Ist das Headrush Prime Multieffekt-Modeler der neue Goldstandard?
Ende März hatte Headrush das neue Flaggschiff Prime angekündigt. Es verbindet Gitarren-Modeler und Vocal-Processing. Die Besonderheit ist die Amp-Cloner-Funktion, mit der Effekte und Verstärker digital abgebildet werden können. Wir konnten uns das vergleichsweise günstige Multieffekt bzw. Modeling-Board genauer anhören.
Transparenz: Headrush hat uns das Prime kostenfrei zur Verfügung gestellt und hat keinen Einfluss auf den Text.
Verarbeitung
Erst einmal fällt auf, wie schwer die Kiste doch ist. Etwas über 7 kg ist schon eine Ansage. Aber darin steckt auch ein Computer. Das Gehäuse besteht aus Metall und auch die Fußschalter, Wippe und das Display wiegen ein paar Grämmchen. Warum die Seiten aus Kunststoff sind, erschließt sich mir allerdings nicht. Das hätte es sicherlich auch nicht mehr fett gemacht und hätte es noch etwas wertiger gemacht. Transportieren in der Kälte ist so vielleicht aber angenehmer.
Bei der Verarbeitung habe ich ganz genau hingeschaut: Ich konnte keinen einzigen Makel erkennen. Die Buchsen sind einwandfrei (auch wenn ich die Plastik-Muttern außen nicht mag), die Fußschalter und Regler sitzen genau in ihren Slots – wie auch das Display. Die Auflösung ist gut, es ist mit direkter Sonneneinstrahlung noch akzeptabel zu erkennen, reagiert einwandfrei, das System ruckelt nicht. Standfüße gut, keine Spaltmaße zu bemängeln. Kurz: top.
Bedienung
Für mich stimmt ein Bedienkonzept, wenn ich kein Handbuch brauche, sondern durch die sinnvolle Anordnung und Reaktion der Bedienelemente in kurzer Zeit selbst an alle gewünschten Funktionen komme. Headrush hat gute Arbeit geleistet. Das Headrush Prime bedient sich absolut intuitiv.
Das Touch-Display bedient sich einwandfrei und ist schön groß. Im Vergleich zum Helix zeigt es sogar eine Visualisierung der Effektgeräte. Finde ich besser.
Effekte und Amps werden über das Plus-Symbol geladen, über Touch-Drag in die richtige Position verschoben, am unteren Rand gelöscht oder mit Doppelklick detailliert editiert. Selbst für umfangreiche Rigs braucht es so weder einen Editor am PC (den es dennoch gibt) oder eine App – hier kann Kemper sich eine Scheibe von abschneiden. Neben den Rigs lässt sich das Prime auch in anderen Modi bedienen, etwa Setlist-Mode, in dem man Rigs je nach Song aufrufen kann. Auch aus der Cloud lassen sich über WLAN ohne PC Rigs ziehen und speichern – und (nicht getestet) Updates beziehen.
Das Umschalten der Rigs dauert etwas als eine Sekunde und zieht eine kleine Tonpause nach sich – also nicht mitten im Riff anwenden. Effekte schalten sich über die 12 Fußschalter sofort ein und über den Heandsfree–Mode könnte ich auch im Song Einstellungen justieren. Das geht nach einer Eingewöhnung erstaunlich gut von der Hand. Der Tuner ist schnell erreichbar (lässt sich für Vocals und Gitarre separat stummschalten) und der Looper ist auch intuitiv – auch wenn natürlich konzeptbedingt keine DAW darin steckt. Für schnelle Loops ist er auf jeden Fall brauchbar. Übrigens dauert das Einschalten etwa 35 Sekunden, bis es einsatzbereit ist.
Sound/Klang
Mit das Wichtigste ist natürlich der Klang. Was bringt die beste Verarbeitung und das beste Bedienkonzept, wenn das Teil nicht besser als DI oder Bienensurren klingt.
Das Gute: Das kann das Headrush Prime auch. Aber die Menge an wirklich brauchbaren Sounds ist toll. Es gibt zwar nicht die unglaubliche Anzahl an Kemper-Profilen, dafür konnte ich keinen Effekt oder Amp im Stock-Setup finden, der wirklich schlecht klang. Vielleicht trifft das eine oder andere Effektpedal nicht meine Idealvorstellung des Modells (etwa klang in meiner Erinnerung mein Triangle-Muff am Plexi an einer Greenback 4×12 anders) – vermutlich ist es aber recht nah dran und unterscheidet sich ohnehin mit jedem Amp oder Impulsantwort.
Es gibt eine Menge Effekte, Amps und Boxen zur Auswahl. Diese können im Headrush Prime in der Reihenfolge einfach mit dem Finger verschoben werden und die seitlich eingeblendeten Parameter haben entsprechenden Einfluss. Bei einigen Modulen mehr, bei anderen weniger. Es gibt zudem einige Boxen – allerdings immer nur mit einem Mikro pro Box. Das „Problem“ lässt sich lösen, indem man einfach mehrere einfügt. Am Ende kann man Mono oder Stereo via Klinke oder XLR raus. Was brauche ich als Gitarrist mehr?
