von claudius | Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Kolumne DAW Bashing

Welche DAW wird den Schlagabtausch überstehen?  ·  Quelle: Orfeev/Shutterstock, Collage: gearnews

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Welche DAW ist die Richtige für mich? Eigentlich eine ganz normale Frage. Ein Hilfesuchender stellt diese Frage in einem Forum und hofft auf digitale Unterstützung. Er möchte gern die Erfahrungen der Userschaft von verschiedenen DAWs kennenlernen, da bei ihm ein neuer Computer + Software ansteht. Leider begeht er gerade einen der größten Fehler, den man aktuell online machen kann.

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Was in der IT-Welt „OSX vs. Windows (vs. Linux)“, in der Handywelt „Apple vs. Samung (etc.)“, in der Gitarristenwelt „Strat vs. Paula“ oder „Nur EMG für Metal“ ist, dürfte in der DAW-Welt wohl die Frage nach der „bestesten“ Software zur Musikproduktion. Natürlich ist das richtige Werkzeug für jeden nur individuell feststellbar. Drei Menschen, fünf Meinungen. Diese elementare Fehde klärt man am besten gleich persönlich und der Drops ist gelutscht. Bei einem virtuellen Schlagabtausch im Netz eskaliert das leider aber sehr oft bis zur direkten Beleidigung und will kein Ende finden – und geholfen wird eigentlich nicht. Ein aktuelles Beispiel ist mir bei recording.de aufgefallen: Ein User steigt von Mac auf PC um und sucht statt Logic eine neue DAW. Mit den gleichen Funktionen, versteht sich.

Bumm. Knall! Donner! Da sind sie zu Hundertschaften, die DAW Nutzer, die ihr Werkzeug gern als den heiligen Gral anpreisen wollen. Das heißt, sie wollen es nicht nur, sie tun es – teilweise mit dreister Wortwahl. Natürlich werden hier und da unbegründete Seitenhiebe auf andere DAWs abgelassen, mal mit und mal ohne bzw. sehr altem Hintergrundwissen. Dann kommen die Nutzer der beleidigten DAW und verteidigen ihr Werkzeug mit den gleichen Mitteln. Bis aufs Blut. Und wie es auch im reellen Leben ist: Treffen sich Gleichgesinnte, dann wird gern gemeinsam über die „Anderen“ hergezogen. Gemeinsam ist man stark. Das gehört sich in ebenso der modernen Diskussionskultur so. In einer Woche ist der Thread so auf über 400 Antworten herangewachsen. Die eigentliche Frage wollte anfangs noch beantwortet werden, aber der Fragesteller hat sich nicht mehr zurück gemeldet. Merkwürdig, da ihm doch von genug Usern quasi alle großen DAWs als Logic Ersatz empfohlen wurden? Seine Antworten hat er auch schon auf den ersten zwei Seiten bekommen, der komplette Rest ist wie Tischtennis. DAW 1 ist scheiße, weil altbacken und umständlich. DAW 2 ist besser, weil super modern und schnell und tolle Features und so. DAW 3 ist doof, weil verwirrend. DAW 4 ist zu teuer. Dann die Rückrunde: DAW 3 ist nicht verwirrend, du kannst sie nur nicht benutzen. DAW 2 ist nicht modern, das können alle anderen auch … usw. … auf 19 Seiten … ermüdend oder? Vermutlich hat er sich vorausschauend schnell ausgeklinkt oder seinen Computer auf Seite 4 verbrannt. Beides wäre akzeptabel.

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Ich habe manche Beiträge in dem Thread übersprungen, aber die eine oder andere Stunde mit Lesen verbracht. Mal sehr interessiert. Mal amüsiert. Mal hätte ich am liebsten durch meinen Bildschirm den Schreiberling am Schlafittchen gepackt und angeschrien, dass er sich doch bitte kundig machen  oder die gelungenen Marketingparolen der Firma nicht einfach so wiederholen soll. Aber wer bin ich denn? Ich habe ja keinerlei Befehlsgewalt über die Menschen in Foren. Und das ist gut so. Jeder soll seine Meinung frei äußern dürfen. Und wenn er unbegründeten Müll schreibt, dann merkt das der Leser ganz schnell an den Antworten auf seinen Beitrag und er wird fortan nicht mehr für Ernst genommen. Zumindest im Idealfall.

Natürlich empfiehlt man gern das Werkzeug, mit dem man selbst gute Erfahrungen gemacht hat. Genau danach wurde ja auch gefragt. Aber dass dieses Thema nach kurzer Zeit in gefühlt allen Foren der Welt immer wieder eskalieren muss und in immer wieder gleichen Grabenkämpfen endet, hilft doch keinem, oder? Jeder kann doch nutzen, was er möchte und sollte es auch am eigenen Leib ausprobieren – dafür gibt es ja die Demoversionen der DAWs. Und wenn die Hersteller eine Demoversion nicht ohne kostenpflichtigen Hardware-Dongle zur Verfügung stellen können … drauf geschissen und man macht darum einen Bogen. Sie werden es irgendwann einsehen, wenn keine Nutzer mehr wegen der Produktpolitik dazu kommen. Aus Fehlern lernt man und wird stärker. Und wenn nicht, dann ist der Untergang gerechtfertigt.

Aber das „wurde alles schon gesagt, nur noch nicht von allen“. Danke für den immer wieder hervorragend passenden Satz, Herr Valentin. Nur will es in den Köpfen nicht ankommen. Kann mir einer sagen, warum es dieses DAW Bashing immer wieder gibt?

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6 Antworten zu “DAW Bashing – eine noch junge, aber geliebte Tradition”

    Martin sagt:
    0

    DAW, Betriebssystem, Konsolen etc Bashings resultieren zum größten Teil aus mangelnder Reife. ;-) Jede DAW hat ihre Vorzüge und Nachteile. Ich persönlich fahre zweigleisig (Logic Pro X & Ableton) und weiß beide zu schätzen.

    vaikl sagt:
    0

    Naja, ihr verlinkt unten ja gleich eine der möglichen Erklärungen mit;-) Welcher DAW-Kunde möchte sich denn gern über schwer nachvollziehbare Umfragen (ist halt nicht jeder Statistiker oder Marktforscher) nachsagen lassen, dass er ein Nicht-Profi, eine arme, kleine Amateur“sau“ ist, wenn er z.B. kein Cubase nutzt? Dann werden halt für die preiswerten, erschwinglichen DAWs halbgare Argumentationsketten gestrickt, die den eigenen Status erhöhen sollen.

    metabeat sagt:
    0

    Tja, bei kvraudio und anderswo ist das teilweise ein Dauerthema. Die härteste Ausage ist für mich immer noch: „meine DAW klingt besser als deine“. Und das eine DAW nach irgendwas klingt, dieser Irrglaube ist sogar bei Profis verbreitet. Ich persönlich habe so ziemlich jede DAW getestet und das einzige was mich interessiert ist Stabilität und Workflow. Den Klang mache ich.

      gearnews sagt:
      0

      Vor allem unter Pro Tools Nutzern ein gern gesehenes Argument. Aber man muss differenzieren: Meinen die wirklich die DAW als „Summierer“ oder auch die mitgebrachten Effekte / Plug-ins? Dann kann es schon unterschiede geben.

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