von Gastautor | Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Gleiche Curtis-Chips, anderer Sound: Warum Synthesizer verschieden klingen

Gleiche Curtis-Chips, anderer Sound: Warum Synthesizer verschieden klingen  ·  Quelle: Sequential

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Überraschend viele analoge Synthesizer basieren auf den gleichen Curtis-Chips für ihre Oszillatoren und Filter. Trotzdem klingen sie ganz unterschiedlich. Warum ist das so? Wir begeben uns auf Spurensuche.

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Dieser Artikel von Adam Douglas erschien zunächst in englischer Sprache auf gearnews.com. Übersetzung: Lasse Eilers

Curtis-Chips

Vor einiger Zeit erschien der neue Drone-Synthesizer CPM DS-2 von Stylophone. Wer sich das Bedienfeld genau ansieht, entdeckt die Bezeichnungen „3340 Oscillator“ und „3320 Filter“. Die Zahlen stehen für die Chips (ICs), die in den Oszillator- und Filterschaltungen stecken. Sie basieren auf Designs von Doug Curtis, die erstmals in den späten 1970ern und frühen 1980ern erschienen. Aber was sind das genau für Chips – und was hat ein Chip überhaupt in einem Synthesizer zu suchen?

Stylophone CPM-DS2
Stylophone CPM-DS2 · Quelle: Stylophone

Curtis Chips: Kleiner sollt ihr werden!

Ein integrierter Schaltkreis (Integrated Circuit, IC) ist eine elektronische Schaltung, die so verkleinert wurde, dass sie komplett in einen einzigen Mikrochip passt. Als in den 1970ern die ersten ICs aufkamen, kam das einer Revolution in der Herstellung elektronischer Geräte gleich. Nicht nur konnten Geräte nun viel kompakter gebaut werden, sie ließen sich auch viel günstiger herstellen. Und das stellte nicht nur die Computer- und Heimelektronikbranchen auf den Kopf, sondern auch die Synthesizerwelt.

Dank der IC-Technologie ließen sich Schaltungen wie OszillatorenFilter und VCAs, die vorher diskret (also aus einzelnen Bauteilen) aufgebaut waren, in winzige Chips packen. Etwas später folgten komplette Synthesizerstimmen auf einem Chip. Diese Miniaturisierung schlug sich auch in den äußeren Dimensionen und im Preis von Synthesizern nieder. Waren polyphone Analogsynthesizer zuvor riesige Boliden wie der Yamaha CS80 gewesen, war der Roland Juno-106 schon viel kompakter und praktischer in der Handhabung – und auch viel günstiger. Mit der fortschreitenden Entwicklung immer kleinerer ICs wurden noch kompaktere Geräte wie Rack- und Desktop-Synthesizer möglich.

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Juno-106
Juno-106 · Quelle: Adam Douglas

Die meisten Synthesizer-Hersteller verfügten nicht über die Ressourcen, um ihre eigenen Chips zu entwickeln und herzustellen. Also setzten sie eine Reihe von Standard-Chips ein, die demzufolge eine weite Verbreitung in Instrumenten verschiedenster Hersteller fanden. Allerdings gibt es auch ein paar Ausnahmen, wie die berühmten FM-Chips von Yamaha, die in den 1980ern nicht nur die Synthesizerwelt revolutionierten, sondern auch einen großen Einfluss auf Videospiele, Computer-Soundkarten und andere Geräte hatten. Auch Roland stellte zeitweise eigene Chips her. Am berühmtesten ist der Filter-Chip IR3109, der im Juno-106, Jupiter-8, SH-101 und vielen weiteren Instrumenten Verwendung fand.

SSM-Chips für Synthesizer

In den 1970ern begann die Firma Solid Stage Music – auch unter den Namen Solid State Microtechnology oder kurz SSM bekannt – mit der Herstellung von Chips speziell für Synthesizer. Das von John Dow und John Burgoon mit Unterstützung von Dave Rossum von E-Mu Systems gegründete Unternehmen stellte eine Reihe populärer Chips her, wie den SSM2030 VCO und das SSM2040 VCF. Zusammen bildeten sie die Grundlage der ersten beiden Revisionen des Sequential Prophet-5 und läuteten somit die Chip-Revolution im Synthesizerbau ein.

Curtis-Chips: Die Geburtsstunde von CEM

Etwas später begann die Ära der Curtis-Chips. Nachdem er vier Jahre lang bei einem Halbleiterunternehmen gearbeitet hatte, gründete Doug Curtis im Jahr 1979 seine eigene Firma namens Curtis Electromusic Specialties (CEM). Inspiriert von seinem Synthesizer-Hobby, stellte Curtis zunächst spezielle ICs für Oberheim und ARP her, wandte sich aber bald der Massenproduktion von Chips „mit wesentlich weniger integrierten Bauteilen und daher deutlich geringerer Größe“ zu, wie die CEM-Website zu berichten weiß.

Sequential Prophet-5
Sequential Prophet-5 · Quelle: Sequential

Die CEM-Chips waren sehr zuverlässig, weshalb sie bald in zahlreichen Instrumenten zum Einsatz kamen. Die Liste der Hersteller, die Curtis-Chips verwendeten, ist lang; unter anderem findet man sie in Synthesizern und Drum-Machines von Moog, Oberheim, Akai, Roland, Buchla, Crumar, Linn, PPG, Waldorf und Sequential. Bekanntlich ersetzte Dave Smith in der dritten Revision des Prophet-5 die Oszillator-, Filter- und Envelope-Chips von SSM durch Alternativen von CEM.

