von Lasse Eilers | Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Mythos TR-909: Eine Drummachine für die Ewigkeit

Mythos TR-909: Eine Drummachine für die Ewigkeit  ·  Quelle: Roland

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Heute ist wieder „909 Day“! Wie kaum eine andere Drummachine hat die Roland TR-909 der Musikgeschichte ihren Stempel aufgedrückt – übertroffen vielleicht nur von ihrer älteren Schwester TR-808. Dabei war sie eigentlich ein kommerzieller Flop und verschwand genauso schnell wieder vom Markt, wie sie erschienen war. Zum heutigen 909 Day sagen wir danke für über 40 Jahre TR-909!

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Roland TR-909: Geburt einer Legende

Im Jahr 1983 war in der Welt elektronischer Musikinstrumente Einiges im Umbruch. Bei den Synthesizern war der Yamaha DX7 dabei, die als veraltet geltenden analogen Instrumente in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Deren Sounds klangen nämlich nicht wirklich nach echten Klavieren und Streichern – in den Augen vieler Musiker ein Manko, dass es schnellstens zu beheben galt. Mit den glasklaren Sounds der FM-Synthese trat der DX7 seinen beispielhaften Siegeszug an und die Hersteller der analogen Saurier wie Sequential Circuits, Oberheim oder Moog mussten in den Folgejahren reihenweise die Segel streichen.

Eine ähnliche Revolution spielte sich auch bei den Drummachines ab. Roland war zu jener Zeit mit der TR-808 auf dem Markt vertreten, deren Klangerzeugung noch vollständig analog war. Was heute den einzigartigen Charakter ausmacht, für den die Maschine abgöttisch geliebt wird, galt damals als Schnee von gestern. Denn 1982 war mit der LinnDrum ein Drumcomputer erschienen, der alles bisher Dagewesene weit in den Schatten stellte – zumindest nach den Maßstäben jener Zeit.

LinnDrum
LinnDrum · Quelle: Forat Electronics, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Weil sie mit Samples arbeitete, klang die LinnDrum viel mehr nach einem echten Schlagzeug als alles, was bis dahin zur Verfügung gestanden hatte. Damals kam das einer Offenbarung gleich. Genau wie der DX7 bei den Synthesizern, markiert die LinnDrum bei den Drummachines eine Zäsur: Nichts war mehr so, wie es einmal gewesen war.

Roland musste etwas tun, um nicht abgehängt zu werden. Also entschied man sich, selbst eine Drummachine zu entwickeln, die sich die neue und noch sündhaft teure Sampling-Technologie zunutze machte. Die Ingenieure Tadao Kikumoto – auch Erfinder der TB-303 –, Atsushi Hoshiai und „Mr. Ou“ entwickelten die TR-909.

TR-909 Atsushi Hoshiai
Entwickler Atsushi Hoshiai mit der TR-909 und den berüchtigten Becken · Quelle: Roland

Analog? Samples? Beides!

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Anders als die LinnDrum, basierte die TR-909 aber noch nicht vollständig auf Samples. Da Speicherplatz noch extrem teuer war und die Maschine bezahlbar bleiben sollte, wurden nur die Becken und HiHats gesampelt, die analog besonders armselig geklungen hatten. Der Rest der Sounds wurde nach wie vor mit analogen Schaltkreisen umgesetzt. Aus heutiger Sicht kann man es sich kaum vorstellen, dass das mal der günstigere Weg war! Dass Roland noch nicht vollständig auf Samples setzte, sollte sich als einzigartiger Glücksfall für die Musikgeschichte erweisen.

Der Legende nach nahm Hoshiai für die 909 die Becken und HiHats seines eigenen Schlagzeugs auf, wobei letztere sogar aus zwei eigentlich nicht zusammen passenden Becken bestanden haben sollen. Zudem reichte die Sampling-Qualität mit 6 Bit nicht an die Auflösung der LinnDrum (8 Bit) heran. Ob die Sounds der TR-909 heute auch so berühmt wären, wenn sie in besserer Qualität gesampelt worden wären? Sehr fraglich.

