Die Grenzen der Wavetable-Synthese
Wavetables richtig erklärt und eingesetzt
Was ist eigentlich Wavetable-Synthese? Jede „Bushaltestelle“ hat heute Wavetables. Es gibt sie überall. Wo liegen eigentlich die Grenzen, was kann man mit ihnen wirklich anstellen, wie waren sie mal gedacht und wo kann man experimentieren, ohne dass es spektakulär daneben geht? Hallo Synthesizer: Wo sind eigentlich die Grenzen der Wavetable-Synthese?
Alles über Wavetable-Synthese
Mythos Wavetable-Synthese
Es ist Zeit, den Mythos Wavetable-Synthese auch mal genauer zu beleuchten. Wavetables sind schon cool, denn mit wenig Aufwand kann man dabei einen Klangverlauf bauen, der sonst mit Filtern erstellt werden muss und ganz grob, also wahlweise nach Piano oder sogar Pulsbreitenmodulation klingt. Selbst der berühmte PPG Chor ist damit abbildbar, wenn ein wenig „künstlich„. Aber mit Sampling kann man es nicht verwechseln, dafür ist es einfach zu ungenau und klingt immer „technisch„.
Ein Wavetable, das man in der Wavetable-Synthese nutzt, ist eine Liste von digitalen einfachsten Schwingungsformen (Waves), die man umschalten und überblenden kann. Wavetables sind pro Wave sehr simpel. Die frühen Wavetable-Synthesizer von PPG und Waldorf hatten 8-Bit und waren nicht einmal eine volle Welle, sondern nur eine gespiegelte Halbwelle pro Wave.
Keine komplexen Verläufe, sondern genau einen Schwingungsverlauf einer Welle ist das, was Wavetables in der Wavetable-Synthese bisher tun. Man spricht hier von Single Cycle Waves. Ein Wavetable bestand bei PPG noch aus 30 Waves, später wuchs die Menge bei Waldorf auf 60 und durch MIDI wurden sie dann auf 128 aufgefüllt. Bei Waldorf enthielt das Wavetable anno 1988 (Microwave 1) übrigens noch die Grundwellenformen. Und zwar am „Ende“ der Liste.
Wie Samples und Wavetables auf dem PPG Wave Waveterm ineinander greifen, zeigt das Video.
Zur Zeit des Microwave 2 / XT und Waldorf Q und Blofeld waren solche Waves gerade auf 12 Bit, hin und wieder auf 16 Bit angewachsen. Heute haben sie 24 Bit. Im Surge 1.9 Anleitungsbuch, kann man z.B. 4096 als Auflösung herauslesen. Ein Blofeld oder Iridium klingt daher ganz anders als ein Microwave 1 oder 2 / XT oder gar ein PPG Wave oder Wavecomputer 360. Deshalb stelle immer fest, wie die Auflösung wirklich ist. 4096 entspricht 12 Bit, bei 16 Bit hättest du schon 65536 Schritte. 24 Bit sind schon Millionen von Schritten. Und du kennst das sicher schon von Samples, was das für ein Unterschied das ist!
Was bedeutet das? Die Auflösung für die erwähnten ersten Wavetable-Synths haben nur eine halb „gespiegelte“ Breite und diese lag zunächst bei 128 einzelnen Werten (weil 256 Schritte von 8 Bit abgedeckt werden können). Genutzt wurden daher meist 127 Werte in der Urzeit (Microwave, Wave).
Das ist gerade genug, um ein verdammtes Dreieck oder ein paar krusselige Digitalwaves zu bauen. Die Auflösung ist knirschig und britzelt ordentlich. Wer das erleben will, muss sich nur mal die Basis-Waves des alten Microwave 1 oder eines PPG Wave anhören, die aber Teil einer Wavetable sein müssen. Suche dir mal die Tables und höre sie einzeln! Genau – das ist Wavetable-Synthese, ganz oldschool!
Die Grenzen der Wavetable-Synthese
Wavetable-Synthese hat seinen Charme, aber es hat immer einen sirrenden Unterton. Der kommt daher, dass z.B. ein Sinus durch die Auflösung „Ecken“ bekommt und diese erzeugen Obertöne. Ein Rechteck geht und lässt sich elegant abbilden, da es kantig ist. Ebenso Puls oder einzelne Pulsbreiten. Der PWM-Wavetable-Eintrag kam mit MicroPWM recht spät und noch später jener, der die beiden Halbwellen nutzen durfte. Denn gespiegelt muss man eine Wavetable mit Zwangssymmetrie anders aufbauen.
