von Gastautor | Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten
Korg Poly-800

Korg Poly-800  ·  Quelle: Adam Douglas

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Der Korg Poly-800 ist so “achtziger” wie sonst kaum ein Synthesizer. Wie Korg es schaffte, den Preis unter 1000 Dollar zu drücken und den Poly-800 zu einem Hit zu machen, erfährst du in diesem Artikel.

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Dieser Artikel von Adam Douglas erschien ursprünglich in englischer Sprache auf gearnews.com. Übersetzung: Lasse Eilers.

Korg Poly-800

Angesichts des heutigen Angebots an erschwinglichen Synthesizern erscheint es kaum vorstellbar, dass es einmal eine Zeit gab, in der man keinen polyphonen Synthesizer für unter 1000 US-Dollar kaufen konnte. Mit dem Poly-800 beendete Korg diese Misere. Bei seinem Erscheinen im Jahr 1983 kostete der achtstimmige Analogsynthesizer sagenhafte 800 Dollar. Da überrascht es nicht, dass er dem Hersteller förmlich aus den Händen gerissen wurde. Trotzdem nimmt der Poly-800 neben anderen Synthesizer aus der Zeit eher einen Nischenplatz ein.

Korg Poly-800
Der erste polyphone Synthesizer unter 1000 Dollar · Quelle: Adam Douglas

Das müssen wir ändern! In diesem Artikel tauchen wir ein in den Korg Poly-800 und den Chip, der diesen Preissturz möglich machte.

Polyphon und erschwinglich

Der erste einigermaßen erschwingliche polyphone Synthesizer von Korg war der 1981 erschienene Polysix – ein sechsstimmiges Instrument mit nur einem VCO pro Stimme. Danach kam der oft unterschätzte Poly-61, der einen zweiten DCO mitbrachte. Ich mag seinen Sound, aber die geringe Auflösung der digitalen Steuerung ist nicht jedermanns Sache. Der letzte Spross der Serie, der schließlich die richtige Balance aus Preis und Stimmenzahl traf, war der Poly-800.

Korg Poly-800
Korg Poly-800 · Quelle: Adam Douglas

Obwohl das Ziel offensichtlich ein möglichst günstiger Preis gewesen war, wurde der Poly-800 mit seinem leichten Kunststoffgehäuse ein Erfolg bei tourenden Musikern. Außerdem konnte man ihn mit Batterien betreiben, wodurch er noch mobiler wurde. Und genau wie beim Yamaha CS01 konnte man sogar einen Gitarrengurt daran befestigen. Einen Modulationsgriff wie beim Roland SH-101 gab es allerdings nicht. Viele noch existierende Exemplare sind in einem bemitleidenswerten Zustand – der Beweis dafür, dass sie einige Reisen im Tourbus mitgemacht haben dürften.

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Um den Preis so tief wie möglich zu drücken, brachte Korg den Großteil der Synthesearchitektur in einem einzigen Chip unter. Dieselbe Idee verfolgte auch Curtis Electromusic Specialties, deren berühmter CEM3396 ein Jahr später herauskam. Der langjährige Korg-Entwickler Fumio Mieda setzte hingegen auf einen Oki Electric MSM5232, der sonst in Videospielen und TV-Sendesystemen eingesetzt wurde. Irgendwie schaffte er es, dem Chip zwei DCOsHüllkurven und sogar ein Filter zu entlocken.

Polyphone Struktur

Wegen der Architektur des Oki MSM5232 ist die Synthesestruktur des Poly-800 etwas ungewöhnlich. Werfen wir einen genaueren Blick darauf.

Korg Poly-800
Die Synthesestruktur ist ungewöhnlich · Quelle: Adam Douglas

Die beiden DCOs liefern jeweils die Schwingungsformen Rechteck und Sägezahn, wobei der Sägezahn im Grunde eine modifizierte Version des Rechtecks ist. Manche behaupten, dass der Poly-800 eigentlich immer nach Rechteck klingt – auch, wenn man den Sägezahn auswählt. Statt seine Schwachstellen aufzulisten, würde ich aber eher sagen, dass er eben besonders gut im Erzeugen typischer Rechteck-Sounds ist.

Mindestens ebenso ungewöhnlich ist die Tatsache, dass er wie eine Orgel eine additive Struktur hat. Statt die Oktavlage der Oszillatoren auszuwählen, kann man die Fußlagen 16’, 8’, 4’ und 2’ im gewünschten Verhältnis miteinander mischen. Ein ähnliches Konzept findet man auch beim Roland SH-7.

Der Poly-800 ist achtstimmig – aber nur im Single-DCO-Modus. Werden beide DCOs verwendet, sinkt die Stimmenzahl auf vier. Während jeder DCO über eine eigene Hüllkurve verfügt, gibt es nur ein Filter – ein 24-dB-Tiefpass. Das macht den Poly-800 streng genommen zu einem paraphonen Synthesizer. Interessant sind die Hüllkurvengeneratoren, die ein ADBSSR-Schema bieten: Attack, Decay, Break, Slope, Sustain und Release. Ganz schön fancy für 1983!

Zur weiteren Ausstattung gehören ein analoger Stereo-Chorus, ein (ziemlich rudimentärer) Step-Sequencer, ein Rauschgenerator (der sich eine Hüllkurve mit dem Filter teilt!), Chor- Memory und MIDI.-SysEx unterstützt der Synthesizer in der ersten Version allerdings leider nicht.