Roland TR-909
Roland TR-909 · Quelle: Roland_TR-808_&_909.jpg: Brandon Danielderivative work: Clusternote, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Durch die hybride Strategie konnte Roland die TR-909 um einiges günstiger anbieten als die LinnDrum. Und sie hatte auch abseits der Sounds viele Neuerungen zu bieten. Gegenüber der TR-808 hatte Roland den Sequencer deutlich erweitert; unter anderem konnte die 909 swingen und bot eine Flam-Funktion. Bis zu 96 Patterns ließen sich speichern und zu Songs mit bis zu 896 Takten verknüpfen – da kann so manche heutige Drummachine nicht mithalten. Und nicht zuletzt war die TR-909 mit der damals brandneuen MIDI-Schnittstelle ausgestattet und damit für die digitale Zukunft gerüstet.

Trotzdem reichte es nicht zum durchschlagenden Erfolg. Schon ein Jahr später stellte Roland die Produktion nach nur rund 10.000 Exemplaren wieder ein. Abgelöst wurde sie von der TR-707, die bei Roland das Zeitalter der rein auf Samples basierten Drummachines einläutete.

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Trotz Werbung kein voller Erfolg: Roland TR-909 · Quelle: Roland

TR-909: Der Inbegriff von Techno und House

Genau wie für Rolands andere, quasi „aus Versehen“ zu Legenden gewordene Klassiker wie die TR-808 und TB-303, gilt für die TR-909: Was damals als Manko galt, wurde im Laufe der Jahre zum unverkennbaren Markenzeichen der Maschine und damit zum Geheimnis einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte. Zwar taugte die 909 nicht wirklich als Ersatz für ein echtes Schlagzeug. Aber nach einer Weile fanden Pioniere der Techno- und House-Musik heraus: Sie hatte eine fast schon unverschämt fette Bassdrum und groovte, mit Verlaub, wie Sau.

Vor allem in der Detroit-Szene entwickelte sich die 909 in den Händen von Produzenten wie Juan AtkinsKevin SaundersonDerrick May und nicht zuletzt Jeff Mills zur treibenden Kraft der Techno-Welle. Viele von ihnen hatten die Drummachine auf dem Flohmarkt gekauft; mitunter soll sie für 50 Dollar den Besitzer gewechselt haben. Noch etwas, was man sich aus heutiger Sicht nicht mehr vorstellen kann! Zu was dieser „Flohmarktfund“ in der Lage ist, wenn man wirklich damit umzugehen weiß, demonstriert wohl niemand eindrucksvoller als der 909-Großmeister Jeff Mills:

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Zwar war die TR-909 auch schon in den 1980ern gelegentlich in Pop-Produktionen aufgetaucht, unter anderem bei Phil Collins. Aber erst im Zuge des Techno- und House-Booms der 90er kam sie endgültig im Mainstream an. Plötzlich war sie auch auf Chart-Hits wie Madonnas „Vogue“ oder „Show Me Love“ von Robin S. zu hören und ihre Sounds fraßen sich für immer in die Gehörgänge einer ganzen Generation. Später setzten Daft Punk ihrer Lieblings-Drummachine mit dem Klassiker „Revolution 909“ ein Denkmal.

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Ich selbst erinnere mich noch gut daran, dass mir als Teenager in den frühen 90ern diese einzigartigen HiHats, Claps und Snares auffielen, die in vielen Dance-Tracks zu hören waren. Damals wusste ich noch nicht, wie man so etwas machte und dass diese Sounds zu einer ganz bestimmten Drummachine gehörten. Was mir aber schmerzlich vor Augen geführt wurde: Mein Roland JV-90 – mein erster und damals noch einziger Synthesizer – hatte diese Sounds nicht. Stundenlang mühte ich mich ab, ihm etwas Ähnliches zu entlocken, mit bescheidenem Erfolg. Denn es ist genau diese Kombination aus unerhört druckvollen Analogsounds wie Bassdrum, Snare und Toms und diesen herrlich trashigen HiHats und Becken, die den Zauber ausmacht. Und dafür brauchte man damals eben leider noch das Original. Oder zumindest einen Sampler, den ich aber ebenfalls noch nicht besaß.

