Wavetable-Synthese für Anfänger einfach erklärt
Die Wavetable-Synthese ist wieder sehr populär. Nachdem die Syntheseform eine Zeit lang ein Schattendasein führte, gibt es heute mehr Wavetable-Synthesizer als je zuvor. Doch wie funktioniert Wavetable-Synthese und welche Möglichkeiten bietet sie? In diesem Workshop erklären wir die Grundlagen.
Wavetable-Synthese einfach erklärt
Die Wavetable-Synthese ist neben der FM-Synthese und der samplebasierten Synthese eine der wichtigsten digitalen Syntheseformen – und vielleicht die älteste. Erfunden wurde sie schon in den 1950er-Jahren von Max Mathews, dem Entwickler des Computerprogramms MUSIC II an den Bell Labs. In den späten 1970ern entwickelte Wolfgang Palm seine Version der Technik, die die Basis der Synthesizer von PPG und später Waldorf bildete. Bis heute ist der Name Waldorf untrennbar mit der Wavetable-Synthese verknüpft. Mittlerweile wird das Verfahren aber auch von vielen anderen Herstellern von Hardware- und Software-Synthesizern angewendet.
Als digitale Syntheseform der 1980er ereilte die Wavetable-Synthese ein ähnliches Schicksal wie die FM-Synthese. Als in der zweiten Hälfte der 1990er die virtuell-analogen Synthesizer aufkamen und Analogsound das Maß der Dinge war, ließ das Interesse an der Syntheseform zunächst nach. Erst in den letzten Jahren, seit analoge Synthesizer wieder der allgegenwärtige „Normalfall“ sind und Musiker – wie schon in den 1980ern – nach neuen klanglichen Wegen jenseits analoger Oszillatoren suchen, ist die Wavetable-Synthese wieder in den Blickpunkt gerückt, ebenso wie übrigens die FM-Synthese. Was vor ein paar Jahren noch als „kalt“ und „digital“ galt, ist heute wieder interessant – die Geschichte wiederholt sich eben.
Wie funktioniert ein Wavetable-Synthesizer?
Der grundlegende Aufbau eines typischen Wavetable-Synthesizers ist dem eines analogen bzw. virtuell-analogen gar nicht unähnlich. Wie bei jedem subtraktiven Synthesizer wird der Klang bei einem Wavetable-Synthesizer von einem oder mehreren Oszillatoren erzeugt, meist durch ein Filter und ggf. durch einen Ringmodulator geformt und durch Hüllkurven und LFOs moduliert. Viele Parameter auf dem Bedienfeld eines Wavetable-Synthesizers sollten euch also schon bekannt vorkommen.
Der Unterschied liegt in den Oszillatoren. Anders als analoge Oszillatoren, die lediglich wenige Grundschwingungsformen erzeugen, schöpft ein Wavetable-Oszillator seinen Klangvorrat aus – ihr habt es geahnt – sogenannten Wavetables. Das sind Tabellen, die eine große Zahl einzelner Schwingungsformen (Waves) enthalten. Von jeder Wave liegt in einem Wavetable genau eine Periode (ein kompletter Durchlauf der Schwingung) vor und der Oszillator kann sich aus diesem Vorrat bedienen. Da Computer mit binären Zahlen arbeiten, entspricht die Anzahl der Waves pro Wavetable meist Zweierpotenzen wie 64, 128 oder 256 Waves.
Modulation von Wavetables
Schon durch statisches Auslesen verschiedener Waves aus einem Wavetable kann ein Wavetable-Oszillator also eine größere Klangvielfalt erzeugen als ein analoger Oszillator. Besonders interessant wird es aber dann, wenn die Position innerhalb des Wavetables moduliert wird und der Oszillator nacheinander verschiedene Waves „durchfährt“. Durch Interpolation werden dabei fließende Übergänge zwischen den Waves geschaffen, was weitere klangliche Facetten eröffnet.
Welche Möglichkeiten sich hier bieten, unterscheidet sich von Synthesizer zu Synthesizer. In der Regel ist es möglich, Wavetables vorwärts oder rückwärts zu durchfahren und diese Bewegung mit einem LFO oder einer Hüllkurve zu modulieren. So entstehen sehr variantenreiche Klänge mit viel Bewegung im Klangspektrum. Auch die Modulation durch die MIDI-Note ist oft möglich, sodass auf verschiedenen Tasten der Klaviatur verschiedene Waves des Wavetables oder Mischungen davon erklingen. Je nach Synthesizer kann es noch diverse andere Möglichkeiten geben, um den Vorrat an Waves kreativ einzusetzen und verschiedenste Klänge daraus zu gewinnen.