Mir fehlt es ein wenig an Bass-Auswahl. Eine handvoll Bass-Verstärker, Boxen und Effekte sind aber dennoch vorhanden und klingen gut. Mehr wäre dennoch gut.
Cloner
Mit dem Headrush Prime lassen sich Amps und Effekte digital klonen. Das gehört natürlich getestet. Mir standen mein Catalinbread Dirty Little Secret und mein Ramshead Big Muff zur Verfügung. Was soll ich sagen: Es klappt einwandfrei. Die Effekte sind am Ende zwar nicht 100 % genau abgebildet, aber gut genug, dass ich damit auf die Bühne gehen würde.
Vor allem, wenn ich sehr dynamisch spiele oder gezielt Regler später am Headrush Prime umstelle. Die Zerrstruktur passt manchmal nicht genau. Allerdings habe ich noch kein System gesehen, dass das perfekt beherrscht. Wohl aber bei 97 % – und das ist für mich absolut brauchbar. Notfalls mache ich mir von verschiedenen Einstellungen ein Abbild für mein Rig.
Vocal Sounds
Ich bin kein Sänger. Daher habe ich die Vocal-Sektion nur kurz ausprobiert. Ich habe mein Mikro von Audio Technica* einfach an den Headrush Prime drangehängt und ein wenig probiert: Es klappt auf Anhieb. Entweder hilft mir Autotune unhörbar beim Halten der Töne oder liefert das übertriebene Geblubber, nachdem ich mir gern erst einmal eine Runde weißes Rauschen gönne, um meine Ohren gründlich zu säubern. Auch Effekte lassen sich einwandfrei damit nutzen und schalten. Auch in Kombination mit der Gitarre lässt sich das problemlos live bedienen. Harmonizer und Stutter in Verbindung mit einem Air Reverb auf 100 % machen auch ohne Gitarre eine Menge Spaß. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auf die 12 Fußschalter durchaus sinnvoll verteilt werden kann – für Gitarristen, die auch singen. Und anders herum.
Passende Headrush FRFR
Headrush hat uns im Zuge des Reviews gleich eine passende FRFR-108 mitgeschickt. Die passt natürlich hervorragend zum Prime. Wirklich viel kann ich darüber nicht sagen, außer: Sie bringt den Modeler einwandfrei herüber, hat mehrere, einzeln regelbare Eingänge und kann von Zimmerlautstärke bis Proberaum alles abdecken. Sie lässt sich schräg und hochkant stellen und ist erstaunlich klein für ihre Leistung und den Klang. Einen Bass würde ich im Proberaum aber dennoch nicht dranhängen. Wer da mehr Input braucht: Hier geht es zum FRFR-Kaufberater.
Fazit zum Headrush Prime
Alles in allem: Das Headrush Prime ist ein sehr gutes Multieffektpedal und Modeler. Die Verarbeitung ist top, die Bedienung intuitiv, die allermeisten Effekte klingen richtig gut, Amps und Boxen machen Spaß und sind vielseitig. Die Auswahl für Bassisten könnte etwas größer sein. Die Reverbs und Delays fande ich auch gut, doch gerade beim Reverb fehlt es mir am letzten Quäntchen.
Meine Empfehlung: Der Plexi an der 65W 4×12 mit einem Tube Screamer und einem Big Muff – ein tolles Grund-Setup und daneben noch eine Menge Platz für Experimente mit dem Headrush Prime.
Für den Preis des Headrush Prime von etwa 1200 € kann ich nicht meckern, definitiv weniger als die Konkurrenz – bei meiner Meinung nach besserer Bedienung. Das Line6 Helix liegt bei ca. 1560 €, der Kemper Profiler Stage bei ca 1700 €, das Neural DSP Quad Cortex bei ca. 1850 € und das Fractal Audio FM9 bei ca. 1700 USD – die Übersicht gibt es im Kaufberater. Dei der gebotenen Qualität ist das eine Ansage, zumal die anderen sich nur an Gitarre richten.
Mehr Infos zu Headrush Prime
Video zu Headrush Prime
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Eine Antwort zu “Ist das Headrush Prime Multieffekt-Modeler der neue Goldstandard?”
Ich bin von Haus aus mathematischer Physiker.
Da ist man mit dem sogenannten Grenzwertprozess vertraut.
Das kennen einige vielleicht noch vom Abi.
Irgendwann kommt der Zustand, dass infinitesimale weitere Annäherungen an den Grenzwert (hier der Original Amp) nur noch mit unvertretbar hohem Einsatz möglich sind.
So komme ich mir bei den Modellern mittlerweile vor.
Alle stecken unheimlich viel Aufwand in „Non Plus Ultra“ Marketing und in schöne Grafik …. unterscheiden sich im Hochpreissegment vom Sound her aber nur noch in Nuancen.
Das ist alles tolle Technik … aber einen Quantensprung erwarte ich auch in Zukunft nicht.