von Jan Rotring | Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten
Gitarren Aging - Künstliches Altern

Gitarren Aging - Künstliches Altern  ·  Quelle: Tomás Llamas Quintas / Alamy Stock Foto

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Gitarren Aging: Künstlich gealterte Gitarren sind der letzte Schrei und immer wieder Stein des Anstoßes unendlicher Diskussionen und Foren-Einträgen. Zu künstlich sei der Eingriff, nicht echt, eine Schande. Und dann auch noch völlig überteuert. Dabei könnte die Sache so einfach sein. Schließlich ist es erwiesenen, dass künstlich gealterte Gitarren nach dem Aging die besseren Instrumente sind. Oder?

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Eine Gitarre ist ein wundersames Ding. Frisch produziert und hochglänzend lackiert liegt sie da und schreit danach, gespielt zu werden. Und kaum nehmen wir sie in die Hand, das erste Mal, fühlt sie sich fremd, beinahe sperrig an. Als müsse sie sich erst daran gewöhnen, ihrem eigentlichem Auftrag nachzukommen: Musik zu machen.

Ich habe ihn schon erlebt, den Moment, in dem ich die nagelneue Gitarre, die es aus Gründen unbedingt sein musste (damals eine PRS SE Zach Myers) etwas ungläubig in den Koffer legte und mir meine altersschwache Ibanez auf den Schoß nahm. Eingespielt, an meine Bedürfnisse angepasst und genau so, wie ich sie mag. Mit Ecken, Kanten (Crash-Becken sind nicht nur laut, sondern auch wahnsinnig scharf) und Kratzern ohne Ende.

Wie gut, dass auch Hersteller mittlerweile entdeckt haben, dass das Altern an sich bei Gitarren etwas Gutes ist. Das künstliche Gitarren Aging (Relicing) wurde bereits vor einigen Jahr(zehnt)en eingeführt und erhitzt seitdem die Gemüter. Doch: Ist eine industriell gealterte Gitarre wirklich so gut, wie ein jahrelang eingespieltes Instrument?

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Aus Neu mach Alt — Aging von Gitarren

Eine alte Les Paul
Eine alte Les Paul · Quelle: stephen bates / Alamy Stock Foto

Das Aging von Gitarren, gern auch als „Relicing” bezeichnet, ist der Prozess, bei dem neue Instrumente absichtlich so bearbeitet werden, dass sie aussehen, als seien sie jahrzehntelang intensiv bespielt worden. 

Gitarren Aging wird sowohl industriell als auch in verschiedenen Custom Shops weltweit angewendet. Das Ziel? Den ästhetischen und klanglichen Charakter alter, historischer Instrumente nachzubilden. Die üblichen Techniken umfassen dabei die Anwendung von Hitze, Kälte und den Einsatz von allerlei Werkzeugen wie Schlüsselbünden oder speziellen Spikes bearbeitet wird, um Kratzer, Dellen und andere Gebrauchsspuren zu erzeugen. Die Idee dahinter ist das Schaffen multipler Texturen, die den abgenutzten Look im besten Fall authentisch wirken lassen.

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Große Hersteller wie Fender und Gibson bieten mehrere Alterungsstufen des Gitarren Aging an, die von leichter bis zu extrem starker Abnutzung reichen. Diese Stufen variieren in der Intensität der künstlichen Abnutzung: So beinhaltet etwa „Ultra Light Aging“ geringe Abnutzung, hauptsächlich feine Risse im Finish während „Ultra Heavy Aging“ extrem starke Abnutzung mit tiefen Kratzern, Lackrissen und umfassenden Gebrauchsspuren zeigt.

Natürlich, das Aging von Gitarren, sei es Les Paul oder Stratocaster, bleibt eine umstrittene Praxis — und doch schwören viele Gitarristen auf den authentischen Look und das Spielgefühl dieser speziell behandelten Instrumente. Die Techniken setzen hierbei Maßstäbe und zeigen, dass aus neuen Gitarren überzeugend alte Schätze gemacht werden können, die sowohl ästhetisch als auch klanglich begeistern. Und das ist schließlich das Ziel des Gitarren Aging, oder?

