von claudius | Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten
Mixbus 4 Editor

Mixbus 4 Editor  ·  Quelle: Gearnews (Claudius)

Mixbus 4 Mixer

Mixbus 4 Mixer  ·  Quelle: Gearnews (Claudius)

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Anfang März hatte Harrison Consoles die hauseigene DAW Mixbus Version 4 veröffentlicht. Die Besonderheit: Sie soll analog klingen. Ich halte genau Nichts von solchen Aussagen, wollte aber mal am eigenen Leib erfahren, wie es sich damit arbeitet. Also habe ich drei Wochen keine andere DAW die „täglichen Aufgaben“ genutzt – Zeit genug für ein kurzes Resümee.

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Mixbus 4 – kurzer Überblick

Die DAW Mixbus ist ein „Aufsatz“ auf die Open Source DAW Ardour, die es mittlerweile in Version 5 gibt. Deswegen gleichen sich viele Features, bei Mixbus ist nur etwas mehr dabei. Etwa ein Polarity Check, oder eben der namensgebende Mixer mit den besonderen Channel Strips und den maximal (!) 8 Buss-Tracks, Mixbusse genannt.

Jeder der unendlich vielen Audio-, MIDI- oder Buskanäle hat einen halbparametrischen 3-Band-EQ (Shelf-Band-Shelf) plus Low-Cut, dazu drei Kompressoren (Leveler, Compressor und Limiter) mit Threashold, Makeup Gain und je nach gewähltem Modell Ratio oder Attack Regler. Die (maximal!) acht Mixbusse hat auch einen 3-Band-EQ ohne Frequenzwahl, auch Shelf-Band-Shelf, die gleichen Kompressoren plus einen Sidechain-Input und – die Besonderheit – eingebaute Bandsättigung, bzw. deren Emulation. Dazu einen Spill-Button, der nur die darauf sendenen Kanäle anzeigt. Der Master Channel ist grundlegend wie ein Mixbuss aufgebaut, hat aber zusätzlich einen zuschaltbaren Limiter. Alle Mixbusse und der Master haben ein VU-Meter, der Master noch ein K-14 Meter und ein Korrelationsanzeige für die Phasenlage.

Und das ist das Geheimnis hinter Mixbus: eingebaute EQs, Kompressoren und Bandsättigung direkt im Kanalzug. Außerdem gibt es die DAW für Windows, OSX und Linux und sie ist komplett kompatibel – abgesehen von den betriebssystemabhängigen Plug-ins.

Selbsttest

Das klingt auf jeden Fall durchdacht und interessant. Ich besitze Lizenzen für alle nennenswerten DAWs (Reaper, Logic, Pro Tools, Cubase, Studio One, Bitwig, Ardour, Mixbus, Tracktion) und kenne alle dementsprechend ein wenig. Von früher sind noch ein paar Reste Pro Tools Wissen übrig, meine tägliche Hobbyarbeit verrichte ich allerdings in Reaper, Lieder schreibe ich in der Regel in Logic. Soviel zur Ausgangssituation.

Mixbus hat mit den integrierten Effekten einen anderen Ansatz als die sonst so bekannten DAWs, die eher den neutralen Weg gehen. Der Rest ist aber nicht ungewöhnlich und unterteilt in Editor und Mixer – nur eben in Mischpultoptik mit echtem Hardwarevorbild. Von Harrison – muss wohl nicht erwähnt werden. Und die ist grundlegend eine gelungene Sache. – seit Version 3 ist das so. Davor war es einfach nur grausam. Der Editor sieht bis auf minimale Unterschiede aber noch aus wie im Unterbau Ardour. Erinnert an die früheren Versionen von Pro Tools vor Version 7. Kurz: hässlich, unmodern, unprofessionell – im Sinne von „zu faul zum ebenfalls wie den Mixer polieren“. Andere sagen: Es ist funktionell und reduziert. Alle Meinungen sind erlaubt, deswegen muss ich wohl damit leben.

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Features

Der Funktionsumfang ist in Sachen Audio auf jeden Fall zeitgemäß. Ich vermisse keine grundlegenden Funktionen. Manches ist über andere Wege erreichbar. In Reaper bin ich im Editing durch die unfassbare Anpassbarkeit sehr schnell, in Mixbus fühle ich mich durch die neuen Wege etwas behindert. Ganz normal in einem anderen Programm.

