Vintage Synths: Wieso Oberheim Matrix 12, wenn es OB-6 und OB-8X gibt?
Über manche Vintage-Synthesizer spricht man ständig, über manche seltener. Immer häufiger empfehle ich Leuten keine Klassiker zu kaufen, schon weil sie schlicht alt und teuer sind. Man muss wirklich Geduld haben einen Matrix 12 oder Xpander zu finden. Es gibt noch genug Unterschiede für Nerds und jene die genau wissen, was in „Page 2“ der neuen Oberheims los ist. Reicht das? Übertriebene Vintage-Fan-Attitüden würde ich mir eher nicht nachsagen lassen und sammeln ist mir fremd. Deshalb mal einen Blick, den ich oft mache, um zu sehen, ob es nicht mit weniger geht, mit heutigem Angebot ältere Synths zu ersetzen oder Freunden mit besseren Tipps zu versorgen, als: „Kauf das Original!“
Software? Matrix 12?
Aber was ist mit dem totalen Sonderinstrument Xpander oder Matrix 12? Es gibt doch eine Software Emulation. Ich bin wirklich Fan von Arturias Synths, aber die Digitalen bringen es nicht weiter und sie sind wirklich nicht so groß, wenn es um die Klangtreue geht. Diese Weichheit und diese schönen sehr tiefen Breiten schafft die Emulation leider nicht. Dafür hat sie 40 Matrixeinträge, was so etwas wie Patchkabel sind, und das sind doppelt so viele. Dennoch würde ich einen Matrix 12 nicht gegen die Software tauschen und meine Versuche die Sounds anzupassen, waren nicht ausreichend, um zu sagen – es geht auch „ohne“, es fehlte besonders die sahnige Breite. Bei Anderen war das eher möglich, hier nicht. Da braucht es mehr Sorgfalt seitens Arturia, auf die ich sehr hoffe.
Was kann die Hardware der Matrix 12? Oberheims?
Die Vielfalt der Filtertypen und Kombinationen gibt es nicht in einem der heutigen Oberheims, diese brillieren durch verschiedene Flankensteilheiten (1-4 Pol) und Filtertyp-Kombinationen:
HPF (2-3 Pol)+LPF(1 Pol), Notch (2 Pol) + LPF (1 Pol), Phase (3 Pol) + LPF (1 Pol).
Aber wer den Matrix 12 mag, mag ihn vermutlich für diese ur-analogen dampfenden schaurig schönen, aber sehr fetten und breiten Flächen, Bässe oder FX Sounds. Dazu kommt die Eigenschaft, dass das Filter nicht ein bisschen weniger Basskraft verliert mit mehr Resonanz und die mengenmäßig sehr aufwendigen LFOs und Hüllkurven (jeweils 5 von jedem plus einem Haupt-Vibrato-LFO), 3 einstellbaren Tracking-Generatoren, einige Minihüllkurven und mehr für sehr gezielte Verteilungen und eine FM die über viele Oktaven tonal spielbar bleibt. Das gibt es selbst bei aktuellen Synthesizern oft nicht in dieser Art, weshalb Depeche Mode und andere wohl auch diesen Synthesizer wählten. Er kann die typischen Violator-Blubberbässe und Flächen sehr souverän reproduzieren, neue schaffen und ist daher DIE Synthpop Maschine mit extrem viel Bewegung und Schönkling-Zwang. Ein einziger Sweet-Spot.
Kann ein neuer Nicht-Matrix 12 nicht auch so etwas?
Leider meist nein. Die haben einen einzigen kläglichen LFO an Bord, der dafür immerhin in den Audiobereich fährt. Leider sind Audio-schnelle LFOs so gar keine Stärke der Matrix/Xpander-Serien. Das andere Problem ist der Sound, denn die Filter sind alle aus einem einzigen CEM Lowpass-Filter durch entsprechende Verschaltung realisiert und klingen für diese Technik verdammt gut. Wer es nicht zu genau nimmt, kann den „Oberheim Sound“ mit GForce OB-E (Eight Voice) und den unter dem Namen veröffentlichten Geräten zwar versuchen, aber es ist eben doch einfach sehr anders und daher Apfel gegen Birne.
Damit sind OB-8X (dem OB-8, OB-X und OB-Xa nachempfunden) und OB-6 (am 4-Voice, SEM und OB1 orientiert) in diesem Punkt toll, aber anders und bei LFO Speed überlegen. Bei der Vielfalt der Filterkombination und Art des Klanges, der stabilen FM und ähnlichen ist man jedoch einfach auf anderen Spuren unterwegs. Die Modulationsfähigkeiten sind sonst in Menge und Vielfalt absolut unterlegen. Da gibt’s auch nichts in dem nicht billigen OB-8X zu finden.