Signalweg bei der Wavetable-Synthese
Der weitere Signalweg eines Wavetable-Synthesizers folgt in der Regel dem üblichen Schema der subtraktiven Synthese, mit entsprechenden Unterschieden zwischen verschiedenen Synthesizern. Sofern es mehrere Oszillatoren gibt, werden deren Signale gemischt; mitunter ist auch eine Ringmodulation möglich. Bei manchen Wavetable-Synthesizern gibt es die Möglichkeit, die Ausgangssignale der Oszillatoren mittels Waveshapern zusätzlich zu formen. Danach folgt in der Regel ein Filter. Frühe Wavetable-Synthesizer wie der PPG Wave 2 und der Waldorf Microwave der 1. Generation verfügten über analoge Filter, weshalb ihnen oft ein besonders fetter Sound nachgesagt wird. Bei den meisten modernen Wavetable-Synthesizern kommen virtuelle Emulationen von Analogfiltern zum Einsatz, aber es gibt auch hybride Konzepte mit Analogfiltern wie den Waldorf M und Quantum oder den Novation Peak/Summit.
Die Modulationsmöglichkeiten, also Hüllkurven (Envelopes) und LFOs, entsprechen ebenfalls dem, was man bei typischen subtraktiven Synthesizern findet. Da Wavetable-Synthesizer grundsätzlich digital sind, verfügen sie aber oft über deutlich flexiblere LFOs und Hüllkurven als Analogsynthesizer. Häufig gibt es beispielsweise Envelopes mit mehr Stufen als im klassischen ADSR-Schema, durch die sich besonders komplexe Wavetable-Durchläufe erzielen lassen. Manche heutige Wavetable-Synthesizer bieten darüber hinaus einen Modulations-Sequencer, mit dem man wiederkehrende Modulations-Patterns mit vielen Steps erzeugen kann. Moduliert man damit die Parameter eines Wavetable-Oszillators, entstehen folglich sehr variantenreiche Klänge.
Aktuelle Wavetable-Synthesizer (Hardware)
Waldorf M
Wenn es um Wavetables geht, darf Waldorf natürlich nicht fehlen. Der M enthält die Wavetables des Microwave I und II und verfügt als einer der wenigen aktuellen Wavetable-Synthesizer über analoge Filter und VCAs.
Korg modwave
Der Korg modwave setzt vor allem auf Modulation: Seine über 200 Wavetables lassen sich auf verschiedene Weisen morphen und in Echtzeit bearbeiten. Funktionen wie Kaoss Physics und Motion Sequencing 2.0 sorgen darüber hinaus für viel Bewegung und intuitive Kontrolle.
Arturia MiniFreak / MicroFreak
Der Arturia MicroFreak und der gerade erst erschienene MiniFreak sind keine reinen Wavetable-Synthesizer, denn ihre Multimode-Oszillatoren bieten auch viele andere Syntheseformen. Aber auch Fans von Wavetables kommen auf ihre Kosten.
Modal Electronics Argon8
Der Modal Electronics Argon8 bietet vier Wavetable-Oszillatoren pro Stimme, 32 Wavetable-Modifiers, State-variable Filter, umfangreiche Modulationsmöglichkeiten und einen polyphonen Sequencer mit vier Spuren zur Parameteraufzeichnung.
Ashun Sound Machines Hydrasynth
Der 8-stimmige Hydrasynth verfügt über drei Oszillatoren (zwei davon mit Wave-Morphing), umfangreiche Waveshaping-Fähigkeiten und flexible Filter. Hinzu kommen je fünf Hüllkurven und LFOs sowie eine umfangreiche Modulationsmatrix.
Waldorf Iridium
Neben Wavetables beherrschen die Oszillatoren des Iridium auch noch einige andere Syntheseverfahren, darunter virtuell-analoge Schwingungsformen, granulares Sampling, Resonator und Kernel. Somit wartet der Iridium mit einer beeindruckenden klanglichen Bandbreite auf.
1010music nanobox fireball
Der 1010music nanobox fireball bietet Wavetable-Synthese im Taschenformat mit drei Oszillatoren (davon zwei mit Wavetables) und je zwei Filtern, LFOs und Hüllkurven. Außerdem gibt es einem flexibler Modulations-Sequencer.
