von claudius | Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Kann Linux als Audio-System WIndows und Mac OS X das Wasser reichen?  ·  Quelle: Pinguin: © bluebright - Fotolia.com, Montage: gearnews

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Nachdem ich im letzten Teil sehr allgemein angefangen hatte, möchte ich in diesem Teil näher auf die verschiedenen Distributionen eingehen. Eigentlich sollte der Teil ja schon am Sonntag erscheinen, aber das war „aus Gründen“ nicht möglich. Macht aber nichts, denn das Thema wird dadurch nicht weniger interessant. ;)

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Heute geht es für mich um die drei Betriebssysteme und es wird ein klein wenig geekiger. Als Testobjekte dienen mir KXStudio, Ubuntu Studio und eine audiofremde Distribution Antergos. Die ersten Beiden basieren auf dem sehr bekannten Ubuntu, haben eine andere Desktop-Umgebung installiert und haben ein großes Paket an Audio, Grafik- und Videosoftware vorinstalliert. Was mich in dem Fall interessiert, dürfte klar sein.

Ich muss vorab noch mal betonen, dass ich seit nicht so kurzer Zeit mit Linux arbeite. Lediglich der Audio-Part ist für mich neu. Trotzdem kann ich mich noch sehr gut an die ersten Schritte in dem neuen System erinnern. Es war nicht immer einfach, im Nachhinein aber der beste Schritt, den ich getan habe. Mal schauen, ob das beim Audio auch so ist.

Noch eine kleine Randinfo: Ein Programm wird unter Linux nicht wie bei OSX oder Windows installiert. Man lädt sich keinen Installer aus dem Netz, sondern verwendet einen Paketmanager. Bei Ubuntu und KXStudio ist das „apt“ bei Antergos ist das „pacman“. Ganz grob gesagt funktioniert das so, dass man eine Liste mit für seine Distribution verfügbaren Programmen lokal gespeichert hat. In dieser Liste steht, wo die Paketmanager im Internet die entsprechenden Pakete herbekommen. Diese werden dann auf die Festplatte kopiert und automatisch mit einem Script installiert. Man kann sich auch die Quelldaten herunterladen und die Programme per Hand kompilieren* und installieren. Das ist aber genau Null für Ein- und Umsteiger oder faule Menschen wie mich geeignet.

* – Programmiercode in Maschinensprache übersetzen, damit am Ende ein fertiges Programm entsteht

Teil 2 – Wahl der Qual: OS und Einrichtung

Sobald man die virtuelle DVD (ISO-Datei) heruntergeladen hat, kopiert man sie mit einem Tool auf einen USB-Stick. Für Windows empfehle ich LinuxLive USB Creator. Mit einem Mac muss man immer noch die Kommandozeile aka. Terminal nutzen. Eine gute Anleitung gibt es beispielsweise hier für Ubuntu. Der Weg funktioniert aber auch mit anderen Linux-Distributionen.

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Linux wird oft nachgesagt, dass man für die Installation am besten ein Informatik-Studium gemacht haben sollte. Nun, ich behaupte, jeder der schon mal ein Windows oder Mac OS X installiert hat, schafft auch ein aktuelles Linux spielend. Das Gerücht stammt wohl noch aus den 90ern oder frühen 00ern, wo es in der Tat noch etwas Ehrgeiz forderte. Mittlerweile beläuft sich der Prozess auf jede Menge Weiter-Knopf klicken und zwischendrin Festplatte auswählen, Zeitzone einstellen und Nutzername und Passwort eingeben. Klingt nicht so schwer, oder?

Geekinfo: Die einzige wirkliche Neuerung unter Linux ist die Benennung der Festplatten, die heißen nämlich nicht C: oder Macintosh HDD, sondern SDxy, wobei x ein Buchstabe von a bis z sein kann und y die Zahl der Partition ist. Die Hauptpartition heißt somit immer SDA1, die zweite auf derselben Festplatte SDA2, die nächste Festplatte geht mit SDB1 los. Aber selbst das nehmen die modernen Installationsprozesse ab. Finde ich auch gut, denn damit will ich mich nicht rumschlagen. Alle hier verwendeten Distributionen schaffen das spielend und verrichten die Festplattenverwaltung automatisch.

Der Installationsprozess ist je nach Umfang unterschiedlich lang. Von fünf Minuten für Antergos, über 16 Minuten für Ubuntu Studio, bis zu KXStudio mit 19 Minuten. Alles sehr vertretbar, vor allem wenn man bedenkt, dass die beiden letzten danach fertig eingerichtet gestartet werden. Ich habe hier mal die wirklich einfachen Installationsschritte von Antergos dokumentiert, ähnlich sieht es auch bei den beiden anderen aus.

