Komponieren nach Karten und die Rückkehr von Lemur: Tops & Flops
Gehen dir auch manchmal beim Komponieren und Produzieren die Ideen aus und du kommst nicht weiter? Flipspark Elements könnte die Lösung sein! Und es gibt gute und schlechte Nachrichten für alle Fans der Controller-App Lemur. Das sind meine Tops & Flops der Woche.
Tops & Flops
Flipspark Elements: Karten gegen die kreative Blockade
![Komponieren nach Karten und die Rückkehr von Lemur: Tops & Flops](https://www.gearnews.de/wp-content/uploads/2025/02/flipspark-elements-1-1024x565.jpg)
Wer kennt es nicht: Der neue Track nimmt Formen an, die ersten Spuren sind aufgenommen, vielleicht steht sogar schon eine Struktur. Doch plötzlich drehst du dich im Kreis und alles klingt irgendwie uninspiriert und altbacken. Du fragst dich, ob die Idee wirklich so gut war, und verlierst bald die Motivation, daran weiterzuarbeiten. Ich selbst kann ein Lied davon singen – die angefangenen und dann wieder verworfenen Ideen auf meiner Festplatte möchte ich lieber nicht zählen.
Das ist die berüchtigte kreative Blockade, mit der viele Künstler sich immer wieder selbst ein Bein stellen. Und jeder geht anders damit um – die einen probieren es einfach morgen noch einmal, die anderen suchen Zuflucht in mehr oder weniger legalen Substanzen und wieder andere … spielen Karten.
Aus den gewohnten Routinen auszubrechen und einen anderen Weg zu gehen, als man es normalerweise tun würde, ist eine beliebte Strategie gegen solche Blockaden. Doch leider ist das gar nicht so einfach. Deshalb entwickelte Brian Eno schon in den 1970ern zusammen mit dem Künstler Peter Schmidt die mittlerweile legendären „Oblique Strategies“: über 100 Karten mit mitunter skurrilen bis rätselhaften Denkanstößen, Vorschlägen und Fragen, die dabei helfen sollen, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und das eigene Werk aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Seitdem schwören viele Musiker und Produzenten auf die Oblique Strategies – der Legende nach haben zum Beispiel David Bowie und Coldplay gern darauf zurückgegriffen. Heute kann man sie im Webshop von Brian Eno für 50 Pfund erwerben.
![Oblique Strategies](https://www.gearnews.de/wp-content/uploads/2025/02/oblique-strategies-1024x565.jpg)
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Flipspark Elements. Dieser Kartensatz lässt nicht ganz so viel Spielraum für Interpretationen wie die Oblique Strategies und ist daher vielleicht nicht ganz so universell einsetzbar. Vielmehr wendet sich Flipspark Elements ausdrücklich an Produzenten elektronischer Musik und enthält konkrete Vorschläge zur Verwendung bestimmter Instrumente, Techniken und Effekte. Kommt man an einem Punkt nicht weiter, so die Idee, dann zieht man einfach eine Karte vom passenden Stapel und lässt sich inspirieren.
Die 64 Karten sind in die vier Kategorien Element, Instrument, Pattern und Effects sortiert. Weiße Karten befassen sich mit tonalen Elementen, schwarze mit Drums. So kann man entweder eine beliebige Karte ziehen, um den Track in eine unerwartete Richtung zu lenken, oder gezielt Hilfe für den Part suchen, mit dem man sich gerade beschäftigt.
![FlipSpark Elements](https://www.gearnews.de/wp-content/uploads/2025/02/flipspark-elements-2-1024x565.jpg)
Was meint ihr – kann das funktionieren? Ich finde die Idee ja durchaus charmant. Einige der Karten kommen mir jedoch etwas zu einfach gestrickt vor. Bei den Oblique Strategies ging es ja gerade darum, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die man normalerweise nicht machen würde. Auch deshalb lassen die Anweisungen so viel Spielraum für Interpretationen. Dagegen kommen mir Vorschläge wie „Benutz einen Arpeggiator!“ oder „Schichte zwei Sounds übereinander!“ etwas uninspiriert vor.
Sicherlich kommt es darauf an, was man daraus macht. Für die einen könnte Flipspark Elements die Rettung bei kreativen Blockaden sein. Anderen werden die Karten bloß ein Schulterzucken entlocken. Top oder Flop? Ich weiß es nicht.
Flipspark Elements ist jetzt auf der Website des Herstellers für 9,- US-Dollar erhältlich. Dafür bekommt ihr die Karten im digitalen Format – ausdrucken müsst ihr sie selbst.
Lemur ist wieder da – aber nur im Abo
Für alle Fans der vielseitigen Controller-App Lemur gibt es gute Nachrichten: Seit Kurzem gibt es die App, die das Erstellen flexibler, individuell gestalteter MIDI- und OSC-Bedienoberflächen ermöglicht, wieder im App-Store! Für iOS ist Lemur nach einer jahrelangen Durststrecke und der Übernahme durch MIDI Kinetics jetzt wieder erhältlich, eine Android-Version soll noch in diesem Jahr folgen.
![Lemur](https://www.gearnews.de/wp-content/uploads/2025/02/lemur-1-1024x566.jpg)
Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuß. Denn während man früher nur einmal für Lemur bezahlte und die App dann unbegrenzt nutzen konnte, gibt es sie jetzt nur noch im Abo. Und das geht richtig ins Geld: Wer Lemur nutzen möchte, muss in Zukunft 99,99 € pro Jahr oder 14,99 € pro Monat berappen. Und es gibt nicht einmal eine Vergünstigung für langjährige Nutzer, die die App bereits gekauft hatten. Puh.
Laut MIDI Kinetics war dieser Schritt notwendig, um die App, die einen „Nischenmarkt“ bediene, am Leben zu erhalten und die zukünftige Weiterentwicklung zu finanzieren. Der Hersteller weist darauf hin, dass Lemur fortschrittliche Features biete, die vergleichbar mit deutlich teureren Lösungen seien. Gemessen am Funktionsumfang müsse die App eigentlich etwa 300 Dollar kosten (hier könnt ihr das komplette Statement lesen).
Es mag ja sein, dass die Pflege und Weiterentwicklung mit dem bisherigen Preismodell nicht wirtschaftlich aufrechtzuerhalten ist. Für alle, die Lemur lediglich für „normale“ Controlleraufgaben nutzen und den Funktionsumfang nicht annähernd ausreizen, dürfte es mit diesem Abomodell jedoch noch schwieriger geworden sein, die erheblichen Mehrkosten gegenüber günstigen Alternativen wie TouchOSC zu rechtfertigen. Da hätte es doch bestimmt eine sensiblere Lösung gegeben? Wäre nicht vielleicht eine Art „Lemur light“ zu einem günstigeren Preis denkbar gewesen?
Mit Abomodellen sind ja schon einige Firmen gescheitert; man denke nur an den spektakulären Rückzieher von Waves im Jahr 2023. Ich bin gespannt, wie es mit Lemur weitergeht. Dass es die App wieder gibt, ist an sich nämlich eine tolle Nachricht. Wer nicht gerade ein gut laufendes Post-Production-Studio betreibt und die Abokosten durch regelmäßigen Cashflow rechtfertigen kann, dürfte bei diesem Preismodell aber ganz schön ins Schwitzen kommen und sich dreimal überlegen, ob es denn wirklich Lemur sein muss. Also – einerseits top, andererseits ein ziemlich klarer Flop!
![Lemur](https://www.gearnews.de/wp-content/uploads/2025/02/lemur-1024x565.jpg)