Die TR-909 heute

Die Zeiten, in denen man mit etwas Glück eine TR-909 auf dem Flohmarkt ergattern konnte, sind natürlich schon lange vorbei. Heute kommt es einem Sechser mit Superzahl gleich, überhaupt ein halbwegs bezahlbares Exemplar zu finden. Wie viele von den etwa 10.000 hergestellten Maschinen noch funktionsfähig und im musikalischen Einsatz sind, ist kaum abzuschätzen. Aber so manche TR-909 dürfte mittlerweile zur Geldanlage mutiert sein und ein trauriges Dasein in der Vitrine irgendeines Sammlers fristen.

Glücklicherweise gibt es aber inzwischen viele moderne Alternativen, um auch ohne dicke Erbschaft an die klassischen Sounds zu kommen. Möglichkeiten, von denen ich damals nur träumen konnte!

Wer nicht auf Samples zurückgreifen möchte, wird zum Beispiel bei den verschiedenen heutigen Drummachines von Roland fündig, die die TR-909 und die anderen Klassiker wie die 808, 606 und 707 nachbilden. Bei Roland geschieht das digital mittels der ACB-Technologie (Analog Circuit Behavior), die die analogen Schaltkreise der Maschinen auf der Bauteilebene präzise emuliert, mitsamt ihren analogen Eigenarten. Die TR-09 aus der Boutique-Serie ist leider nicht mehr erhältlich, aber sowohl die TR-8S als auch die kompakten TR-6S und T-8 enthalten auch die Sounds der 909. Eine Software-Nachbildung gibt es im Rahmen der Roland Cloud ebenfalls. Alle sind bei Thomann* erhältlich.

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Roland Cloud TR-909 Download
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Analog-Fans kommen hingegen bei der Behringer RD-9 auf ihre Kosten. Wie das Original, verfügt dieser Drumcomputer über eine hybride Klangerzeugung aus analogen Sounds und Samples. Beim Sequencer ist Behringer allerdings eigene Wege gegangen und hat der Maschine mit Funktionen wie Step- und Note-Repeat und Probability viele Möglichkeiten spendiert, die die TR-909 nicht hatte. Die RD-9 gibt es ebenfalls bei Thomann*.

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Behringer RD-9
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Decksaver Behringer RD-9
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Eine weitere sehr beliebte Software-Emulation der TR-909 ist Drumazon von D16 Group. Zum 909 Day 2023 erschien mit Drumazon 2 die zweite Version, die mit vielen neuen Funktionen für Möglichkeiten sorgt, von denen man beim Original nur träumen konnte. So lassen sich die Sounds viel umfassender bearbeiten und mit Effekten versehen und der Sequencer bietet einen Überblick über alle Parts gleichzeitig. Drumazon 2 bekommt ihr bei Thomann*.

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D16 Group Drumazon 2 Download
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D16 Group Classic Boxes Collection Download
D16 Group Classic Boxes Collection Download Bisher keine Kundenbewertung verfügbar

TR-909 selbst bauen

Wer mit einem Lötkolben umgehen kann und sich ein größeres DIY-Projekt zutraut, kann sich einen 909-Klon auch selbst bauen. Im Laufe der Jahre erschienen mehrere DIY-Kits wie die e-licktronic NAVA (leider nicht mehr erhältlich), DIN Sync RE-909 und Steda SR-909. Allerdings ist das schon ein ziemlich ambitioniertes Unterfangen – man sollte also etwas Erfahrung mit dem Löten mitbringen und auch mit den Grundlagen der Fehlersuche und -beseitigung in elektronischen Schaltungen vertraut sein, damit das Projekt nicht in Frust ausartet. Meine eigene NAVA Extra9 (mit der genialen Modifikation von Wellental Schall Apparaturen), die ich im Corona-Lockdown zusammenzulöten begann, ist leider bis heute nicht ganz fertig geworden – vielleicht komme ich ja im kommenden Winter mal wieder dazu. Bis dahin tut es auch die TR-8S.

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