Auf der anderen Seite hat Harrison Funktionen eingebaut, die keine der anderen DAWs am Markt so integriert hat: Loudness Stem Analyse, Polaritäts Check mit wahlweise automatischer Anpassung über alle (ausgewählten) Spuren, Frequenz Check der gesamten Audiodatei. Das macht schon Sinn, gerade der Polarity Check ist erste Sahne und nimmt gefühlt 10 Minuten Arbeitszeit mit einem Klick ab.

Optisch ist der Mixer in Version 4 eine gelungene Sache. Alles hat seinen festen Platz in jedem Kanal, es ist gut mit Kontrasten versorgt – einzig die Kanäle einfärben wie in Pro Tools, Studio One oder Reaper vermisse ich für die Übersicht. Da hilft mir der farbige Gruppenbalken oder auf Wunsch farbigen Fader auch nicht wirklich weiter. Scrollen ruckelt auf all meinen Systemen gleich stark, von Popel-Laptop bis Mid-Class Desktoprechner mit zeitgemäßer Nvidia-Grafikkarte, i5 4690 und 16 GB Ram. Defintiv Nachbesserungsbedarf.

Anfänglich – die gefühlt komplette erste Woche – hatte ich echt Probleme mit dem EQ. Das heißt, ich dachte ich hätte sie. Man hat eben nur die drei Bänder, davon zwei als Shelf bzw. Kuhschwanzfilter ausgeführt. Absolut nichts für chirurgische Eingriffe. Nach einer gewissen Zeit muss ich aber sagen: Es hat mich geerdet. Man kann damit sehr wohl sehr gut mischen und man verzettelt sich nicht in unnützen Details, weil: Shit in, Shit out.

Mittlerweile ist der Workflow beim Mischen (!) für mich eine Bereicherung, weil man nicht nachdenkt, welchen EQ oder Kompressor man nutzt, sondern nutzt einfach die eingebauten und kommt auch ans Ziel. Gut klingend. Dann noch die Bandsättigung auf allen Mixbussen und der eingebaute Limiter im Master sind grandios. Wenn es nur ums Mixen ginge, wäre Mixbus 4 aktuell meine Wahl unter allen DAWs.

Aber: Es gibt ja noch Editing und Tracking bzw. die Aufnahme. Da stinkt Mixbus ab, vor allem in Sachen Stabilität habe außer mit Linux wirklich meine Probleme gehabt. Komplett aus der Kalten geht das Programm aus, während man simple acht Spuren ohne Effekte und mit sehr hohem Puffer einspielt. Das Input- und Output-Routing ist teils von Ardour übernommen sehr frickelig. Generell fühle ich mich im Editing nicht sehr wohl, auch in Sachen Playlists hätte man lieber mal bei Logic schauen sollen, da ist das beim Comping meinen Augen toll gelöst.

Dann ist da noch MIDI. Das unliebsame Stiefkind, das laut MIDI-Vielnutzern eher rudimentär in Ardour und damit auch in Mixbus eingebaut ist. Ich kann mangels wirklicher Nutzung nicht viel dazu sagen. Mir wurde es so erzählt: „Es ist mit drin, das ist die gute Nachricht. Man kann damit viel anstellen, aber verglichen mit Cubase oder Logic fehlt es doch an vielen Funktionen. Der Workflow ist auch etwas anders, ein extra Fenster oder Bereich für die Pianoroll gibt es nicht, sondern es wird direkt in der MIDI-Region (Event/Clip) editiert.“ Wer also nicht viel mehr als nur ein paar virtuelle Synthesizer ohne viel Drumherum ansteuern will, der kann hier auch glücklich werden.

Mixbus Input Output Config Pin Connections

Routing für jedes Plug-in ist schon sehr nice – mit Sidechain Send · Quelle: Gearnews, Claudius

Liebe und Hass

Nach der Zeit muss ich sagen: Ich mische in keiner DAW schneller und wohlklingender als in MB4 – für meine Ohren. Die integrierten Effekte und Sättigungsstufen klingen klasse und schnell erlernt und ausreichend dimensioniert. Beschränkung aufs Wesentliche – das, was ich für meine Mixe anscheinend benötige. Für alles Andere habe ich ja noch meine üblichen Plug-ins mit abertausenden Funktionen und unendlich Bändern.