Abkömmlinge und Nachfolger

Der Poly-800 war so populär, dass Korg weitere Modelle folgen ließ. Neben einer Sonderedition mit invertierten Tasten erschien die Desktop-Version EX-800 (die dann zum Glück SysEx beherrschte).

Korg Poly-800 MkII
MkII · Quelle: Adam Douglas

1985 ersetzte der Hersteller das grün-bräunliche Original durch den viel schickeren, in Blau und Schwarz gehaltenen Poly-800 MkII. Neben dem neuen, vom DW-8000 abgeleiteten Farbschema bot der Nachfolger SysEx und ein digitales Delay, das an die Stelle des Chorus trat. Meiner Ansicht nach ist der MkII der beste Poly-800, da das Delay ziemlich krasse Pitch-Effekte liefern kann.

Modifikationen: Pimp deinen Poly-800

Wie viele andere Synthesizer jener Zeit, bot der Synthesizer kaum Echtzeit-Regelmöglichkeiten. Um mit diesem Missstand aufzuräumen, entwickelten Bastler in den Folgejahren etliche Modifikationen für den Poly-800, EX-800 und MkII. Eine der beliebtesten ist die Moog Slayer Filter Mod, die zwei Regler für Filter Cutoff und Resonance hinzufügt.

Korg Poly-800
Version mit invertierten Tasten · Quelle: Adam Douglas

Andere Modifikationen bieten Funktionen wie einen Schalter zur Wahl der Filter-Flankensteilheit, einen Audioeingang zum Einschleifen externer Signale in das Filter, Filter-FM und SysEx für die Originalversion.

Ich habe meinem 800 die Moog Slayer Mod gegönnt. Sie macht Spaß, aber mit der Resonanz muss man etwas vorsichtig sein, weil sie ganz schön extrem werden kann. Vielleicht ist das ja aber genau das, was man möchte.

Ein Poly zu Weihnachten

Für mich wird der Poly-800 immer etwas Besonderes sein, da er mein erster Synthesizer war. Ich hatte die Nase voll von klassischer Musik und wollte Songs von Prince spielen! Zu Weihnachten 1984 schenkten meine Eltern mir glücklicherweise einen Poly-800, sodass ich endlich Dr Fink nacheifern konnte.

Korg Poly-800
Sogar ein Sequencer ist vorhanden · Quelle: Adam Douglas

Angesichts seiner ungewöhnlichen Oszillatorsektion ist es rückblickend ein bisschen lustig, dass ich mir ausgerechnet auf dem Poly-800 die elektronische Klangsynthese beibrachte. Und dazu diese merkwürdigen Hüllkurven! Aber ich lernte eine Menge.

Meinen ersten Poly-800 hatte ich bis ins Jahr 1990, als ich voll auf Sampling und EBM-Bands wie Front 242 und Skinny Puppy stand. Hätte ich gewusste, dass auch Death In June den Synthesizer nutzten, hätte ich ihn sicher nicht verkauft.

Mein jetziges Exemplar habe ich vor etwa sieben Jahren günstig gekauft. Er gehört zur ersten Generation, die noch nicht mit einer Speicherbatterie ausgestattet war. Nimmt man die D-Zellen heraus, gehen die gespeicherten Sounds verloren. Als ich die Slayer-Mod vornahm, habe ich deshalb zusätzlich auch eine Batterie eingebaut.

Der Poly-800 heute

Eine Weile lang war es en vogue, den Poly-800 schlecht zu machen („Polyester-800“). Einige behaupteten sogar, er sei gar kein richtiger Synthesizer. Das ist zum Glück weitestgehend vorbei und viele schätzen ihn jetzt dafür, was er ist, statt zu betonen, was er nicht ist. Ja, er ist etwas merkwürdig, aber das gehört zu seinem ganz eigenen Charme.

Ich denke auch, dass der Poly-800 als erster „Low-Cost-Synthesizer“ ein Pionier war. Wie die heutige Volca-Serie oder die Mini-Synthesizer von Behringer schafft er es, ziemlich viel Synthese in ein erschwingliches Instrument zu packen.

Hol dir den Plastik-Sound!

Wenn du auf der Suche nach einem Poly-800 bist, schau genau hin! Zwar gibt es recht viele davon, aber viele hatten ein hartes Leben auf Tour. Deshalb sollte man angebotene Exemplare gründlich testen. Wirf auch einen Blick ins Batteriefach – viel zu viele Exemplare wurden durch ausgelaufene oder vergessene Batterien zerstört.

Bis jetzt hat noch niemand den Poly-800 nachgebaut. Er ist noch nicht einmal Teil der Korg Collection. Am nächsten kommt ihm wohl der coole (und kostenlose!) Software-Synthesizer Fury-800 von Full Bucket Music.

Falls du ein Instrument mit einem ähnlichen Spirit suchst, würde ich vielleicht einen Korg Volca Keys oder einen Behringer JT-4000 Micro vorschlagen. Beide haben auch ihre Merkwürdigkeiten und sind sehr günstig – die Poly-800s der Zukunft? Und obwohl er nicht analog ist, steht auch der microKORG natürlich in der Tradition des Poly-800.

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