Was ist der Unterschied zwischen Overdrive, Distortion und Fuzz?
Es gibt Tausende von ihnen. In allen Farben, Formen und Ausführungen. Wobei, die Form ist fast immer rechteckig. Aber klanglich und preislich liegen Welten zwischen ihnen. Natürlich sind hier Effektpedale gemeint. (Fast) jeder Gitarrist hat sie und individualisiert so seinen Sound.
(Für die Übersicht gib es die Videos gesammelt zum Schluss.)
Effektpedale
Es ist noch keine 70 Jahre her, da gab es zwar Gitarren und Amps, aber Effektpedale waren abgesehen von Bandecho und Vibrato bzw. Tremolo in Amps nicht vorhanden. Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Damals wurden Amps verzerrt, in dem sie komplett aufgedreht wurden – mal mehr, mal weniger erfolgreich oder wohlklingend. Vor allem war es echt laut, ohne, dass es nennenswerte Verzerrung (aus heutiger Sicht) gab.
Es war irgendwann 1962, als das erste Verzerrpedal auf den Markt kam – die damals neue Transistortechnik machte es möglich. Es war ein Fuzz und erlaubte damals unbekannte Sounds, die am Ende den Weg für Bands wie den Rolling Stones, Cream, Led Zeppelin oder Jeff Beck ebneten. Und vermutlich auch den Weg für uns.
Für diese kleine Liste fangen wir aber nicht historisch korrekt beim Fuzz an, sondern arbeiten uns durch die Gain-Stufen von „wenig“ bis volle Möhre.
Technisch übersteuert man für eine Verzerrung bestimmte Bauteile in einer Verstärkerschaltung, etwa die Vor- oder Endstufe eines Verstärkers. Früher wurden Speaker absichtlich zerstört, um diesen Effekt zu erreichen. Heute geht das preiswerter und einfacher, indem man beispielsweise Overdrive, Distortion oder Fuzz-Effektpedale einsetzt.
Der Markt ist aber absolut unübersichtlich. Deswegen gibt es von uns hier eine kurze Übersicht und Einführung in den Bereich Verzerrer.
Overdrive
Zu Deutsch übersetzt man Overdrive eher ungenau mit Verzerrung. Die seichteste Stufe der Verzerrung ist der Overdrive, der vom Zerrgrad irgendwo zwischen Clean und Endstufensättigung im „Bluesbereich“ anzusiedeln ist. Es wäre auch vom Amp selbst zu erreichen, in dem man ihn genug Gain liefert. Entweder per interner Schaltung oder per Boost. Oder eben per Effektpedal. Die Schwingungsform (Wellenform) des Ausgangssignals bleibt dabei weitgehend in der gleichen Form, wird an den Amplitudenspitzen etwas abgeschnitten und abgerundet.
Als absoluten Klassiker würde ich den Maxon bzw. Ibanez Tube Screamer* zählen, der heute bei sehr vielen Gitarristen als Standardbesteck auf dem Pedalboard installiert ist. Entweder um die heftig zerrenden Amps etwas im Bassbereich zu straffen, oder um cleane Amps etwas anzudrecken. Die wenigsten wissen aber, dass die Schaltung eigentlich auf dem Boss SD-1* basiert und von den Japanern weiterentwickelt wurde – wie ich finde, nicht unbedingt zum Besseren, da ich die Höhenabsenkung und Mittenanhebung immer als „Decke vorm Amp“ empfinde.
Weitere Klassiker sind der Klon Centaur*, ein sehr rares Effektpedal in der Originalausführung, daher als Kopie wie der Electro-Harmonix Soul Food sehr viel bekömmlicher für den Geldbeutel. Auch immer wieder gern gespielt wird der Boss Blues Driver BD-2, der sehr erdig und bluesig an den Sound rangeht.
Übrigens sind die Grenzen fließend. Ein heftig aufgedrehtes Overdrive kann auch Distortion werden und ein Distortion zu Fuzz. Die Bezeichnungen sind also eher schwammig und wir haben uns hier an die verbreiteten Meinungen zur jeweiligen Gattung gehalten.
Distortion
Grundlegend ist ein Distortion das Gleiche wie ein Overdrive, allerdings sehr viel heftiger im Zerrgrad. Gleichzeitig wird ihm bei aller Aggressivität nachgesagt, dass ein Distortion im Mix deutlicher zum Vorschein kommt. Vermutlich wird es deswegen auch gern bei Solipassagen eingesetzt.
