Kombinationen von Operatoren) aus 6 Operatoren zusammen. Diese waren der Ausgangspunkt bei der Erzeugung eigener Sounds.
Herstellungsprozess
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg des Yamaha DX7 war Yamahas Fähigkeit, die FM-Technologie von Hunderten von Mikrochips auf nur eine Handvoll integrierter Schaltungen (Integrated Circuits – kurz ICs) zu reduzieren. Der Hersteller begann mit dem Bau neuer Fabriken, um diese Chips zu niedrigen Kosten in Massenproduktion herzustellen. Das war einer der Hauptgründe für den niedrigen Preis des ebenfalls in Massenproduktion hergestellten DX7. Yamaha war damit auf einem sehr guten Weg, denn man hielt die gesamte Produktion komplett in eigener Hand.
MIDI im Yamaha DX7
Man kann ohne Zweifel sagen, dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Yamaha DX7 genauso zufällig wie entscheidend für seinen Erfolg war. Denn der MIDI-Standard befand 1983 sich in den letzten Zügen der Ratifizierung. Yamaha war zwar nicht der erste Hersteller, der einen Synthesizer mit MIDI ausstattete, aber der erste, der dessen Potenzial komplett ausschöpfte. Ihr Bestreben, MIDI von Anfang an in den DX7 einzubauen, bedeutete, dass die ersten Modelle noch nicht vollständig konform waren. So ging der DX7 Mk.I nur bis zu einem MIDI-Velocity-Wert von 100, nicht bis 127 wie vorgegeben. Dem Erfolg des DX7 tat dies jedoch keinen Abbruch und er wurde aufgrund seiner brillanten und hervorragend spielbaren Tastaturmechanik schnell zum Masterkeyboard der Wahl.
Innerhalb von nur zwei Jahren nach der Markteinführung des Yamaha DX7 brachte Yamaha den QX 1 Sequencer, den KX88 Controller, die RX11 Drum-Machine, den TX7 FM-Expander und den mächtigen TX816 auf den Markt, in dem acht DX7-Engines in einem 4 HE Rack-Gerät steckten. Der TX816 brachte 8-fache Multitimbralität und 128-Noten-Polyphonie mit. Das war im Jahr 1984 ein absolutes Novum! Jedes dieser Instrumente verfügte über MIDI und ermöglichte es dem Benutzer, alles, was er für eine komplette Produktion brauchte, miteinander zu verbinden. Yamaha nannte es Y-CAMS, das Yamaha Computer Assisted Music System.
Oberfläche des DX7
Das Auffälligste am DX7 war seinerzeit das Fehlen von jeder Art von Reglern. Das war eine bewusste Entscheidung des DX7-Designteams, wie Yasuhiro Kira, ein Designer im Yamaha Design Laboratory, betont…
„Wir haben alle physischen Bedienelemente mit Ausnahme der Tastatur entfernt und stattdessen nur glatte Membranschalter verwendet, was für ein Musikinstrument zu der Zei relativ neu war. Durch die Verwendung dieser auf Schaltern basierenden digitalen Steuerung für alle Aspekte des Betriebs gab der DX7 dem Spieler die klare Botschaft, dass es sich hier um einen Synthesizer handelte, der sich von allen anderen Synthesizern unterschied.“
Der DX7 verzichtete auf Holz zugunsten eines Gehäuses aus Metall und Kunststoff und war braun. Diese Farbe war ein Überbleibsel von Yamahas unglückseligem YIS-Konzept (Yamaha Integrated System), Kira-san erklärt…
„Als wir die Membranschalter in das Design aufnahmen, war es wichtig, dass wir ein Farbschema verwenden, das ihre Sichtbarkeit maximiert. Um einen deutlichen Kontrast zum dunklen Braun des Gehäuses zu erzielen, verwendeten wir für das Bedienfeld ein leuchtendes Grün, das wir später „DX Green“ nannten. Das DX-Grün wurde später auf einer Vielzahl von Produkten verwendet und wurde zum Symbol für digitale Technologie.“
Der DX7-Sound heute
Der FM-Sound ist nie wirklich verschwunden und erlebt derzeit eine Art Renaissance. Wie bei vielen Synthesearten ist es ein stetiges Wiederaufleben und Neuerfinden desselben alten Prinzips. Jedes Mal finden clevere Leute einfachere Wege, um das zu tun, was einst als komplex galt. Yamaha selbst hat FM mit den Montage- und MODX-Synthesizern wiederbelebt. Korg gab uns den Opsix und den Volca FM (sowie die MOD-7 Engine in ihren Workstations). Auch Firmen wie Elektron verwendeten FM im brillianten Digitone.
