Unnötig oder genial? 5 Innovative Gitarren-Technologie, die sich nie ganz durchgesetzt haben
Technische Meisterwerke oder unnützer Ballast?
Innovative Gitarren-Technologie ist eine ständige Erscheinung in der Gitarrenwelt. Vom ersten elektrischen Tonabnehmer bis hin zu digitalen Modelling-Verstärkern – jede Generation bringt Neuerungen hervor, die die Art und Weise, wie wir Musik machen, revolutionieren wollen. Doch während manche innovative Gitarren-Technologien heute nicht mehr wegzudenken sind, verschwinden andere sang- und vor allem klanglos in der Versenkung. Wir schauen heute ein wenig in den Rückspiegel und untersuchen fünf dieser Innovationen auf die Frage: „Unnötig oder genial?“
Innovative Gitarren-Technologien
Immer, wenn der ein oder andere Hersteller mit Neuerungen um die Aufmerksamkeit der Musikerinnen und Musiker buhlt, schauen wir zunächst interessiert hin. Und wenn die innovative Gitarren-Technologie dann nach kurzer Zeit eingestellt wird, stellt sich die Frage: „War die Welt einfach noch nicht bereit? Oder waren diese Ideen von Anfang an zum Scheitern verurteilt?“ Und mit dieser Frage geht auch eine andere einher: Sind wir Gitarristen wirklich so konservativ, wie immer alle behaupten? Los geht’s mit einer Baureihe, die innovative Gitarren-Technologie wie keine andere verkörpert — leider nicht mit großem Erfolg.
Gibsons Robotuner und die kontroversen 2015er Les Paul-Modelle
Als Gibson 2007 die ersten Modelle mit ihrem „Robot Tuning“-System präsentierte, war das Medienecho groß. Automatische Stimmmechaniken, die sich selbst kalibrieren und per Knopfdruck in alternative Stimmungen wechseln können? Klingt erstmal wie ein Traum – besonders für Gitarristen, die viel mit Drop-Tunings und alternativen Stimmungen experimentieren.
Das System, ursprünglich für Modelle wie die Les Paul Studio und später die (ebenfalls sehr kurzlebige) Firebird X angeboten, sollte die Branche revolutionieren. Doch die Umsetzung war holprig: Die Robotuner waren teuer, komplex und schwer. Viele Gitarristen empfanden die Technologie eher als störendes Gimmick denn als ernstzunehmende innovative Gitarren-Technologie.
Gibson ließ sich davon jedoch nicht abschrecken und ging 2015 einen weiteren, radikalen Schritt: Alle Standardmodelle der Les Paul-Serie wurden mit Robotunern (offiziell „G FORCE“) ausgestattet – diesmal nicht als Option, sondern als unumgängliche Pflicht für die Baureihe 2015.
Doch die Tuner waren nicht das einzige kontroverse Feature. Auch breitere Halsprofile, Nullbund-Sättel („Zero Fret Adjustable Nuts“) und eine neue Kopfplattenbeschriftung machten sich auf der traditionellsten aller Gibsons breit. Unserem konservativem Ruf gerecht werdend, lehnten wir Gitarristen diese Neuerungen grundlegend ab.
Die „Leo Baul 100“ genannten Gitarren (der unschöne Schriftzug auf der Kopfplatte führte zu diesem Namen) sollten die Les Paul moderner machen und neue Zielgruppen ansprechen, führten jedoch schlussendlich zu massiver Kritik. Langjährige Fans der Gibson Les Paul fühlten sich von Gibsons Fokus auf technische Gimmicks entfremdet und auch ich hatte mal die Hände an einer 2015er Les Paul Less+, bei der ich als erstes die Tuner austauschte.
Das Ergebnis war ein wirtschaftlicher und imageschädigender Rückschlag. Bereits 2016 entfernte Gibson die Robotuner aus der Standardausstattung und kehrte zu traditionelleren Designs zurück. Dieses Kapitel bleibt bis heute ein Lehrstück dafür, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse der Zielgruppe zu verstehen – gerade wenn innovative Gitarren-Technologien auf beliebte, traditionelle Instrumente trifft.
Roland GK-3 MIDI-Pickup
Die Idee, mit einer Gitarre Klänge eines Synthesizers zu erzeugen, ist faszinierend — nicht zuletzt darum habe ich in meinem Kaufberater zu ungewöhnlichen Effektgeräten darüber berichtet.
Der Roland GK-5 MIDI-Pickup geht jedoch einen Schritt weiter und wurde genau zu diesem Zweck entwickelt. Kombiniert mit externen Geräten wie dem Roland GR-55 konnten Gitarristen plötzlich Trompeten, Streicher oder sogar Synth-Bässe spielen. Klingt revolutionär, oder?