Waldorf Quantum
Wie der Iridium bietet der Waldorf Quantum nicht nur Wavetable-Synthese, sondern mehrere verschiedene Syntheseformen. Statt der Digitalfilter des Iridium sind bei Waldorfs Flaggschiff aber analoge Filter verbaut.
Aktuelle Wavetable-Synthesizer (Software)
Im Software-Bereich gibt es eine große Zahl von Synthesizern, die neben Wavetable-Synthese auch diverse andere Syntheseformen anbieten. Alle Software-Synthesizer aufzulisten, die auch Wavetables enthalten, würde hier den Rahmen sprengen. Diese Liste ist deshalb bei Weitem nicht vollständig, sondern eher als Tipp für den Einstieg zu verstehen.
Waldorf Nave
Auch im Software-Bereich ist Waldorf in Sachen Wavetable-Synthese aktiv. Nave bietet zwei erweiterte Wavetable-Oszillatoren, ein Multimode-Filter und umfangreiche Modulationsmöglichkeiten. Das Plugin versteht polyphonen Aftertouch und lässt sich somit besonders expressiv spielen.
Xfer Records Serum
Serum hat sich zu einem De-facto-Standard für softwarebasierte Wavetable-Synthese entwickelt. Der leistungsstarke Synthesizer bietet einen integrierten Editor zum Erstellen eigener Wavetables. Wavetables im Serum-Format können sogar von verschiedenen anderen Software- und Hardware-Synthesizern geladen werden.
Waves Codex
Codex ist ein klassisch aufgebauter Wavetable-Synthesizer mit zwei Oszillatoren, Multimode-Filter, Arpeggiator/Sequencer und vielen Modulationsmöglichkeiten.
Arturia Pigments 4
Neben verschiedenen anderen Syntheseformen bilden Wavetables eine der klanglichen Säulen von Pigments 4, einem besonders flexiblen Software-Synthesizer.
Vital
Vital ist ein leistungsstarker Wavetable-Synthesizer, der in der Einstiegsversion kostenlos erhältlich ist. Mit drei Oszillatoren, flexiblen Modulationsmöglichkeiten (inkl. Stereo-Modulation) und MPE-Support bietet Vital viel Spielraum für kreatives Sounddesign.
Kilohearts Phase Plant
Phase Plant ist ein semi-modularer, MPE-kompatibler Software-Synthesizer, der neben Wavetables verschiedene andere Syntheseformen bietet. Diese lassen sich beliebig miteinander kombinieren, was Sounddesignern sehr flexible Möglichkeiten bietet.
Initial Audio Sektor
Sektor ist ein flexibler Wavetable-Synthesizer mit eingebautem Editor zum Erstellen eigener Wavetables. Mit umfangreichen Modulationsmöglichkeiten und MPE-Support ermöglicht Sektor das Erstellen sehr vielseitiger Klänge.
Waldorf PPG 3.V
Der Klassiker schlechthin zum Schluss. Waldorfs Software-Emulation des PPG Wave gibt es schon fast so lange, wie es Plugins gibt. Das Plugin wurde immer wieder aktualisiert und verbessert und emuliert die Vintage-Synthesizer PPG Wave 2.2 und Wave 2.3.
Videos über Wavetable-Synthese
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3 Antworten zu “Wavetable-Synthese für Anfänger einfach erklärt”
Äh, was ist mit dem Blofeld?
Wer garnix zahlen will und die Wavetable Synthesizer mal probieren will der kann sich mal den Polyphenom von OS Ocean Swift anschauen. Der hat mal Geld gekostet, ist aber inzwischen Freeware und kostenlos! Der Entwickler ist nicht unbekannt und wir hatten damals richtig cooles Meeting bei Native Instruments in Berlin. Also ran an die Bullette es ist Weihnachten und hier liegt dein Weihnachtsgeschenk:
https://oceanswift.net/
Auch sehr interessant im Bereich Software-Wavetable-Synths: U-HE Hive 2. Hierzu wurde sogar von U-HE eigens eine Scriptsprache / Dateiformat entwickelt, womit sich eigene Wavetables schreiben lassen.
„Hive’s wavetable scripts are readable text files with the extension .uhm. These scripts create wavetables step-by-step by interpreting a list of commands / formulas.“