Die Geschichte von Oberheim: Vom SEM zum OB-X8
Tom Oberheim startete seine Karriere mit der Entwicklung von Effektpedalen. Heute gilt er als eine der wichtigsten Figuren der Synthesizergeschichte. Wir begeben uns auf Spurensuche und tauchen ein in die Geschichte von Oberheim.
Die Geschichte von Oberheim
Die USA sind nicht arm an legendären Synthesizerherstellern – von Moog über ARP bis Sequential. Kaum ein Name steht jedoch so für den amerikanischen Sound wie Oberheim. Für viele sind Oberheim-Synthesizer der Inbegriff analoger Polysynths – satt, warm und fetter als jedes Thanksgiving-Dinner.
Die Geschichte von Oberheim: With a little help from my friends
Viele berühmte Synthesizer sind das Ergebnis fruchtbarer Kooperationen mehrerer innovativer Köpfe. Selbst wenn die Firma den Namen einer einzelnen Person trägt, wie etwa bei Moog, Buchla oder ARP (Alan Robert Pearlman), sind an der Entwicklung für gewöhnlich mehrere Menschen beteiligt. Das gilt umso mehr für Tom Oberheim. Im Laufe seiner langen Karriere als Entwickler epochaler Instrumente und Effekte arbeitete er mit vielen bemerkenswerten Persönlichkeiten zusammen.
Seine Karriere beginnt in Los Angeles, wohin ihn die Liebe zur Musik aus seinem Heimatstaat Kansas gezogen hatte. Während er tagsüber bei Computerfirmen arbeitete, entwickelte er in seiner Freizeit Ringmodulatoren.
Er fertigte die Effekte für Freunde wie den Jazztrompeter Don Ellis, die psychedelische Pop-Band The United States of America und den Komponisten Leonard Rosenman an. Letzterer bestellte ein Exemplar, um es für den Soundtrack zu The Planet of the Apes zu nutzen. In der Folge arbeitete Oberheim ab 1969 mit der Chicago Musical Instruments Company (CMI) zusammen, dem Hersteller der Maestro-Effektpedale. Der Oberheim-Ringmodulator wurde zum Maestro RM-1A. Zugleich markiert diese Zusammenarbeit die Geburtsstunde von Oberheim Electronics.
Sein wachsendes Interesse an Synthesizern führte dazu, dass Tom Oberheim zum ersten Händler für ARP-Synthesizer an der US-Westküste wurde. So erhielt er Zugang zum Schaltplan des 2600 und entwickelte eine Modifikation, durch die der Synthesizer duophon spielbar wurde.
Vom DS-2 zum SEM zum 8-Voice
Das erste Produkt, das unter der Marke Oberheim erschien, war der DS-2. Mit diesem digitalen Sequencer konnte man einen Synthesizer von Moog oder ARP fernsteuern. Und auch die nächste Entwicklung war ursprünglich als Ergänzung zu einem Minimoog oder ARP Odyssey gedacht: 1974 erschien das tastaturlose Synthesizer Expander Module, kurz SEM – der erste Meilenstein aus dem Hause Oberheim.
Das recht simpel aufgebaute SEM verfügte über zwei Oszillatoren – jeweils mit Sägezahn- und variabler Pulsschwingung –, zwei ADS-Hüllkurvengeneratoren und einen LFO mit Dreieckschwingung. Außerdem enthielt es ein einzigartiges Filter, das inwischen zu den berühmtesten Filterdesigns der Synthesizergeschichte zählt und einen großen Teil zum charakteristischen Oberheim-Sound beiträgt.
Das 2-polige SEM-Filter bildete einen Kontrast zum 4-Pol-Ladder-Filter von Moog, dem Standard zu jener Zeit. Außerdem war es sehr vielseitig: Mit einem Regler ließ sich die Charakteristik von Tiefpass über Bandsperre bis Hochpass variieren; ein zusätzlicher Schalter ermöglichte die Wahl eines Bandpass-Modus. Dafür und für seinen weichen und luftigen Charakter wird das SEM-Filter bis heute hoch geschätzt.