Trotz dieser klanglichen Vielfalt findet die Technologie in der Masse kaum Anklang. Der Hauptgrund: Die komplizierte Installation – der GK-5 musste zusätzlich auf der Gitarre montiert werden, was viele Gitarristen als störend empfinden. Außerdem ist das System recht teuer, sodass es auch heute nur in einer Nische von Experimentierfreudigen Anklang findet.
Allerdings: Die Möglichkeiten, die die Kombination aus MIDI und Gitarren bergen, sind grenzenlos. Gerade experimentelle Sounds und Ambient Gitarrenmusik sind voll von Optionen. Und manchmal ist es auch genau richtig, für innovative Gitarren-Technologien eine Nische zu haben!
Piezoelektrische Stege für elektrische Gitarren
Kommen wir zu einem kontroversen, aber dennoch recht weit verbreiteten Gimmick, das für Diskussionen sorgen dürfte. Piezo-Tonabnehmer, die direkt im Steg verbaut wurden, versprechen E-Gitarren, die wie akustische Instrumente klingen.
Hersteller wie PRS und Music Man bieten Modelle mit integrierten Piezo-Systemen an, die mit einem einfachen Schalter nahtlos zwischen elektrischen und akustischen Klängen wechseln konnten — par excellence live etwa vorgeführt von Mikael Akerfeld.
Doch trotz des potenziellen Mehrwerts blieb der kommerzielle Erfolg (eher) aus. Ein Hauptproblem war die Klangqualität: Viele Gitarristen empfanden den akustischen Klang als steril und künstlich. Zudem stellte sich die Frage nach dem Usecase: Wer ernsthaft akustische Parts spielen wollte, griff in der Regel zur echten Akustikgitarre — Live-Situationen stellen die Ausnahme dar. Die Piezo-Systeme fielen damit in ein technisches Niemandsland – nicht wirklich akustisch, nicht wirklich elektrisch.
Und dann sind da die Kosten. Modelle mit Piezo-Systemen sind oft deutlich teurer, ohne dass der Mehrwert für die breite Masse gerechtfertigt werden kann. Die Technologie hat sich bis heute, zumindest als Standard, nicht durchgesetzt und wird bestenfalls in Nischenmodellen angeboten.
Sustainiac und andere Sustainer-Systeme
Das Konzept unendlichen Sustains klingt wie ein Traum: Systeme wie der Sustainiac oder der Sustainer von Fernandes basieren auf der Idee, die Saiten mit elektromagnetischen Schwingungen in Bewegung zu halten. Damit können Gitarristen endlos lange Noten und Klangexperimente erzeugen – ideal für Genres wie Ambient, Shoegaze oder Progressive Rock. Stars wie Steve Vai oder Joe Satriani haben diese Systeme regelmäßig eingesetzt und ihre Vielseitigkeit demonstriert.
Doch trotz prominenter Unterstützung haben sich Sustainer-Systeme nie in der Breite durchgesetzt. Ein Grund ist die Komplexität: Der Einbau eines Sustainiacs erfordert oft eine umfangreiche Modifikation der Gitarre, was viele Spieler abschreckt. Hinzu kommen die Kosten – nicht nur für das System selbst, sondern auch für die Installation.
Und dann ist da natürlich der begrenzte Einsatzbereich: Während Sustainer in experimentellen Genres glänzen, bieten sie eher wenig Mehrwert für Spieler in klassischen Rock-, Blues- oder Funk-Bands. Hier bleibt das traditionelle Spielgefühl wichtiger als technische Spielereien. Und wenn es doch mal sein muss, gibts auch ja auch Pedale.
Fender Acoustasonic-Serie
Die Fender Acoustasonic-Serie, insbesondere die American Acoustasonic Stratocaster, wurde als innovative Fusion von E-Gitarre und Akustikgitarre vorgestellt. Mit einem hohlen Mahagoni-Korpus und einer Decke aus Sitka-Fichte kombiniert sie akustische Resonanz mit elektrischer Vielseitigkeit.
Die integrierte Elektronik ermöglicht es, zwischen verschiedenen akustischen und elektrischen Klangmodi zu wechseln, was sie besonders für Musiker attraktiv macht, die nahtlos zwischen beiden Klangwelten springen möchten.
Trotz dieses vielversprechenden Ansatzes blieb der durchschlagende Erfolg der Acoustasonic-Serie aus. Ein Hauptkritikpunkt war der hohe Preis, der viele potenzielle Käufer abschreckte. Zudem empfanden einige Gitarristen den akustischen Klang als nicht authentisch genug und die elektrischen Sounds als zu limitiert. Die hybride Bauweise führte auch zu Kompromissen in der Klangqualität beider Welten.
Dennoch bietet die Acoustasonic-Serie einen echten Reiz für Musiker, die die Flexibilität schätzen, sowohl akustische als auch elektrische Klänge in einem Instrument zu haben. Für Live-Performances und Songwriting kann diese Vielseitigkeit besonders nützlich sein. Allerdings bleibt die Frage, ob die Kompromisse in Klang und Spielgefühl den Preis rechtfertigen.