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Das Ziel von Gitarren Aging

Patina oder Gitarren Aging?
Patina oder Gitarren Aging? · Quelle: Adam Gasson / Alamy Stock Foto

Klar, das primäre Ziel ist es, eine neue Gitarre so zu gestalten, dass sie wie ein Jahrzehnte altes, oft bespieltes Instrument aussieht. Aber warum?

Ein wichtiges und vermutlich vorrangiges Ziel des Relicing ist die ästhetische Attraktivität. Viele Gitarristen schätzen den Look und die Geschichte, die eine abgenutzte Gitarre zu vermitteln weiß. Diese Instrumente wirken authentisch und, seien wir ehrlich, verleihen dem Spieler eine gewisse Aura von Erfahrung und „Rock’n’Roll-Credibility“

Und klar, für viele Gitarristen ist der visuelle Aspekt entscheidend, da er den Eindruck vermittelt, die Gitarre habe viele Jahre des intensiven Spielens hinter sich, selbst wenn sie brandneu ist: What is it and why do it?

Ein weiteres, in meinen Augen entscheidendes, Ziel ist das Spielgefühl. Das Gitarren Aging bietet, wenn es gut gemacht ist, ein „eingespieltes“ Gefühl, da die abgenutzten Bereiche, insbesondere an der Halsrückseite, komfortabler und vertrauter scheinen, als die üblichen, fabrikneuen Hälse mit bombensicheren Lackschichten. Diese abgenutzten Stellen sorgen für ein angenehmes Spielgefühl, das viele Gitarristen bei neuen Instrumenten vermissen oder sogar durch Stahlwolle und Co. selbst herbeiführen.

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Aber nicht nur optisch und haptisch ist das Gitarren Aging relevant. Auch der Klang kann durch den Alterungsprozess beeinflusst werden. Über den Einfluss von Nitrozellulose-Lack habe ich bereits geschrieben und auch das künstliche Altern des Holzes können dazu beitragen, den warmen, resonanten Klang alter Vintage-Gitarren zu reproduzieren. Da sind die Geschmäcker und vor allem die Ohren jedoch sehr individuell — für mich gibt es Unterschiede, manch einer mag da widersprechen. Und psycho-akustische Besonderheiten klammere ich zu diesem Zeitpunkt noch aus.

Letztlich dient das Relicing vor allem auch dem Marktwert. Gitarren Aging kann in vielen Fällen teuer verkauft werden, teurer als die makellosen Gegenstücke allemal. Und das macht das Aging zu einer wirtschaftlich lukrativen Praxis für Gitarrenhersteller und -bauer. Kann uns für die Bewertung des Gitarren Aging erstmal egal sein, das Wissen um diesen Fakt schadet aber sicherlich nicht. Die wichtige Frage ist doch:

Warum mögen wir gebrauchte (wirklich alte) Gitarren?

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Klangqualität: Ja, der Sound entsteht im Kopf. Aber es gibt Gründe dafür, dass alte Gitarren besser klingen: Holz, das über Jahre hinweg reifen und sich setzen konnte bildet mehr Resonanz und alte Pickups und Elektronik haben einen spezifischen Verschleiß, der einen einzigartigen Ton erzeugt. Alles faszinierend und beinahe unmöglich zu imitieren: Why Do Vintage Guitars Sound Better?

Handwerkskunst und Materialien: Vintage-Gitarren wurden oft mit einer Sorgfalt und Detailverliebtheit gefertigt, die in der modernen Massenproduktion schwer zu finden ist. Es wurden Materialien verwendet, die heute kaum noch verfügbar sind, Rio Palisander ist das beste Beispiel. Die Fertigung per Hand macht die Instrumente zu Einzelstücken mit einer riesigen Portion Charakter und „Mojo“.