Schaut man sich nun die Oberflächen an, wird man schnell gewohnte Punkte finden. Ubuntu Studio setzt auf die XFCE-Desktopumgebung und geht optisch in Richtung OS X. KXStudio nutzt KDE und erinnert mich dadurch sehr an Windows (Vista). Beide sind im Unterbau ein Ubuntu (welches wiederum auch auf Debian basiert), haben eine eigene Oberfläche und bringen vorinstallierte Programme mit. Alles nicht so leicht am Anfang mit den ganzen Distributions-Wirrwar. Aber das muss man sich eigentlich auch nicht merken.

Ubuntu Studio sieht nach der Installation so aus:

Ganz anders KXStudio. Erlaubt ist, was gefällt.

Bei Antergos weht nochmal ein anderer Wind. Ich habe mich bei der Installation für die Gnome3 Desktop-Umgebung entschieden, da diese als Standard empfohlen wird. Hier wird nicht auf das bewährte Ubuntu als Unterbau gesetzt, sondern auf Arch Linux. Das ist ein anderer Ansatz, bei dem von Grund auf alles selbst gemacht werden muss. Die Installation des Ur-Arch erinnert an die 90er, wo man alles per Kommandozeile machen muss. Antergos nimmt diesen unnützen Kraftakt dem Nutzer ab und konfiguriert alles automatisch auf die Hardware. Eben zeitgemäß.

Geekinfo: Der Vorteil, warum ich Antergos gewählt habe, ist die sehr gute Dokumentation von allen möglichen Anwendungen im Netz. Dazu kommt eine riesige Datenbank von Programmen, die eigentlich nicht für Arch geschrieben wurden, aber von findigen Nutzern konvertiert wurden: das Arch User Repository (AUR). Der Wermutstropfen bei Arch ist die Community, die sehr eingebildet ist und andere Distributionen und deren User gering schätzt. Bei Windows-Nutzern kann man das auch an XP vs. 7 vs. 8.1 erleben, aber es bleibt hier immer noch im Rahmen. Wer auf die sagenhaft dumme Idee kommt, als Antergos-Nutzer im Arch-Forum etwas zu fragen, kann sich gleich auf einen Shitstorm einstellen, trotz dass der Unterbau gleich ist. Aber das nur am Rande. Die Ubuntu-Community ist sehr viel netter und gerade gegenüber Neu-Usern sehr hilfsbereit.

Aber zurück zu den installierten Systemen. Nachdem die Daten auf die Festplatten geschaufelt wurden, ist man bei Ubuntu Studio und KXStudio eigentlich schon fertig und kann direkt loslegen. Meine MBox Mini 3 wurde auf Anhieb von den Systemen erkannt und wird als Standard-Ausgabegerät verwendet. Sehr cool. Bei beiden sind die wichtigen Tools vorinstalliert, die man für die Audioproduktion braucht, auch wenn die Namen unbekannt und auf den ersten Blick kryptisch erscheinen. Hier möchte ich erst einmal alle auflisten, ohne Wertung oder weitere Erklärung. Die genaue Programmanalyse folgt dann in Teil 3. ;)

Bei Ubuntu Studio sind folgende Audio-Programme vorinstalliert:

– Qjackctl, verwaltet die Soundkarte und ist mit ASIO4ALL vergleichbar
– Patchage, eine schöne Oberfläche für Signalrouting zwischen den Programmen
– Audacity, Mehrspur Wav-Editor, den jeder auch von Windows und OSX kennen sollte
– Ardour, die DAW unter Linux mit Profi-Features, an Pro Tools angelehnt
– Qtractor, ebenfalls sehr beliebte DAW, allerdings mit weniger Features und nicht so ausgereifter Bedienung
– LMMS, Linux MultiMedia Studio, eine weitere DAW, Aufbau ähnlich FL Studio
– Hydrogen, Drum Machine
– MusoScore, Scoring Programm

Bei KXStudio sieht es ähnlich aus, es gibt nur zwei Ausnahmen:

– Cadence, Ersatz für qjackctl, bietet einfachere Konfiguration und Oberfläche und weitere Tools
– Rosegarden, DAW mit eigenem Konzept

In Antergos ist nichts installiert und muss demnach selbst erledigt werden. Das kann man entweder per Terminal-Eingabeaufforderung machen oder aber in PacmanXG, ein grafischer Aufsatz für den Paketmanager, der aber mehr zweckdienlich als hübsch ist. Wie leider sehr vieles unter Linux. Für Umsteiger ist das eher bescheiden, weil man in einer neuen Betriebssytemwelt logischwerweise keinen Schimmer hat, welches Programm man wo findet und wie man es installiert. Vorteil ist, dass man genaue Kontrolle über alles Installierte hat und keine nutzlosen Programme installiert hat.