Die Symmetrie ist eine Folge der Halbwellenspieglung, die Waldorf und PPG dem System auferlegt hatten. Das alles, um Platz zu sparen! Der wurde erst mit dem Microwave 2 und XT „erlaubt“ und auf 12 Bit aufgeblasen. Dadurch sind schon 4096 Schritte in dieser Wavetable-Synthese möglich und die Auflösung massiv feiner. Immerhin ist das die Auflösung des alten DX7-Wandlers und was der für Artefakte zeichnete, besonders bei Bässen, kennen viele ältere User noch. Wer so eine Welle im Audioeditor anschauen würde, würde eine Menge (falsche) Obertöne als Artefakte hören.
Es gibt ebenso Wavetables, die nur 5 Waves enthalten (siehe Novation). Die Wavetables, die mehr als eine Hand voll Waves anbieten, sind hier deutlich im Vorteil. Wer eine harte Unterscheidung zwischen den Waves erreichen will, sollte schon 10-20 Waves frei halten und ggf. weitere als Übergang. Diese werden meist interpoliert und damit weich ineinander-gemorpht, damit die Schritte und damit einzelnen Waves, die hintereinander gespielt werden nicht zu hart umschalten. Übrigens haben diese stolpernden und hart wechselnden Waves auch ihren Reiz, bekannt als Upper Wavetables im PPG oder die „Wavetrips“ im XT/Blofeld.
Kann man einen Drumloop mit Wavetable-Synthese simulieren?
Ja, aber er knallt eben nicht und man braucht Vorstellungskraft dafür! Dazu ist zu wenig Originalmaterial vorhanden. Samples sind doch deutlich reichhaltiger an Daten. Selbst ein 8-Bit Sample hat viel mehr Information, als jene gelegentlich herausgegriffenen einzelnen Waves. Man kann mit etwas Fantasie eine Idee von etwas bekommen. Wavetable-Synthese ist keine Re-Synthese! Hier kannst du ein gesprochendes Wort „irgendwie erkennen“, aber…
Fehlende Schritte (zu wenig Waves) haben zur Folge, dass entweder der nächste Sound noch zu radikal anders sein oder er ist noch nicht ausreichend beim nächsten Element des Klanges angekommen ist. Beides führt zu unreal klingenden Gesamteindrücken und das zu Artefakten. Die Audioanalyse in einem Wavetable ist selbst bei 8 Bit eigentlich ziemlicher Quatsch, da schon Schwebungen von mehreren Oszillatoren damit nicht abgebildet werden können.
Sehr geräuschhafte Klänge sind ebenfalls schwer nachzubilden, da „Rauschen“ als Wave nicht abbildfähig sind. Die Ur-Wavetable konnte gerade einfache Dinge wiedergeben, wie etwas andere Filtertypen oder Formanten, aber sicher waren sie kein Ersatz für Samples. Dennoch kann man mit Audioanalyse interessante Wavetables bauen. Aber zu viel sollte man dabei nicht erwarten.
Disclaimer
Auch wenn das hier alles nach einem großen Rant gegen die Wavetable-Synthese anhört. Ich habe viele Jahre damit experimentiert, in Liebe und habe diese Liebe für alle Sounds. Aber, man sollte auch wissen, wo ihre Grenzen liegen. Der Sound hat den Charme wie heute ein Regen von Synclavier. Absolut toll, aber auch das hat Grenzen. Ich habe so lange probiert, bis ich die Grenzen immer wieder berührte. Deshalb ist es gut zu wissen, welchen Synthesizer und welche Methode für was funktioniert.
Sie waren aber besser als Grundwellenformen und konnten Bewegung komplexerer Art nachstellen. Ich mag dieses schrille Gebrate, das alte Wavetables in sich haben. Sehr stimmungsvoll. Wavetable-Synthese ist ein tolles Modell, aber es kann eben nicht alles und hat klare Grenzen. Heutige Wavetables könnte man eher mit den Waves in Korgs DW-Serie und damit dem Microkorg (1) vergleichen.