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Spielgefühl: Alte Gitarren bieten oft ein „eingespieltes“ Gefühl, das bei neuen Instrumenten fehlt. Der natürliche Verschleiß, wie abgenutzte Hälse und Korpusbereiche, sorgt für ein komfortableres Spielerlebnis. Ich liebe diese kleinen Unvollkommenheiten an meinen Gitarren. Das Gefühl, diesen Hals das x-millionste Mal in der Hand zu halten und im wahrsten Sinne eingegroovt zu sein. Unvergleichlich.

Ästhetik und Geschichte: Das Aussehen einer alten, oft gespielten Gitarre bietet einen besonderen Reiz. Die Dellen, Kratzer und Verfärbungen erzählen Geschichten von Jahrzehnten des Spiels und, im besten Falle, von tausenden Auftritten. Diese Patina (nicht zu vergleichen mit Dreck!) verleiht den Instrumenten Charakter und eine Authentizität, die neue Gitarren einfach nicht bieten können.

Emotionale und psychologische Faktoren: Das Spielen auf einer Vintage-Gitarre verbindet uns emotional mit der Geschichte des Instrumentes. Das Wissen, dass die Gitarre eine eigene Geschichte hat und möglicherweise mehr Gigs gespielt hat, als wir selbst, verleiht ein Gefühl von Nostalgie und Ehrfurcht. Kreative Inspiration pur. Und bei manchen Instrumenten ist genau das der Grund, sie in ein Museum zu stellen. Oder in den Gitarrenschrank von Kirk Hammett: Blackie und Greeny.

Wert und Investition: Klar, Vintage-Gitarren haben oft einen hohen Sammlerwert und können im Laufe der Zeit an Wert gewinnen. Der Marktwert wird durch die Geschichte, den Zustand und die Originalität der Teile beeinflusst, was einige Instrumente für Sammler und Musiker gleichermaßen attraktiv macht. Doch nicht jede alte Gitarre ist auch wertvoll. Wir haben dazu mal recherchiert: Gitarren als Wertanlage

Und wie passt Gitarren Aging dazu?

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Wir sehen: Die Faszination für alte Gitarren ist ungebrochen. Und trotzdem gibt es viele überzeugende Gründe, neue Gitarren zu bevorzugen — und sich mit dem Aging der Gitarre ein bisschen Vintage zurückzuholen. Die Frage ist also, warum stürzen wir uns nicht alle auf gebrauchte Gitarren?

 Zuverlässigkeit und Zustand: Neue Gitarren sind in der Regel frei von den technischen Problemen. Risse, krumme Hälse oder ungleich abgenutzte, runtergenudelte Bünde. Sie bieten in der Regel zuverlässige Performance ohne die Notwendigkeit umfangreicher Restaurierungen oder Reparaturen. Klar, dass beinahe jede moderne Gitarre ein ordentliches Setup braucht, wenn sie nicht gerade von Werk an geplekt sind. Aber Reparaturen sind eher selten notwendig…

Moderne Technologie und Innovation: Neue Gitarren profitieren von den neuesten Entwicklungen in der Gitarrenbaukunst und -technologie. Fortschritte in der Fertigung und neue Materialien können zu verbesserten Klangqualitäten und Spielkomfort führen. Zum Beispiel bieten moderne Pickups wie die Fishman Fluence eine größere Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Musikstile Multiscale Gitarren werden dank neuer Fertigungsmethoden massentauglich.

Auswahl und Vielfalt: Während der Musikerflohmarkt das Jagen und Sammeln in uns belebt, ist der Bestellprozess neuer Instrumente erfreulich schnell: Alle großen Hersteller bieten eine riesiger Zahl von Optionen an, von der Holzauswahl über die Hardware bis hin zur Lackierung. So findest du schneller genau die Gitarre, die du auch wirklich gesucht hast. 