ABER: Ich nehme nicht in Mixbus auf, ich vermeide Editieren, allein schon, weil ich Clip Effekte und absolut zuverlässige Stabilität mag. Mit der aller neusten Version hatte ich noch keinen Absturz, außer, dass die DAW einmal plötzlich meinte, ich hatte Core Audio einfach so beendet – was nicht der Fall war. Vielleicht ein Problem mit meinem TB Apollo?! Ich hatte auf allen Systemen auch immer wieder Darstellungsprobleme, die schon in Ardour immer wieder reproduzierbar sind, aber trotz Bug-Meldung einfach nicht gefixt werden. Außerdem ruckelt es immer wieder vor allem im Mixer auf all meinen Systemen, von Low End bis potent.

Auch schon das Projekt anlegen ist mir zu frickelig: Man kann nicht mal einfach so mehrere Spuren gleichzeitig auf einen Bus routen, das muss Track für Track passieren. Oder gleichzeitig Audioclips/Spuren einfärben ohne zwingend Gruppen zu erstellen. Klick und Drag um ein paar Spuren in der Reihe zu muten oder auf Solo zu schalten – nein. Mixbusse nacheinander mittels Tab-Taste umbenennen, ohne jedes mal „Rechtsklick – Rename“ zu machen, geht auch nicht. Technisch wäre es auch kein Problem, mehr als 8 Mixbusse anzubieten – warum es nicht passiert? Ich vermute einen Mix aus Nostalgie, Tunnelblick und als Verkaufsargument für die größere und teurere Schwester-DAW Mixbus 32C. Viele kleine Defizite, die mir den Spaß in manchen Belangen verderben.

Dafür ist man beim Export ganz frei und kann mehrere, unterschiedlichste Aufträge gleichzeitig aufgeben, die dann als Batch abgehandelt werden. Danach können die auch gleich analysiert und auf Soundcloud hochgeladen werden. Das wünsche ich mir, wie auch andere „unique Features“ für andere DAWs.

TL;DR

Das macht Mixbus alles zu keiner schlechten DAW, in meinen Augen aber auch nicht zu einer, die ich Tag ein, Tag aus für alles nutzen möchte. Vieles ist einfach für mich (!) zu frickelig. Aber der reine Mischprozess für fertig editierte Stems – immer und jederzeit wieder.

Ist Mixbus 4 nun zeitgemäß? Auf jeden Fall! Es ist ein anderer Ansatz, hier und da mit Nachteilen, aber auch hier und da mit Vorteilen.

Klingt es wie eine analoge Harrison Konsole? Keine Ahnung, ist mir auch egal. Für mich klingt es durchweg gut.

Habt ihr schon einmal Mixbus ausprobiert? Was haltet ihr davon? Habt ihr andere Erfahrungen gemacht?

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3 Antworten zu “Der Klang von gestern mit der Technik von heute – ist die DAW Mixbus zeitgemäß?”

    Frank Kozlowski sagt:
    0

    Hallo Mixbusfreunde :)

    Ja ich finde den Mixbussound für mich besser satter. Arbeite seit Jahren mit Cubase hier mit Mixbus wird es noch bei mir etwas dauern um sich daran zu gewöhnen. Ich vermute das ich meine Produktionen in Cubase weiter machen werde und die Endbearbeitung in Mixbus. Vielleicht nicht jedes mal um einfach einen anderen Sound zu presentieren je nach Song . Was ich noch nicht herausgefunden habe ist , kann ich fremde Plugins benutzen im Mixbus ? Wie zB Slate Digital ?

    Gruss
    Frank

    Niels O. sagt:
    0

    Ich nutze unter Linux Ardour 5 mit etlichen Plugins von Harrison. Es ist eine Frage dessen, was man will und braucht. Mittlerweile, auf kxStudio/Kubuntu 16.04 konnte ich mit einem LinVST-Hack auch meine essenziellen Voxengo-VSTs (für Windows ursprünglich) solide in Ardour zum Laufen bekommen (ich denke, sie würden auch in Mixbus funzen). Es gibt viele Dinge nicht. Ich mische aber im Moment Hauptsächlich Live-Mitschnitte, die im Mischpult direkt auf USB-Datenträger aufgenommen werden. Ich komme super klar. Übrigens, der Mixer von Ardour ist in der Anzahl der Busse unbeschränkt. Dafür gibt’s aber auch nicht die Harrison-EQs oder die Bandsättigung und gerade Einsteiger verzetteln sich in diesem Mixer schnell. Gerade weil es wohl keinen DAW-Mixer gibt, der mehr kann als der von Ardour.

      claudius sagt:
      0

      Danke! :)
      Ich meine, der von Reaper kann mindestens genau so viel und ist sogar von der Bedienung sehr viel flotter. Ardour fühlt sich immer etwas behäbiger als die anderen DAWs an.

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