Bei der Entwicklung des SEM erhielt Tom Oberheim Unterstützung von Dave Rossum von E-mu Systems. Dieser war auch ein Jahr später wieder dabei (diesmal zusammen mit Scott Wedge), als Oberheim das SEM-Konzept weiterentwickelte und den 2-Voice, 4-Voice und schließlich den 8-Voice präsentierte. Als erste kommerziell erhältliche polyphone Synthesizer der Geschichte basierten diese Instrumente auf mehreren SEM-Modulen, die mit einem Programmer und einer digital ausgelesenen, ebenfalls polyphonen Tastatur kombiniert wurden.
Polyphone Legenden
So innovativ das SEM und die Voice-Serie auch waren: Es war die Trilogie großer Oberheim-Polys vom OB-X über den OB-Xa bis zum OB-8, die einige der schönsten und zeitlosesten Synthesizer-Sounds der 1980er lieferte und den Namen Oberheim unsterblich machte.
Rush, Prince, Queen: Sie alle nutzten den OB-X intensiv. Der 1979 erschienene Synthesizer markierte ein neues Kapitel in der Karriere Tom Oberheims. Obwohl die Synthesearchitektur vergleichsweise simpel war, klang der Synthesizer umwerfend. Pro Stimme bot er zwei sehr fette VCOs, ein 12-dB-Tiefpassfilter auf Basis von SEM-Technik und zwei ADSR-Hüllkurvengeneratoren. Dank eines Z80-Microcontrollers verfügte er außerdem über Preset-Speicherplätze. Der OB-X war in drei Konfigurationen mit vier, sechs und acht Stimmen erhältlich.
Schon ein Jahr später folgte der OB-Xa. Während er in den gleichen Stimmenkonfigurationen erhältlich war und über eine ähnliche Synthesestruktur verfügte, ließ sich das Filter nun zwischen einer 2-Pol- und einer 4-Pol-Charakteristik umschalten. Außerdem war der OB-Xa bitimbral und ermöglichte das Splitten der Tastatur und das Schichten zweier Klänge.
Die größeren Veränderungen verbargen sich im Inneren. Im Gegensatz zum diskret aufgebauten OB-X basierte der OB-Xa auf Curtis CEM-Chips – integrierten Schaltkreisen, die von Doug Curtis speziell für Synthesizer entwickelt worden waren. Deshalb klang der OB-Xa etwas anders als der Vorgänger. Dennoch war sein Sound sehr populär. Eddie Van Halen setzte dem OB-Xa mit „Jump“ ein musikalisches Denkmal, das bis heute jeder sofort erkennt. 1983 erschien schließlich der OB-8 als letzte Entwicklungsstufe der OB-Trilogie.
Willkommen in der Matrix
Bis hierhin sind die Oberheim-Synthesizer für ihren hervorragenden Sound bei einer gleichzeitig recht einfachen Synthesearchitektur bekannt. Das änderte sich mit der Matrix-Serie, die 1984 mit dem Xpander begann.
Der sechsstimmige Analogsynthesizer verfügte pro Stimme über zwei VCOs auf CEM3374-Basis und ein CEM3372-Filter mit 15 Variationen. Außerdem gab es fünf LFOs und eine revolutionäre Modulationsmatrix, in der die Signale zusammenliefen. Im Folgejahr stellte Oberheim den Matrix-12 vor, der im Wesentlichen aus zwei Xpander-Einheiten und einer Tastatur bestand. Für viele steht er noch heute für den technischen und klanglichen Höhepunkt analoger Synthese in den 1980ern.
Der Xpander und der Matrix-12 waren sehr leistungsfähig, aber auch extrem teuer. Als günstigere Alternative ließ Oberheim 1985 den sechsstimmigen Matrix-6 folgen, der auf dem Curtis CEM3396 „Synth on a Chip“ basierte. Weitere Synthesizer der Serie waren die Rackversion Matrix-6R (1986) und schließlich der Matrix-1000 (1988), wobei Letzterer ein reines Preset-Instrument war.