Die wichtigsten Curtis-Chips

Über einen Zeitraum von 11 Jahren entwickelte Curtis Electromusic Specialties mehr als 20 ICs für Synthesizer und andere elektronische Musikinstrumente. Zwei dieser Designs sind besonders berühmt geworden:

CEM3340 Voltage Controlled Oscillator (VCO): Der CEM3340 (hier das Datenblatt) ist wohl der bekannteste Curtis-Chip. Der Oszillator bietet die Schwingungsformen Dreieck, Sägezahn, Rechteck und Puls mit spannungssteuerbarer Pulsbreite. Außerdem verfügt er über Hard- und Soft-Sync. Besonders wichtig: Der Chip ist vollständig temperaturkompensiert, wodurch er sehr stimmstabil ist. Er steckt unter anderem im Sequential Circuits Prophet-5, Pro-One und Prophet-600, Crumar Spirit, Moog Memorymoog, Oberheim OB-Xa und OB-8 sowie Roland Jupiter-6 und SH-101.

CEM3340
CEM3340 · Quelle: Curtis Electromusic Specialties

CEM3320 Voltage Controlled Filter (VCF): Ein weiterer weit verbreiteter Curtis-Chip ist der CEM3320 (Datenblatt). Das Multimode-Filter mit 24 dB/Oct. Flankensteilheit findet man im Elka Synthex, Oberheim DMX, DX, OB-Xa und OB-8, PPG Wave 2.0, Sequential Circuits Prophet-5 und Pro One, in der Linn Electronics LinnDrum und Linn 9000 und vielen mehr.

Warum klingen Synthesizer unterschiedlich, obwohl sie die gleichen Curtis-Chips nutzen?

Bei so vielen Synthesizern, die auf den gleichen Curtis-Chips aufbauen, insbesondere auf dem CEM3340 Oszillator, mag man sich wundern, weshalb sie nicht alle ähnlich klingen. Der 3340 steckt im Prophet-5, Memorymoog und Jupiter-6 – trotzdem käme wohl niemand auf die Idee, diese Synthesizer als im Grunde identisch zu bezeichnen.

Black Corporation Deckard's Dream Mk2
Black Corporation Deckard’s Dream Mk2 · Quelle: Black Corporation

Auf der Suche nach der Antwort haben wir mit Black Corporation gesprochen. Der japanische Boutique-Hersteller hat in den letzten Jahren mit aufsehenerregenden Synthesizern wie dem Kijimi und Deckard’s Dream auf sich aufmerksam gemacht. Das Interessante: Obwohl diese vom RSF PolyKobol bzw. Yamaha CS80 inspiriert sind und sich an deren Sounds orientieren, stecken in beiden – anders als in den Originalen! – 3340-Oszillatorchips.

„Der Oszillator ist das Element, das den Sound am wenigsten beeinflusst“, erklärt Roman Filippov, Chef von Black Corporation. Ihm zufolge gibt es viele Gründe dafür, dass der Sound unterschiedlich ist: „Andere VCAs, andere Filter, andere Modulation, andere alles. Vieles hat einen Einfluss – aber nicht der Oszillator.“

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Black Corporation Deckard´s Dream MKII
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Curtis-Chips heute

Wie du vielleicht bereits vermutet hast, werden Curtis-Chips bis heute hergestellt. Zwar schloss Curtis Electromusic Systems im Jahr 1988 zunächst seine Türen und Doug Curtis wandte sich mit OnChip Systems der Herstellung von Mikrochips für andere Anwendungen zu. Im Jahr 2007 starb der Entwickler. Im Jahr 2017 wurde die Herstellung des 3340 jedoch aufgrund der wieder steigenden Nachfrage wieder aufgenommen. Da die Originalpatente abgelaufen sind, können andere Firmen wie Alfa Rpar AS und die MusicTribe-Tochterfirma Coolaudio heute ebenfalls Varianten des 3340 produzieren. Moderne Synthesizer, die ohne neue 3340-Chips nicht möglich gewesen wären, sind zum Beispiel der Sequential Prophet-5 Rev 4, Oberheim OB-X8, Behringer Crave und Neutron sowie zahlreiche Eurorack-Module.

Oberheim OB-X8 – einer der besten Synthesizer 2022
Oberheim OB-X8 · Quelle: Oberheim

SSM, der andere große Hersteller von Synthesizer-Chips aus den 1970ern und 80ern, ist ebenfalls wieder da. Unter dem Namen Sound Semiconductor Inc. produziert das Unternehmen neue Versionen der klassischen Chips. Diese findet man zum Beispiel im Sequential Prophet-5 Rev 4 und Take 5, UDO Audio Super 6 und IK Multimedia UNO Synth Pro.

Die IC-Innovationen von Doug Curtis, John Dow, Dave Rossum und vielen anderen machten die Entwicklung kompakter und vor allem günstiger Analogsynthesizer erst möglich. Erst durch Chips wurden Synthesizer so erschwinglich, dass man kein Rockstar mehr sein musste, um sich einen leisten zu können. Bis heute prägen CEM und SSM den Sound vieler moderner Instrumente wie dem eingangs erwähnten Stylophone CPM DS-2. Klingt der wie ein Prophet-5? Das hängt von viel mehr ab als nur von den Chips!

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