Kompressor-Workshop: So wählst du den richtigen Kompressor aus
In diesem Kompressor-Workshop geht es um die unterschiedlichen Typen dieses unverzichtbaren Studiowerkzeugs. Was ist der Unterschied zwischen FET, VCA, Opto, Diode und Vari Mu? Gibt es die alle auch als Plugins? Und wofür eignet sich welcher Kompressor-Typ am besten? Hier wollen wir ein paar Antworten geben.
Kompressor-Workshop
Mit einem Kompressor bearbeitest du die Dynamik von Audiosignalen, der Lautstärkeunterschied zwischen den lauten und leisen Stellen wird also reduziert. Diese verkleinerte Dynamik wird demzufolge als Kompression bezeichnet.
Über einen Kompressor und dessen Anwendungen im Kontext der Aufnahme und Musikproduktion lassen sich ganze Bücher schreiben, deshalb können wir in diesem Kompressor-Workshop nicht zu sehr ins Detail gehen. Am Ende findest du aber ein paar Tipps und Links, um dein Wissen weiter zu vertiefen.
Primär geht es hier um die Unterschiede zwischen den einzelnen Kompressor-Typen und die Frage, welcher Typ für welche Aufgabe am besten geeignet ist. Vorher beschäftigen wir uns aber kurz mit den wichtigsten Parametern eines Kompressors, denn besonders Attack und Release spielen bei den verschiedenen Typen eine gewisse Rolle.
Kompressor-Plugins orientieren sich übrigens in den meisten Fällen an den unterschiedlichen Hardware-Typen und decken deshalb auch die gleiche Vielfalt ab.
Die wichtigsten Parameter an einem Kompressor kurz erklärt
- Threshold: Dies ist der wohl wichtigste Parameter und bestimmt, ab welchem Pegel die Kompression einsetzt. Je niedriger dieser Wert eingestellt ist, desto mehr wird von dem Signal komprimiert.
- Ratio: Wie stark die Kompression ausfällt, bestimmt dieser Parameter. Bei einer Ratio von 1:1 wird das Signal quasi nicht komprimiert. Eine Ratio von 4:1 reduziert ein Signal, das 4 dB oberhalb des festgelegten Thresholds liegt auf ein Signal, das nur noch 1 dB oberhalb des Thresholds liegt. Ratios von 10:1 und höher werden als Limiting bezeichnet. Eine auf „unendlich“ eingestellte Ratio erzeugt sogenanntes Brickwall-Limiting und lässt kein lauteres Signal oberhalb des eingestellten Thresholds zu.
- Attack und Release: Kurz gesagt steuern diese in der Regel in Millisekunden angegebenen Zeiten, wie schnell die Kompression nach Überschreiten des Thresholds einsetzt und wieder aufhört. Kurze Attack-Zeiten erfassen schnelle Transienten wie von Drums. Langsame Attack-Zeiten erhalten hingegen die Dynamik und Tiefe. Schnelle Release-Zeiten können zu einem (rhythmischen) „Pumpen“ führen, langsame Zeiten klingen neutraler. Es gibt Kompressoren, bei denen sich die Attack- und Release-Zeiten abhängig vom Audiosignal von alleine einstellen – das wird „program-dependent“ genannt.
- Makeup Gain: Hiermit gleichst du die durch die Kompression entstandene Reduktion der Lautstärke wieder aus. Bei einigen Kompressoren passiert dies sogar automatisch.
- Knee: Wie schnell der Wechsel vom umkomprimierten zum komprimierten Signal passiert – das bestimmt dieser Parameter. Ein „Soft Knee“ eignet sich gut für Instrumente wie Synthesizer und Gitarren und ebenso für Vocals, ein „Hard Knee“ passt gut bei Drums und Percussion.
Röhrenkompressor
Dieser Kompressor basiert auf Röhrentechnik und wird auch gerne als Vari-Mu-Kompressor oder Tube-Kompressor bezeichnet. Berühmte Vertreter sind Manley Variable Mu und Fairchild 670. Diese Typen zeichnen sich durch einen schön gefärbten „Vintage-Sound“ mit eher langsamen Attack- und Release-Zeiten aus. Das ist eine gute Eigenschaft zum Angleichen und „Glätten“ der Level in einem Song. Der Röhrensound passt super zu Vocals und ist zum „Veredeln“ von Signalen auch heute noch sehr gefragt.