Allerdings nicht eine davon, sondern eine Kette. Das hört man sofort, da hier weibliche und männliche Chöre nicht nur heraushörbar werden, sogar jüngere oder ältere Leute sind erkennbar. Deshalb lohnen sich die neuesten Generationen von 24 Bit Wavetables. Aber sie haben ebenfalls die obigen Probleme. Sie werden nie Samples ersetzen.
Grenzen der Wavetable-Synthese mit FM
Einige Synthesizer sind in der Lage eine Frequenzmodulation mit einer oder sogar zweier Wavetables zu bauen. Hier kann eigentlich nur etwas herauskommen, das etwas verbeult ist. Nimmt man eine ideale Sinuskurve, so wäre das Ergebnis akademisch nutzbarer. Nutzt man nur eine eckige Wave, wird jede „Beule“ eine Vielfalt von ungewollten Obertonstrukturen hervorbringen und das Ergebnis ist ein einziges Geschepper. Deshalb ist es ratsam, dass die Grundsinuswelle pur ist und kein Wavetable.
Hochauflösend kann sie zusammen mit der Wave zumindest deutlicher noch als neue Wellenform verwendet werden. Aber wer das einmal in Iridium oder ähnlichem aufprobiert, wird merken:
Wavetables sind erst in einer sehr hohen Auflösung überhaupt Artefakt–frei.
Pure mathematische Waves machen den Job wesentlich besser und auch hier ist es der „gerade“ Verlauf und damit ohne ungewollte Obertöne. Genau deshalb wird man Wavetables im akademischen Umfeld selten finden. Wavetables werden sicher experimentell krasse und noisige Ergebnisse bringen, jedoch selten mit dem, was eine echte FM daraus machen würde und wirklich wiedergeben könnte. Deshalb ist FM auf Wavetable-Ebene eine krasse Zerstörungsorgie. Leider. Microwave-Serien sind damit ziemlich „lost“. Aber die Ergebnisse sind so krass, dass sie auch vielen wieder gefallen werden.
Für Sync gilt das noch mehr, denn der muss die Wave nach bisherigen Regeln abkürzen und neu starten. Auch hier ist das Ergebnis sehr extrem, aber reizvoll – je nach Auflösung. Auch hier empfiehlt es sich, Wavetables zu umgehen oder die Grundlagenwellenform in hoher Auflösung zu verwenden. Daher ergeben Wavetables mit 3-4 Operatoren wenig Sinn, außer man möchte wirklich alles zerlegen.
Hat Wavetable-Synthese Vorteile?
Ja, Wavetables verbrauchen extrem wenig Speicher und bringen dann, wenn man sie nicht auf höherer Ebene mit anderen Oszillatoren in neue Beziehungen bringt, genau das, was man von ihnen verlangt:
- Ein Chor wird als einzelne Schwingung verwendet und über die Tastatur nach oben hin als Wavetable-Chor gut funktionieren, aber synthetisch klingen wie bei einer Synthpop-Band. Das Wavetable würde dann mit Keytracking ausgelesen bzw. eine andere Wave pro Keyboard-Sektion würde bereitgestellt werden.
- Ein spezielles Filter mit drei Kerben lässt sich abbilden und kann vokaloid klingen. Dazu scant man das Wavetable einfach mit mäßiger Geschwindigkeit durch. Das erledigt meist eine Hüllkurve. Das hat den Wavecomputer einst ohne Filter möglich gemacht. Effizient und einfach, deshalb allgegenwärtig.
Die Artefakte, die bei kleinen Auflösungen passieren, sind sogar reizvoll. Viele kaufen sich genau deshalb die alten Geräte, weil das „Geröchel“ so schön flirrig klingt. Im Angebot ist noch immer der Microwave 1 von Waldorf. Wer das nicht will, bewegt sich bei den neuen Wavetable-Angeboten von Iridium bis Nina. Ja, die Grenzen von Wavetables sind da, aber sie sind nicht unumgänglich.
Aber dieser Sound ist so unfassbar schön, er britzelt und ist fast rauh und ungeschliffen. Deshalb haben die frühen Wavetable-Synthesizer schon bald sehr gute analoge Filter. Ohne das hätte es weder Tangerine Dream noch Clock DVA gegeben. Es gibt ganze Alben, die ihnen quasi „gewidmet“ sind.
Hör es dir selbst an: Das ist das wunderbare an Wavetables!
Und hier hörst du auch, wie man das Ganze an seine Grenzen bringen kann…
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