[Kolumne] Quo vadis, Bitwig?
Wer erinnert sich noch an den Internet-Hype um Bitwig? Der hätte größer nicht sein können. Die Foren waren voll von Lobhudeleien und Kaufversprechen, die man sonst nur aus der Smartphone Ecke kennt. Dann kam der versprochene Ableton Live Killer … und es wurde ruhig um ihn. Was war passiert?
Konnte Bitwig die Versprechen nicht halten? Hat es nicht so gekillt wie gedacht? Hat etwas gefehlt? Oder waren die Producer bzw. Studio-Menschen zu bequem, um sich auf ein neues System einzulassen? Grob geschätzt war es wohl ein Teil von allem.
Die Idee ist immer noch gut: ein kleines Unternehmen mit ehemaligen Ableton Entwicklern, die das Live-Konzept vereinfachen, es auf Windows, OSX und sogar Linux gleichzeitig anbieten. Letzteres leistet, abgesehen von Tracktion, keine DAW. Für die Bitwig Programmierer spricht, dass seit der Veröffentlichung eigentlich keine Woche verging, in der nicht mal ein kleiner Bugfix oder ein Patch mit neuen Features kam. Diese Intensität schaffte bisher eigentlich nur Reaper. Das heißt aber nicht, dass das Programm etwa unausgegoren ist, sondern dass die Entwickler schnell sind und flexibel reagieren. Bei den Platzhirschen ProTools und Cubase dauert ein Bugfix auch schon mal 2 bis 3 Monate, sofern er überhaupt kommt. Zwar kann man in deren im Haus- und Hof-Foren Fehler melden, diese werden aber erst bei entsprechender Nachfrage berücksichtigt.
Angetreten ist Bitwig Studio als Live-Killer und der Marktstart in den Verkaufslisten war auch ziemlich gut: Das Programm konnte sich viele Wochen in den Top 5 der Thomann Verkaufscharts halten. Bemerkenswerterweise ist in den üblichen Fach-Foren zum Thema Bitwig aber recht wenig los. Fragt man in einem deutschen Forum wie dem Musiker-Board oder Recording nach Bitwig, kommt die Antwort, es sei nicht so ausgereift wie Abletons Live. Anfangs gab es keinen VST-Support, was natürlich ein No-Go ist, wurde jedoch schnell nachgereicht. In den internationalen Fachforen wie KVR oder Gearslutz ist Bitwig aber schon eher ein Thema.
Arturia bietet seit Anfang dieses Monats sogar ein Bundle mit Bitwig und den KeyLab 25, KeyLab 49 und KeyLab 61 an. Wenn eine derart renommierte Firma so ein Bundle schnürt, kann man sicherlich davon ausgehen, dass die DAW vom Markt als solche akzeptiert wurde. Also offensichtlich alles richtig gemacht.
Zuletzt hatten sogar sich die Berliner Zeitung und rbb-Online mit Bitwig beschäftigt, da das Bitwig Team einen Gründerpreis gewonnen hatte. In den ersten drei Monaten wurden über eine halbe Million Euro Umsatz generiert. Das ist alles andere als schlecht. Die Entwickler selbst sehen das Potential bei 10 bis 50 Millionen Euro. Ich würde es ihnen gönnen, auch wenn ich persönlich die DAW nicht nutze. Aber Konkurrenz belebt bekanntlich den Markt und der kann meiner Meinung nach ruhig mal einen Anstoß vertragen.
Interessanterweise gibt es seit der Veröffentlichung der 1.0 Version schon Gerüchte zu einer 2.0 mit noch mehr Features und allen formulierten Anregungen bzw. Wünschen. Das ist zwar etwas früh, aber wenn man bei Bitwig weiterhin so fleißig wie bisher ist, steht dem sicherlich nichts im Wege. Presonus‘ Studio One Version 1 hat schließlich auch kaum jemanden interessiert, Version 2 hat dann aber alle Erwartungen bei Weitem übertroffen und die bald erscheinende Version 3 soll das dann noch einmal toppen. Also liebes Bitwig Team, ihr habt Zeit die Leute zu überzeugen.