Linux Plug-ins und Formate – Einführung und Tipps
Wenn VST, AU, AAX oder RTAS nicht kompatibel sind, müssen eben LADPSA und LV2 den gleichen Job machen.
„Könnt ihr mehr zu Linux machen?“ habe ich in der Vergangenheit sehr oft gehört. Der Bitte möchte ich natürlich so gut es geht nachkommen, auch wenn der Markt dafür verhältnismäßig klein ist: Wenn schon nur 2-5% aller Desktop-Nutzer Linux nutzen, könnt ihr euch ausmalen, wieviele davon mit Linux Audiobearbeitung machen. Aber es werden immer mehr und so richtig gute Übersichten sind noch rar im Netz. Also, warum nicht selbst Hand anlegen?
Linux hat abgesehen von der geringen Nutzerzahl das Problem, dass viele kommerziell-gepolte Firmen schlicht nicht an die Nische denken und eben nicht dafür entwickeln – abgesehen von wenigen Ausnahmen. Aber es gibt große Firmen, die mit dem richtigen Weg mit Linux und freier Software Geld verdienen. Nur kleine und junge Entwicklerteams, die auch mal den Blick über den Tellerrand wagen, entwickeln für Linux audiorelevante Produkte. Langsam, ganz langsam werden es mehr. Das Henne-Ei-Problem: Es gibt nicht genug User, deswegen kaum Produkte, weswegen auch kaum User zu Linux wechseln.
Hat man eine DAW für Linux gefunden, dann geht die Suche nach Plug-ins los. Nur im vergleichsweise schlecht dokumentierten Dschungel weiß man nicht, wo man anfangen kann. VST, AU, AAX oder RTAS als handelübliche Vertreter der anderen beiden Betriebssysteme gibt es für Linux nicht – wobei VST mittlerweile dennoch Einzug erhalten hat. Dazu aber später mehr.
Ich möchte euch einen kurzen Einblick in die Plug-in Formate geben und jeweils auch ein paar Empfehlungen mit auf den Weg geben. Das mag nicht für jeder Vorliebe passen und entspricht meiner eigenen Vorliebe, ich freue mich aber über euren Input. Die Liste wird dann ggf. erweitert, dass Einsteiger einen kleinen Leitfaden haben.
Und jetzt Achtung: Es wird ein bissi technisch!
LADSPA
Hinter der sehr einprägsamen (nicht) Abkürzung verbirgt sich „Linux Audio Developers Simple Plugin API“, letzteres ist wiederum eine Abkürzung für Application Programming Interface, dummdeutsch übersetzt heißt das Anwendungsprogrammierschnittstelle. Grob gesagt, kommunizieren die Programme darüber mit dem System. Darauf baut auch LADSPA als freie (Open Source, (L)GPL) Schnittstelle auf und lässt die Bearbeitung von Audiosignalen zu.
Das große Problem für mich mit diesem Plug-in Format wird von vielen auch als Vorteil hochgehalten: Es gibt keine Möglichkeit für den Programmierer, ein GUI einzubauen. Die einzige grafische Oberfläche sind beschriftete Schieberegler. Das mag für den einen oder anderen gehen, bei manchen Plug-ins macht das sogar Sinn, aber wenn man von OSX oder Windows umsteigt, dann kennt man selbst von Freeware VST aus den 2000ern bessere Grafiken. Auch die Visualisierung ist nicht möglich, z.B. einen EQ mit Frequenzanalyse sucht man vergeblich.
DSSI
Disposable Soft Synth Interface, kurz DSSI, ist eine Schnittstelle für virtuelle Instrumente. Es ist auch eine freie Schnittstelle und ist ein Geschwisterchen von LADSPA, nur eben für Klangerzeuger. Dazu werden wie bei OSX oder Windows mit MIDI-Signalen Klänge in virtuellen Synthesizern und Samplern erzeugt.
Es ist nicht gerade üppig mit Plug-ins bestückt worden und mittlerweile wie LADSPA eher ein Anhängsel für die, die nicht von ihren alten Sachen loslassen können oder wollen.
LV2
LV2 ist eine Abkürzung für „LADSPA Version 2“ (niemand will das ausschreiben!) und ist eine der gängigen Formate für Linux Plug-ins. Es baut auf dem LADSPA auf, ist aber leicht für die Programmierer erweiterbar und erlaubt grafische Oberflächen, MIDI Kommunikation und eben Audio. Es vereint LADSPA und DSSI.