Die Frage bleibt: Ist die Fender Acoustasonic ein gelungenes Hybridinstrument, das die Grenzen zwischen akustischer und elektrischer Gitarre erfolgreich überwindet, oder zeigt sie, dass der Versuch, beide Welten zu vereinen, zwangsläufig zu Kompromissen führt, die weder Akustik- noch E-Gitarristen vollständig zufriedenstellen?
Warum scheitert die eine innovative Gitaren-Technologie, während die andere überlebt?
Warum schaffen es manche innovative Gitarren-Technologien nicht, sich durchzusetzen? Diese Frage beschäftigt nicht nur mich, auch die Gitarrenindustrie wird sich den Kopf zerbrechen. Es gibt meiner Meinung nach drei zentrale Gründe, warum viele dieser Innovationen den Schritt auf den Massenmarkt, den etwa ein Humbucker gemacht hat, nicht schaffen.
Tradition vs. Fortschritt:
Gitarristen sind konservativ. Das ist kein Geheimnis. Und ja, auch du. Viele Spieler schätzen die Einfachheit und das Handwerk, das mit dem Instrument verbunden ist. Neue, innovative Gitarren-Technologien, die den kreativen Prozess verändern oder zu technisch wirken, stoßen häufig auf Ablehnung.
Kosten-Nutzen-Verhältnis:
Neue Technologien sind oft teuer. Ob Robotuner oder Sustainiac – viele dieser Erweiterungen haben für den durchschnittlichen Gitarristen keinen ausreichenden Mehrwert, um den zusätzlichen Preis zu rechtfertigen.
Komplexität und Zuverlässigkeit:
Ein weiteres Problem, das viele innovative Gitarren-Technologien eint, ist ihre Benutzerfreundlichkeit: Technologien, die schwer zu bedienen, fehleranfällig oder schlecht dokumentiert sind, haben es schwer, breite Akzeptanz zu finden. Plug and Play gilt nicht nur für Elektronik, auch bei Instrumenten wissen wir gern, was wie funktioniert.
Gibt es einen zweiten Frühling für gescheiterte Technologien?
Manche innovative Gitarren-Technologien verschwinden leise, nur um Jahre später wieder (und wieder, und wieder) aufzutauchen. Die Nachfrage nach Vintage-Pedalen oder alten Synthesizern zeigt, dass auch die viel besprochene Retro-Manie ein starkes Verkaufsargument ist (sein kann). Könnten gescheiterte Technologien wie Robotuner oder Sustainer eines Tages ein Revival erleben?
Möglich wäre es. Die Fortschritte in der Software-Integration könnten etwa MIDI-Systeme wie das GK-3 attraktiver machen. Auch automatische Tuning-Systeme könnten mit besserer Zuverlässigkeit, besserer Optik und günstigeren Preisen in Zukunft populär werden. Doch damit dies geschieht, müssten Entwickler die Fehler der Vergangenheit verstehen und die Bedürfnisse der Spieler in den Vordergrund stellen.
Ein Beispiel für eine gelungene Wiedergeburt einer solchen Technologie sind Loop-Pedale wie das Boss RC-1. Sie waren in den 1980ern Nischenprodukte, die kaum je Beachtung fanden. Heute sind sie dank modernem Design und einfacher Bedienung unverzichtbare Werkzeuge für Solo-Performer — Ed Sheeran hat vorgemacht, dass auch ein Millionenpublikum drauf abfährt. Diese Geschichte zeigt: Selbst gescheiterte Technologien können mit der richtigen Weiterentwicklung einen zweiten Frühling erleben.
Fazit
Die Gitarrenwelt ist reich an Innovationen, aber nicht jede davon findet ihren Platz in den Herzen der Spieler oder an Bord von Standardmodellen. Von Gibsons Robotunern bis zur Akustikgitarre mit eingebauten Effektgeräten – die hier vorgestellten Technologien zeigen, wie schwierig der Balanceakt zwischen Fortschritt und Tradition sein kann.
Doch eines ist klar: Auch wenn manche innovative Gitarren-Technologien scheitern, inspirieren sie doch zukünftige Entwicklungen. Der Sustainiac mag nicht in jeder Gitarre zu finden sein, aber er hat gezeigt, wie weit Technik gehen kann. Piezo-Systeme für E-Gitarren haben den Weg für Hybridinstrumente geebnet und sich eine Nische in der Live-Musik erarbeitet. Und wer weiß? Vielleicht feiern Technologien wie der GK-3 oder die Robotuner in einer verbesserten Form ein Comeback.
Welche dieser Technologien hättet ihr gern in eurem Setup, und welche findet ihr völlig überflüssig? Schreibt es in die Kommentare – ich bin wie immer gespannt auf eure Meinungen!
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