Auch hier hat Boss wieder zwei Klassiker im Programm: Das DS-1* und das DS-2*. Beides viel gespielte Distortion-Effekte, die vermutlich auf abertausenden Pedalboards und Aufnahmen zu hören sind. Die beiden klingen nicht nur gut, sondern sind auch robust gebaut und vergleichsweise preiswert. Die Schwingungsform des DS-1 gleicht weniger einer Sinuswelle, vielmehr einer zackigen Haizahn-Säge.
Aber es gibt natürlich noch mehr Distortions, beispielsweise die ProCo Rat*, die nach vielen Jahren am Markt immer noch eine große Rolle auf den Pedalboards weltweit spielt und gleichzeitig eher preiswert ist.
Als Klassiker würde ich noch das MXR Distortion+* zählen, dass eher harmonisch klingt (und sich auch als günstiger DIY-Nachbau auf meinem Backup-Pedalboard befindet). Zwei Regler reichen hier zum Glück, wobei es immer recht dynamisch und wenig färbend bleibt.
Ein neuerer Vertreter ist das Fulltone OCD*. Der Erstling stammt von 2004 und basiert auf einer MOSFET-Schaltung, die ins Hard Clipping gefahren wird. Dabei ist der Sound immer voll, bassreich und trotzdem sehr dynamisch. Eins meiner Favoriten, leider etwas teurer, wenn man nicht auf einen nicht ganz so original klingenden Nachbau bei den Harley Benton Ultimate Drive* setzt.
Fuzz
Wenngleich ein Fuzz der am heftigsten zerrende Vertreter der Effektpedale ist, ist er auch gleichzeitig der erste Gehversuch der Firmen in Sachen Verzerrer. 1962 kam das Maestro Fuzz Tone FZ-1 (unter Gibson-Label) auf den Markt und der „Wahnsinn“ nahm seinen Lauf. Kurz darauf erschien der Tone Bender und Bands wie The Rolling Stones (Satisfaction), Cream (Sunshine of your Love) oder später Led Zeppelin (Communication Breakdown) machten den Effekt berühmt.
Später wuchs dann das Dallas Arbiter Fuzz Face* (1966) daraus, das bis heute unter Dunlop in der charakteristischen Ufo-Teller-Form mit den zwei Potis vertrieben wird. Auch Jimi Hendrix hat das dank seinem Gitarrentechniker Roger Mayer gespielt. Es ist ebenso in den frühen Versionen für typische Germaniumtransistor-Sounds bekannt, später kamen dann auch Siliziumtransistoren zum Einsatz. Daher gibt es nicht DEN Fuzz Face Sound.
Daraus wuchs 1969 die Muff Fuzz Schaltung unter Mike Matthews Firma Electro-Harmonix, aus der später der immer noch berühmte und vielleicht beliebteste Fuzz-Distortion-Effekt Big Muff Pi* entstanden ist. Es gibt ihn in zig Versionen (auch als modernere und damit preiswertere Reissues): OP Amp, Green Russian, Triangle, Rams Head – grundlegend ist die Schaltung aber immer ähnlich. Deswegen sind auch Pedale wie das JHS Muffuletta* möglich. Mein absoluter Favorit ist der Tall Front Green Russian Big Muff Pi (v7) aus den 1990ern – ein Effekt, den ich vermutlich nie abgeben werde und schon etwa 15 Jahre seit Beginn meiner „Gitarrenkarriere“ immer wieder einsetze.
Wer es etwas abgedrehter mag, kann sich das ZVex Fuzz Factory* zu Gemüte führen. Es kam Mitte der 1990er auf den Markt und zählt eigentlich in den Boutique-Bereich, ist aber im Fundament ein Pedal aus den 1960ern. Damit erzielst du Selbstoszillation und abgedrehte Gated-Sounds und kannst ganz easy das Intro zu Plug In Baby (Muse) spielen. Matthew Ballamy hat das auch getan.
Die Liste an Fuzz-Effekten ist extrem lang. Und jeder hat seinen eigene Favoriten – da kann man sich bei Stammtischdiskussionen nur die Finger verbrennen. Ich versuch’s dennoch: Der Big Muff ist der allerbeste jemals gebaute Fuzz. :p
Hexenwerk
Du siehst, auch die großen Gitarristen kochen nur mit Wasser. Und Effekte müssen nicht teuer sein, vor allem, wenn Firma X von Firma Y abkupfert und die Schaltung zu seinen Gunsten verändert und als „neues“ Pedal auf den Markt bringt. Aber nur so hat der Markt die Vielfalt und Sättigung erreicht, die er aktuell hat. Und auch wenn ich manche Pedale nicht verstehe, warum es sie geben muss, ist es doch gut, dass wir die Auswahl haben.
Welches sind eure Favoriten in der jeweiligen Kategorie? Lasst einen Kommentar da!
Videos
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