Es ist eine der aktuell wichtigsten Schnittstellen für Linux Audio und die Pinguin-tauglichen DAWs unterstützen das Format fast alle. Nur Bitwig Studio (leider immer noch) nicht, dafür Ardour Mixbus, Rosegarden und MuSe.
LinuxVST
Hier steckt ein echtes VST drin, das man auch schon von Windows und OSX kennt. Grundlegend ist es möglich, jedes Windows VST über Umwege und von Steinberg entliehene Dateien aus dem SDK umzuschreiben, dass am Ende eine LinuxVST entsteht. Heißt: Man braucht kein Wine oder eine andere „Windows-Emulation“, sondern es läuft wie LV2 nativ.
In der realen Welt ist es aber nicht nur „Datei austauschen“, sondern etwas mehr wie z.B. neu kompilieren. Deswegen sind bisher leider nicht viele Firmen den Weg gegangen und das Angebot ist noch ziemlich mau. Aber es gibt ein paar Plug-in Programmierer, die das Format bereits halbwegs offiziell abdecken – und auch DAWs, darunter Bitwig Studio, Ardour, Mixbus und künftig soll auch „Reaper for Linux“ darauf setzen. Immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Persönliche Empfehlungen:
- U-HE (LinuxVST aller Plug-ins bei KVR, Lizenzen beim Hersteller oder Thomann)
- CALF (oder in den Repos)
- Guitarix (oder in den Repos – klingt nicht immer gut bzw. ist tricky, ist aber die einzige Alternative zu „nix“)
- IR (oder in den Repos)
- X42 Plug-ins (oder in den Repos)
Hier und eigentlich überall ist das Problem, wenn der oft alleinige Entwickler aufhört, das Plug-in verwaist. Abgesehen von U-HE sind die anderen aber Open Source und können so von Dritten weiterentwickelt werden. Leider sind auf der anderen Seite Linux-Entwickler oft sehr engstirnig und wollen (oder können) nicht Crossplattform entwickeln, außer U-HE und X42 sind mir keine bekannt.
Ich werde weiterhin immer wieder versuchen, mit Linux zu arbeiten oder es mir als Alternative warm zu halten, wenn ich mit OSX oder Windows nicht mehr weiter kommen sollte. Ich habe es ja schon probiert und werde es weiter tun – gerade mit Tracktion bzw. jetzt Waveform, Bitwig 2 und Ardour geht es gut voran und je mehr Plug-in Hersteller wie U-HE auch auf Linux umsatteln, desto angenehmer wird es da. Dann fehlt nur noch eine gute Audioanbindung ohne JACK oder ALSA. Aber das wird wohl wenn überhaupt erst in tausend Jahren passieren.
Mehr, mehr, mehr
Eine allgemeine Liste mit allerlei verfügbaren Plug-ins findet ihr hier bei Linux Sound, eine weiter nur für mit Linux kompatiblen VST hier. Achtung: Nicht alle haben moderne GUIs.
NACHTRAG 08. März: Steinberg hat das VST SDK offiziell auf cmake umgestellt und offiziell kompatibel zu Linux „gemacht“. Außerdem ist VST3 Support drin und es ist unter GPL v3 auf gitHub verfügbar. Mehr Infos inkl. Statement von Steinberg gibts hier.
Mehr Infos
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3 Antworten zu “Linux Plug-ins und Formate – Einführung und Tipps”
Gute Einführung, kurz, gerade technisch genug und flüssig für Einsteiger lesbar! Das hätte ich mal vor Jahren gebraucht! :D
Ich hab nicht verstanden, was an dem Wort „Anwendungsprogrammierschnittstelle“ zur verächtlich anmutenden Bezeichnung als „dummdeutsch“ führt.
Zugegeben ist es etwas überspitzt formuliert, auf der anderen Seite: Weder sagt es jemand aktiv, noch ist es über das Lehrbuch hinaus gebräuchlich.
In meiner Zeit hatte ich zu einer Person Kontakt, die krampfhaft derlei löblichen Wörter aktiv versuct zu nutzen. Und damit meine ich nicht Rainer Pfaffenberg. ;)
Empfindest du es als fehl am Platz?