Ein Röhrenkompressor eignet sich gut für:
- Vocals
- akustische Gitarre
- Pads
- Lead Synthesizer
- Einzelne Busse und ganze Mixe
Für gerade mal 24 Euro erhältst du mit dem Klanghelm MJUC eine tolle Plugin-Emulation, die sich an Röhrenkompressoren orientiert, FabFilter Pro-C 2* ist ein sehr flexibles Plugin, das zusätzlich einen Opto-Modus anbietet. Edle Röhrenkompressoren sind nicht gerade günstig, ein Gerät wie der Manley Variable MU Compressor/Limiter* ist für professionelle Studios gedacht.
Opto-Kompressor
Vereinfacht gesagt funktioniert dieser Typ mit Fotozellen, die auf Helligkeit reagieren und daraus die Kontrollspannung für die Steuerung der Kompression erzeugen. Die Lautstärke aber ebenso die Frequenz beeinflussen die entstehende Helligkeit und damit den Grad der Kompression.
Der wohl bekannteste Opto-Kompressor ist der Teletronix LA-2A. Dieser zeichnet sich durch einen etwas schnelleren Attack als bei Röhrenkompressoren aus, die eher langsame Release-Zeit wird automatisch und abhängig vom Signal erzeugt. Besonders die langsamen Release-Zeiten sorgen für eine „musikalische“ Kompression. Der zuschaltbare Limiter-Modus arbeitet ebenfalls sehr transparent.
Ein Opto-Kompressor eignet sich gut für:
- E-Bass
- Bläser wie Saxophon, Trompete oder Posaune
- Becken und Overheads
- Vocals und Spachaufnahmen
Von Universal Audio gibt es die Teletronix LA-2A Leveler Collection* nun auch als native Plugins, die ohne zusätzlichen DSP funktionieren. Warm Audio WA-2A* orientiert sich ebenso am berühmten LA-2A, allerdings in Form von Hardware.
FET-Kompressor
Die Abkürzung FET steht für „Feldeffekttransistor“ – kurz gesagt soll diese Technik den Sound von Röhrenkompressoren nachbilden, allerdings ohne dabei Röhren zu verwenden. Die haben nämlich ein paar Nachteile wie eine hohe Wärmeentwicklung oder eine vergleichsweise kurze „Lebensdauer“.
UREI 1176 mit all seinen Revisionen und Nachbauten ist und bleibt der berühmteste FET-Kompressor. Schnelle Zeiten, ein „punchy“ Sound und die Tendenz zu harmonischen Verzerrungen (wenn hart angefahren) zeichnen diesen Typ aus. Aufgrund des klangfärbenden Charakters sind FET-Kompressoren wie der 1176 sehr beliebt. Dieser bietet übrigens keinen Threshold-Regler: Je lauter das eingehende Signal ausfällt, desto stärker wird komprimiert.
Ein FET-Kompressor eignet sich gut für:
- E-Gitarre
- E-Bass
- Bass-Synthesizer
- Lead-Synthesizer
- Trompete
- Drums und Percussion
- Drum-Gruppen
- Vocals
Pulsar Audio Smasher* ist ein günstiges Plugin, das den berühmten 1176 Kompressor emuliert – in diesem Kaufberater findest du weitere Plugins. Der Black Lion Audio Bluey Limiter* ist ein Hardware-Kompressor, der sich an einem modifizierten Blue Stripe 1176 orientiert.
Diode-Bridge-Kompressor
Diodenbrücken gehören hier zu den technischen Merkmalen, Neve 2254 und 33609 sind die bekanntesten Kompressoren dieser Art. Schnelle Attack- und Release-Zeiten sowie harmonische Verzerrungen mit viel musikalischen Charakter gehören hier zu den begehrten Eigenschaften.