Man sollte sich im Vorfeld Gedanken über die Zukunft machen, denn für die Ubuntu-Ableger gibt es alle zwei Jahre eine neue Version, die man für die neusten OS-Features installieren sollte. Dann gibt es zwei Release-Modelle: Long Term Support (LTS) mit 3 Jahren an Updates und Bugfixes und non-LTS mit nur neun Monaten Supportzeit, dafür immer etwas aktueller. Bei Antergos wird ein Rolling-Release Konzept verwendet. Es gibt keine Releases, sondern nur ein Grundpaket und alles andere wird immer wieder aktualisiert. Dadurch muss man theoretisch nie sein OS neu installieren und ist trotzdem immer auf den neusten Stand.

Generell kann ich jetzt schon sagen, dass mir die Bedienung bei Ubuntu Studio am besten gefällt und auch definitiv meine Empfehlung ist, was das Thema Umsteiger-Audio-Linux angeht. Alles ist logisch erreichbar und optisch sauber aufbereitet. Die Eingewöhnung dauert keine zehn Minuten, wer schon Linux-Vorkenntnisse hat, braucht keine Minute dazu.

Bei KXStudio sind durch den KDE-Desktop dermaßen viele Effekte aktiv, dass man erstmal nicht weiß, wo was stattfindet. Nach einer Eingewöhnung von circa fünf bis zehn Minuten ist man aber auch hier recht schnell am Ziel. Dafür ist der Desktop extrem erweiterbar und zeigt auch die aus Windows bekannten Widgets bzw. Desklets an, wie etwa eine Analoguhr, den aktuellen CPU-Takt oder das Wetter. Besonders hervorheben möchte ich Cadence, was für mich den besten Verwalter für die Soundkarte und das Routing ist. Man kommt damit schneller zum Ziel als mit qjackctl. Wie genau die beiden Programme funktionieren, kommt im Teil 3. ;)

Antergos ist für mich durch Gnome3 eher hakelig bedienbar. Das Bedienkonzept gleicht keiner gewohnten Umgebung und man muss sich länger eingewöhnen. Außerdem ist alles super groß und verschwenderisch, manche mögen das. Ich nicht. Dafür bekommt man aber wie bei XFCE oder KDE eine ausgereifte Umgebung mit einfacher Konfiguration über gute Menüs. (Es gibt da noch andere, wo man die Konfiguration nur über Textdokumente und Kommandozeile ändern kann).


 

Im nächsten Artikel wird es interessanter und weniger allgemein, denn es wird um das eigentliche Thema gehen: Audioprogramme. Mal sehen, ob die Linux-DAWs mit Cubase oder Pro Tools mithalten können oder ob man Abstriche in Kauf nehmen muss.

Update: Hier ist Teil 3.

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4 Antworten zu “[Kolumne] Linux als DAW? Ein Selbsttest über mehrere Monate – Teil 2”

    hans dampf sagt:
    0

    Zwar immer noch recht allgemein (Ich hätte mir mehr über die Systeme selbst gewünscht) aber schön geschrieben. Ich bin gespannt, wie du die DAWs bewertest. Ich hab auch schon überlegt, ob Linux eine Alternative ist. Vielleicht schau ich mir Ubuntu Studio mal an. Die Installation ist ja wirklich einfacher als gedacht.

      gearnews sagt:
      0

      Ich habe die Details zu den jeweiligen Distributionen absichtlich weggelassen, da es ja um die Audio-Funktionaliät gehen soll. Über die Systeme selbst gibt es schon genug im Netz.

    PeeWee sagt:
    0

    Bin sehr gespannt auf die weiteren Artikel. Ich habe auch den Selbsttest gewagt, musste ihn aber schnell einstellen, da sich herausstellte, dass Ubuntu (Dream Studio hier) nichts mit meiner Matrox G550 Dualhead Grafikkarte anfangen kann, die im großen Studiorechner verbaut ist.

    Hab’s nun auf dem Laptop als duales System und spiele damit etwas herum, aber das ist irgendwie (natürlich) nicht dasselbe.

    Also! Hau raus, lass kommen!
    Gruzz, Peter

      gearnews sagt:
      0

      Ich bin noch dran. Aber ich freu mich, dass das Thema so viele interessiert und auch schon einige ausprobiert haben. Ich bin gespannt, ob die Erfahrungen sich decken.

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