Was ist mit OB-6 / OB-8X?
Nicht etwa weil Oberheim drauf steht oder die Arbeit von kompetenten Leuten dranhängt, sondern weil es einfach eine ganz andere Kategorie von Gerät ist, die eher an Jupiter (alle) und Prophet 5 erinnern. Zumindest bezüglich der Struktur und im Klang ist das vergleichbar. Das ist kein ideologisches Vintage-Sammler-Besitzer-Urteil, der lacht, wenn andere dieses seltene Teil nicht haben, sondern leider die Wahrheit. Man kann also sehr an die Entwickler appellieren sich den Matrix 12 mal vorzunehmen. Und das im klanglichen Verhalten und nicht nur am Original zu orientieren, denn moderne Synths können schnellere LFOs und Hüllkurven generieren. Das beweisen aktuelle Synths sehr gut.
Viele Analoge von heute haben ohnehin digitale LFOs/Hüllkurven/Tracking-Generatoren und Ramp-Generatoren, so auch der Matrix 12, denn dort waren drei damals starke 6809 Prozessoren damit beschäftigt das zu tun. Sie teilten sich die Jobs noch mit Stimmverteilung und Bedienung, die natürlich bearbeitet werden muss. Eine alternative Idee dafür könnte ein per MIDI eingeflößter Controller-Einlauf sein, der die LFOs simuliert. Das geht mit langsamen LFOs und Hüllkurven technisch gut. Das Gerät heißt LFE und kann bei Yorick erworben werden. Ein alter klassischer Matrix 6 hat Vieles, sogar Softsync und ähnelt dem Charakter des Matrix 12, hat aber nur ein festes 24 dB/Okt. Tiefpass.
Welche Matrix 12-Baugruppen können was?
Die VCOs sind nur zu zweit und man hat das Rauschen in einem der beiden VCOs als Wellenform verbaut. Beide haben ein eigenes Portamento und für die FM wird generell immer „nur“ das Dreieck verwendet. Der Sync klingt sehr stark, teuer und massiv und kann Filter- oder VCO-FM liefern. Die VCOs sind sehr charakteristisch, könnten aber noch mehr Obertongehalt und damit „Knarz“ vertragen. In dem Fall könnten Geräte von Studio Electronics durchaus eine Alternative liefern. Die beiden Sequential-Angebote hingegen sind doch sehr an den einfachen Vorgängern des Matrix 12 orientiert. Die SEM-Serien waren sicher die andere faszinierende Seite der Original-Oberheims im Sound, jedoch waren die recht unkomplex in ihren Möglichkeiten. Dennoch war mein Favorit, wegen des Sounds und der FM-Eigenschaften, unschlagbar der Matrix 12 und sein kleiner Kollege Xpander. Die sind technisch übrigens fast identisch, der 12er hat einfach die doppelte Stimmenanzahl und noch ein paar weitere Details zu bieten.
Ideale Genres mit und ohne Matrix 12?
Sicher produziert nicht jeder Synthpop, Synthwave, IDM oder melodische Stile, um die tonale FM auszunutzen. Für Techno wäre und gibt es bestimmt andere Geräte als einen Matrix 12. Wer eher dorthin tendiert und die Tonalität weniger eine Rolle spielt, kann besser auf die Maschinen der Jahre 1984 und 1985 verzichten. Diese Eigenschaften besitzen jedoch auch in anderen Stilen andere Synthesizer die nicht ganz diese majestätische Oberlegenheit™ zu erreichen, inklusive sehr teurer Schiffe, wie Andromeda, Moog One oder ähnliche. Mir fällt also kein Synth ein, der Breite, Schönheit und Nutzbarkeit so verbinden kann. Und bei dieser Anmut bei Pads und ähnlichem, wird man auch in anderen Genres schwach werden können. Ich will nicht, dass die Geräte noch gefragter und teurer werden, aber einen Ersatz gibt es eben auch noch immer nicht.
Man kann sich den beiden „neuen Oberheims“ dann zuwenden, wenn es etwas gewöhnlicher und mit nicht so viel Bewegung geht oder schlicht das Genre die Vorteile des Klassikers nicht ausleben lassen. Um bei Depeche Mode zu bleiben hat sich Herr Gordeno (Keyboarder) sicher einen würdigen, aber nicht so komplexen Synth besorgt: den OB-X8. Aber das nur nebenbei.
Klangmacht oder Clone?