Ein-Diode-Bridge-Kompressor eignet sich gut für:
- Akustische Gitarre
- Vocals
- Piano
- Violine
- Drum-Gruppen
- Ganze Mixe
Arturia Comp DIODE-609* emuliert den berühmten Neve 33609. Einen richtig edlen Kompressor/Limiter im Stil von Neve bietet Heritage Audio mit HA 609A Elite*.
VCA-Kompressor
Dies ist der am meisten anzutreffende Kompressor-Typ, das liegt an der relativ preisgünstigen Technik (mit Transistoren) und der hohen Flexibilität. Die Abkürzung VCA steht übrigens für „Voltage Controlled Amplifier“. Der SSL Bus Compressor ist wohl der berühmteste Kompressor dieses Typs, dbx 160A kennen möglicherweise ebenso viele und sogar bei dem „Daft-Punk-Kompressor“ Alesis 3630 handelt es sich um einen VCA-Kompressor.
Wenn bei einem Kompressor nicht erwähnt wird, dass es sich um einen der vorher genannten Typen handelt, hast du es wahrscheinlich mit einem VCA-Kompressor zu tun. Ein transparenter Sound mit sehr schnellen Attack-Zeiten und gut kontrollierbarer Kompression zeichnet diesen Typ aus. Dadurch eignet er sich bestens, um krasse Peaks zu minimieren, aber ebenso zum Verdichten von Bussen und ganzen Mixen. Je nach Modell sind hier auch deutliche Klangfärbungen möglich, wie beispielsweise beim Empirical Labs Distressor.
Ein VCA-Kompressor eignet sich gut für:
- E-Gitarre
- Piano
- Bass-Synthesizer
- Saxophon
- Drums und Percussion
- „Glue“ für den ganzen Mix
Das SSL Native Essentials Bundle* enthält eine Emulation des Bus-Kompressors aus der SSL G-Serie-Analogkonsole. In Form von Hardware gibt es den SSL BUS+*, API Audio 2500+* ist eine weitere Legende als moderne Hardware.
Kompressor-Workshop Fazit
Je nach Aufgabe und gewünschtem Ergebnis passt ein bestimmter Kompressor-Typ besser als ein anderer. Deshalb lohnt es sich durchaus, verschiedene Kompressoren zur Auswahl zu haben und damit zu experimentieren. Jeder Kompressor erzeugt einen individuellen Soundcharakter – das gilt auch für Plugins, die sich an einem bestimmten Modell und Typ orientieren.
Buchtipp zum Kompressor-Workshop
Ein sehr gutes und aktuelles Buch zum Thema Kompression stammt von Kevin Marques Moo, den einige vielleicht unter seinem Künstlernamen Daddy Kev kennen. Als Tontechniker hat für Künstler wie Flying Lotus, Thundercat, Kamasi Washington und vielen anderen gearbeitet, besonders gefragt ist Daddy Kev als Mastering-Engineer.
Das Buch „Audio Dynamics – Compression Techniques for Modern Mixing and Mastering“ ist ein sehr runder Kompressor-Workshop, mit jeder Menge Hintergrundwissen und vielen Anwendungsbeispielen. Du findest hier Empfehlungen für die Einstellungen wichtiger Parameter zu den wichtigsten Instrumenten und bekommst dazu einige interessante Anwendungen erklärt. Wenn du mehr über das Thema Kompression wissen willst, solltest du das Buch unbedingt lesen. Leider ist es nur in englischer Sprache erhältlich und auch nicht gerade günstig, lohnt sich aber auf jeden Fall! Hier bei Amazon kaufen*
Begleitende Infos zum Kompressor-Workshop
- Kompressor-Workshop: So benutzt du den Kompressor als kreativen Effekt
- 1176 Plugin Emulationen Kaufberater
- Kompressor Basics auf Bonedo.de
- Hardware-Kompressoren Kaufberater
- Hardware-Kompressoren bei Thomann*
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2 Antworten zu “Kompressor-Workshop: So wählst du den richtigen Kompressor aus”
„FabFilter Pro-C 2 … Classic-Mode (Röhrenkompressor)…“
Woher stammt denn diese Information?
https://www.fabfilter.com/help/pro-c/using/dynamicscontrols
und in dem Buch von Daddy Kev wird er ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet „Tube/Variable Mu“.