Die Geschichte von Oberheim: Heimatlos
Obwohl sie hoch gelobt wurde, war die Matrix-Serie wirtschaftlich nicht erfolgreich genug, um das Fortbestehen des Unternehmens zu sichern. So ereilte Oberheim das gleiche Schicksal wie auch Sequential Circuits und viele andere Hersteller analoger Synthesizer in den 1980ern. Im Jahr 1985 meldete Tom Oberheim Insolvenz an und musste seine Firma verkaufen. Dennoch blieb er noch für einige Jahre. Schließlich verließ er den Hersteller seines Namens, um das neue Unternehmen Marion Systems zu gründen. Später gründete er mit SeaSound eine Firma für Audiointerfaces.
Im Jahr 1988 erwarb Gibson die Marke Oberheim – nun ohne Tom. Unter Gibsons Regie erschien 1994 der analoge Rack-Synthesizer OB-Mx, der sich von zwei auf bis zu 12 Stimmen erweitern ließ. Neben einem 2-Pol-SEM-Filter bot er ein 4-Pol-Filter im Moog-Stil. Interessanterweise war Don Buchla an seiner Entwicklung beteiligt, ebenso wie D.N. „Lynx“ Crowe, dessen Name ebenfalls mit Buchla verknüpft ist.
Die Geschichte von Oberheim: With a little (more) help from my friends
2009 kehrte Tom Oberheim in die Synthesizerwelt zurück und brachte eine modernisierte Version des SEM heraus – nun unter dem Markennamen „Tom Oberheim“. Es folgten der Son of Four Voice (2010) und der Two-Voice Pro (2015).
Kurze Zeit später erhielt Oberheim abermals die Unterstützung eines prominenten Freundes. Gemeinsam mit Dave Smith entstand der OB-6 – eine Variante des Sequential Prophet-6 mit Oberheim-Oszillatoren und -Filtern. Da die Namensrechte nach wie vor bei Gibson lagen, erschien der Synthesizer allerdings nicht unter der Marke Oberheim, sondern als Produkt von Sequential.
Die beiden Legenden kollaborierten erneut für den 2022 erschienenen OB-X8. Der monumentale Synthesizer vereint das Beste der OB-Trilogie in einem modernen Instrument. Neben Smith war auch Marcus Ryle an der Entwicklung beteiligt, der bereits Anfang der 1980er bei Oberheim gearbeitet hatte und später unter anderem die Marke Line 6 mitgründete. Und weil Tom Oberheim zwischenzeitlich die Rechte an seinem Namen von Gibson zurückerhalten hatte, konnte der OB-X8 als echter Oberheim erscheinen.
Auf der Superbooth 24 präsentierte Oberheim schließlich seinen bisher neuesten Synthesizer. Der TEO-5, dessen Name von seinen Initialien (Thomas Elroy Oberheim) abgeleitet ist, ist erneut eine Variante eines Sequential-Instruments mit Oberheim-Schaltungen. Auch nach dem plötzlichen Tod Dave Smiths im Jahr 2022 lag diese Kooperation nahe, weil die Marke Oberheim – wie auch Sequential – inzwischen unter dem Dach der Focusrite Group (u.a. Novation, Adam Audio) zu Hause ist. Der fünfstimmige Analogsynthesizer entspricht im Wesentlichen dem Sequential Take 5, verfügt aber über Oszillator- und Filterschaltungen von Oberheim.
Die Geschichte von Oberheim: Einer von den ganz Großen
Eigentlich hätten noch viel mehr Episoden der langen Geschichte von Oberheim Erwähnung finden müssen, etwa die Oberheim-Drummachines oder die Ära von Marion Systems. Leider hätte das den Rahmen dieses Artikels gesprengt.
Was bleibt, ist die Feststellung, dass Tom Oberheim einer der ganz großen Synthesizer-Pioniere ist. Sein Name ist untrennbar mit einigen der größten Meilensteine der Synthesizergeschichte verbunden und muss in einem Atemzug mit Bob Moog, Dave Smith, Alan R. Pearlman und Don Buchla genannt werden.