Technisch soll nicht zu viel über alle Details gesprochen werden. Es gibt etliche Details in der Art, wie man mit Modulationsquellen umgeht, und dass es ein paar Minihüllkurven zusätzlich zu den 5 Normalen gibt. Das würde den Rahmen hier aber sprengen. Die Rede ist von Tricks, die Sample & Hold, gegenseitige Modulation, Rhythmisierung und sehr organische lebendige Klänge erlauben, die teilweise erst mit einiger Zeit Arbeit mit diesem Analogschiff ans Licht kommen. Deshalb kauft man analog. Ich achte eher darauf, nicht zu viele Klassiker zu haben und nicht zu viele Kosten für Reparatur. Man kann heute Geräte durch wenig Hitze für die Bauteile und neue Netzteile teilweise auch etwas schützen. Bis auf die Anzeige und einige andere Bauteile, ist der Matrix 12 aber durchaus reparierbar – auch in der heutigen Zeit.
Gäbe es ihn nicht, würde ich um Cloning betteln. Geht er mal kaputt würde ich ihn auch für den Anschaffungspreis reparieren lassen. Das macht man nur, wenn man etwas wirklich vermisst, denn einige andere Klassiker konnten substituiert oder übercloned werden. Manche Sounds kann man mit anderen guten Synths sinngemäß aufbauen, aber die Filter-Phasen–Kombinationen und der sehr gutmütigen Filterreaktion, aber auch einigen Eigenheiten der Oszillatoren, bringen eine Reihe von Klängen, die auf anderen Geräten so nicht herstellbar sind. Was aber die Magie dessen ist, was mit Filtern, Allpassfiltern/Phasenschiebern und Co. möglich ist. Darunter auch die 1-Mehrpol-Verschaltungen die sehr charakteristisch sind. Theoretisch gibt es dazu Ansätze beim Jomox Sunsyn und den Z-Plane-Filter-Synths von E-Mu/Rossum Electro. Eine Suche nach etwas in der Art würde aktuell scheitern. Auch wenn es das Filter als Nachbau in modularen Welten gibt, war ich von der Breite und Intensität nicht überzeugt. Die Polyphonie würde fehlen.
Die geheimen Superkräfte des Matrix 12
Den Matrix 12 kann man direkt im Multimode betreiben und sofort Multi-Programme und Layering extrem gut nutzen. Aktuelle Synths können das nicht. Bei analogen Synthesizern ist das noch seltener anzutreffen. Der Matrix 12 oder Xpander versteht CV/Gate, der Matrix 12 nicht. Beim Kauf muss man beachten, wie und welche Kalibrierung vorliegt. Nahezu alle Oberheims brummen heute, weil die Trafos darin nicht mehr gut sind. Aber dagegen kann man etwas tun.
Die Bedienung ist heute eher mit dem Hydrasynth zu vergleichen und geht relativ schnell. Patchkabelersatz „Matrix“ war damals von Oberheim erfunden worden, heute haben das viele andere auch. Das ist also Beides nichts Besonderes. MIDI erlaubt eine Hand voll Controller die festgelegt werden, darüber hinaus hört er auf SysEx in Echtzeit. Bis auf Ableton Live sind damit weitreichende Produktionen auf heutigem Niveau und auf jeder DAW und vielen Grooveboxen möglich. MIDI und Co. ist maximal belastbar. Synchrone LFOs auf einen Beat sollte man aber nicht erwarten. Das gab es damals nicht.
Wenn es ihn nicht gäbe, sollte man ihn neu erfinden, aber seine LFOs auf Audiotempo bringen und die Hüllkurven schnappiger machen. Das Beeindruckende sind also einfach die Sounds, der Grundklang und die Modulationsmacht, diese irren Filter und die hervorragende Ganz-Tastatur-FM.
Lösungen? Mich würde es wahnsinnig freuen, wenn findige Menschen, so etwa wie dieser hier sich solch einem Projekt annehmen würden, es muss kein Clone sein, sondern nur der Sound und gute Möglichkeiten aber mit LFOs und Hüllkurven von „heute“. Sequential könnte es, Behringer könnte es vielleicht auch, wenn sie ihre Plattform aufgebaut haben, vielleicht auch eine kleine andere Firma oder auch Arturia?
Audio
Es gibt etliche musikalische und klangliche Optionen den Matrix 12 und Xpander zu hören. Diese sind klanglich nicht verschieden, weshalb es egal ist, welchen man sich anhört.
Auf diesem Album https://moogulator.bandcamp.com/album/gedankenrauschen
Matrix-Anspieler: „im ÄtherRaum, no intention (besonders am Ende), new limit
und auch auf diesem https://moogulator.bandcamp.com/album/real-or-not
z.B. Cut.Off
Video
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