Preis-Leistungs-Verhältnis: Je nach Hersteller und Modell können neue Gitarren weit erschwinglicher sein, als ihre Vintage-Pendants. Besonders bei Vintage-Gitarren der großen amerikanischen Hersteller werden oft Sammlerpreise erreicht, die weit weg von allem sind, was ich persönlich auf der Bühne spielen wollte. Für Musiker, die ein zuverlässiges Instrument für den täglichen Gebrauch suchen, bieten neue Gitarren daher ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis

Garantie und Kundenservice: Der Kauf einer neuen Gitarre bietet den Vorteil von Herstellergarantien und Kundenservice. Dies gibt dem Käufer Sicherheit und Unterstützung im Falle von Problemen oder Mängeln. Bei alten Gitarren hilft da nur der Weg an die Werkbank. Und zur Bank.

Mein (hoffentlich) versöhnliches Fazit: Relicing als Ausdruck persönlicher Vorlieben und Annäherung an echte Vintage Gitarren

Stratocaster: Deutliche Spielspuren
Stratocaster: Deutliche Spielspuren · Quelle: Adam Gasson / Alamy Stock Foto

Relicing von Gitarren ist und bleibt ein kontroverses Thema, das sowohl leidenschaftliche Befürworter als auch entschiedene Gegner hat. Beide Seiten haben valide Argumente, die aus unterschiedlichen Perspektiven nachvollziehbar sind. Und doch möchte ich Stellung beziehen: Ich finde das Aging von Gitarren super. Über die Optik und die „Echtheit“ lässt sich streiten — das ist aber nicht meine Art. Mir geht es einzig um den psychologischen Effekt. Ein eingespieltes Instrument wirkt auf mich wie ein Kreativität-Booster: Ich mag keine makellosen Gitarren, in denen ich mich spiegeln kann. Dabei ist mir egal, ob die Kratzer und Lackplatzer in der Fabrik oder auf der Bühne entstanden sind. Gut gemacht, erkenne ich keinen Unterschied — Murphy macht das schon.

Für Fans von Relicing, Aging und Co. bieten die Techniken eine Möglichkeit, die Ästhetik und das Gefühl eines gut eingespielten Instruments zu erleben, ohne auf die praktischen Vorteile einer neuen Gitarren verzichten zu müssen. Win-Win.

Auf der anderen Seite stehen die Kritiker, die die Authentizität und den künstlichen Aspekt des Relicings in Frage stellen. Darüber zu streiten ist quatsch: Natürlich ist es nicht authentisch, darum geht es ja. Berechtigt ist jedoch die Kritik, wonach oft eine unnötige Kostenerhöhung mit dem Gitarren Aging einhergeht. Und ganz ehrlich — wer eine neue, makellose Gitarre bevorzugt, der macht sicherlich alles richtig, wenn er genau so ein Instrument auch kauft.

Die Entscheidung, eine neue, eine gebrauchte oder sogar eine Relic-Gitarre zu spielen, sollte letztlich darauf basieren, was inspiriert und Freude bereitet. In einer so subjektiven Kunstform wie der Musik gibt es kein richtig oder falsch – nur das, was Spaß macht. Peace.

Mehr Infos zum Thema Vintage Gitarren, Aging und Co.

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2 Antworten zu “Gitarren Aging – Wie künstliches Altern Instrumente besser macht”

    Rainer sagt:
    3

    Ich persönlich halte das für reinen Voodoo Kram, um Geld zu machen.
    Keiner weiß, ob sich hinter dem künstlich gealterten Instrument nicht einfach billiges Holz verbirgt.
    Andere mögen es anders sehen.
    Wie die Gitarre in der Hand liegt und klingt, hängt für mich nicht vom virtuellen Alter ab.

    Hans-Ulrich sagt:
    0

    Guter Kommentar…. Ich denke, gerade die grossen Hersteller F&G verbauen oftmals mindere Holzqualität, die sie dann mittels Aging und gebürendes Marketing in den Himmel loben….

    Ich kann hier Reh Guitars empfehlen… top Holzqualität und geniales Aging -Swiss Made.

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