Der französische Hersteller Kodamo hat mit seinem ersten Instrument, dem EssenceFM, FM weiterentwickelt als alle anderen. 300 Noten Polyphonie, frei konfigurierbare Algorithmen und eine grafische Benutzeroberfläche, die einen großen Touchscreen nutzt. Es geht also auch im FM-Land immer weiter!
An der Software-Front gibt es das kostenlose Dexed-Plugin sowie Arturias exzellenten DX7 V, die einzeln oder als Teil der V Collection erhältlich sind. Mein persönlicher Favorit aber ist Plogues Chipsynth OPS7, der von allen Plugins am nächsten an der Original-Hardware klingt.
Es gibt sogar Tüftler, die bis zu 8 Instanzen von Dexed auf einem Raspberry Pi zum Laufen gebracht haben und damit die gleichen klanglichen Möglichkeiten wie ein TX816 haben!
Ältere Modelle
Der Yamaha DX7 Mk.I wurde Ende 1986 durch den MK.II ersetzt. Es gab insgesamt vier Varianten, wobei der DX7S die kleinste war. DX7II-D und DX7II-FD boten zusätzlich Bi-Timbralität und einige tiefgehendere Programmiermöglichkeiten. Letzterer hatte dazu ein eingebautes 3,5″-Diskettenlaufwerk. Eine limitierte Centennial-Edition des DX7 wurde 1987 anlässlich des 100. Geburtstags von Yamaha herausgebracht. Diese hatte 76 Tasten, eine champagnerfarbene Oberfläche, im Dunkeln leuchtende Tasten und sogar vergoldete Knöpfe!
Aber Zeichen der Zeit sehen nicht gut aus, denn Roland zur selben Zeit (1987) den D-50 herausbrachte. Dieser brachte digitale Synthese auf ein völlig neues Niveau und enthielt dazu noch PCM-Samples. Damit war der DX7 praktisch tot und Yamaha musste erst wieder mit der SY-Serie aufholen. SY77 und SY99 kombinierten Samples (AWM) und eine fortgeschrittene Version von FM (AFM) und gewannen Marktanteile zurück. Ende der 1990er-Jahre führte der Yamaha FS1R FM kurzzeitig wieder in die Yamaha-Produktpalette ein. Jetzt mit 8 Operatoren, 88 Algorithmen und Formant-Shaping, litt er unter der gleichen Komplexität beim Programmieren neuer Presets wie seine Vorgänger. Sein winziger Bildschirm bedeutete, dass die Programmierung dieses leistungsstarken Synthesizers wie die Malerei in der Sixtinischen-Kapelle durch einen Briefkasten war. Dennoch klang er großartig und ist heute sehr begehrt.
Erst mit der Montage und dem MODX hat Yamaha im 21. Jahrhundert wieder erfolgreich auf FM gesetzt. Durch die Kombination mit der neuesten AWM-Technologie wurde das Konzept, das erstmals in der SY-Serie zum Einsatz kam, wiederbelebt. Hier wurde das 8-Operator-Format des FS1R eingesetzt. Dazu gab es einige ungewöhnliche Features, wie den seltsam benannten ‚Superknob‘.
Alles Gute zum Geburtstag, Yamaha DX7!
Ob man ihn nun liebt oder hasst, der Yamaha DX7 hat Neuland betreten und die Art und Weise, wie Hardware-Synthesizer wahrgenommen, hergestellt und verwendet wurden, für immer verändert. Der DX7 hat uns gelehrt, dass manchmal zu viel des Guten gar nicht so gut ist. Er hat uns auch gezeigt, dass ein komplexer Synthesizer mit einem zu kleinen Bildschirm und einer Unmenge an Menüs und Untermenüs nicht gerade förderlich für besseres Musizieren ist.
Aber er hat uns eben auch eine erschwinglichere Technologie beschert. Der DX7 hat fast im Alleingang die Preset-Industrie von Drittanbietern ins Leben gerufen und eine ganze Ära von MIDI-fähigen Geräten eingeleitet, die es uns allen ermöglichten, relativ (!) leicht multiinstrumentale Musik zu machen.
Also alles Gute zum Geburtstag, DX7! Mögen deine Glocken lange und wahrhaftig läuten!
Infos für den DX7 und Yamaha
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