von Lasse Eilers | Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten | Unsere Wertung: 4,0 / 5,0
Angecheckt: Analogue Solutions Leipzig v3

Angecheckt: Analogue Solutions Leipzig v3  ·  Quelle: Gearnews (Lasse)

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Knapp zehn Jahre nach dem Vorgänger Leipzig-S präsentierte Analogue Solutions in diesem Frühjahr den Leipzig v3. Wie der Vorgänger ist der Leipzig v3 ein monophoner Analogsynthesizer, wie er im Buche steht: Zwei Oszillatoren, Filter, VCA, LFO, zwei Hüllkurven – so lautet das bewährte, puristische Prinzip. Wo hat der Hersteller den Lötkolben angesetzt, um den Leipzig v3 im Vergleich zu seinem Vorgänger zu verbessern und zu modernisieren? Wir haben den Synthesizer angetestet.

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Erster Eindruck

Der lange Produktzyklus passt zu einem Hersteller wie Analogue Solutions, der bekannt für ehrliche, geradlinige Analogsynthesizer ist, die beinahe etwas aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Bei Analogue Solutions gibt es kein Plastik, keine Miniaturisierung, keine Farbdisplays, kein USB und keine Patch-Speicher. Stattdessen baut man in England Synthesizer, die beinahe genauso auch vor 40 Jahren hätten entstehen können. Ein Hersteller, der verrückt genug ist, ein Projekt wie den Colossus durchzuziehen, ist mir als Synthesizer-Nerd ohnehin irgendwie sympathisch. Also war ich sehr neugierig, welche Neuerungen sich der Hersteller für die neue Version des Leipzig hat einfallen lassen.

Analogue Solutions Leipzig v3

Analogue Solutions Leipzig v3: Jetzt ein Desktop-Synthesizer · Quelle: Gearnews (Lasse)

Einmal ausgepackt, steht der Leipzig v3 vor mir auf dem Tisch und mir fällt gleich die wohltuend massive Bauweise auf. War der Vorgänger noch für den Rack-Einbau konzipiert (was schon 2012 nicht mehr wirklich in Mode war), so präsentiert sich der Leipzig v3 in einem sehr stabilen, metallenen Desktop-Gehäuse mit großzügigen Abmessungen. Alles hat ausreichend Platz und die im Vergleich zu vielen anderen heutigen Synths geradezu überdimensionierten Potis laden sofort zum Schrauben ein. Das Ein-Knopf-pro-Funktion-Prinzip ist beim Leipzig v3 so konsequent umgesetzt wie sonst kaum irgendwo. Und doch gibt es ein paar Dinge, die man nicht sieht – doch dazu später mehr.

Auf der Rückseite findet man MIDI In und Thru, einen Mono-Audioausgang sowie den Anschluss für das externe Netzteil und einen beleuchteten Power-Schalter. Zusätzlich bietet der Leipzig v3 einen Kopfhörerausgang im Miniklinkenformat, der auf dem Bedienfeld in der VCA-Sektion untergekommen ist.

Analogue Solutions Leipzig v3

Analogue Solutions Leipzig v3: puristisch und schnörkellos · Quelle: Gearnews (Lasse)

Klangerzeugung

Ein erster Blick auf die Bedienoberfläche verrät, dass die Struktur der Klangerzeugung im Wesentlichen gleich geblieben ist. Aber es gibt einige behutsame Anpassungen. Wie der Leipzig-S ist der Leipzig v3 recht simpel aufgebaut, was gleichzeitig eine der großen Stärken des Synthesizers ist. Zwei VCOs mit PWM und Sync, ein an VCO 1 gekoppelter Suboszillator, ein 24-dB-Tiefpassfilter im Moog-Stil sowie ein LFO und zwei Hüllkurven – das Rezept erinnert zum Beispiel an einfache Moogs wie den Prodigy, wobei der Leipzig deutlich mehr Modulationsmöglichkeiten bietet. Und es deutet schon darauf hin, wo die klanglichen Vorzüge des Leipzig liegen: in kraftvollen bis aggressiven, nicht übermäßig komplizierten Bässen, Leads und Arpeggios, bei denen der Synthesizer seine analoge Raubeinigkeit voll ausspielen kann.

Zu diesem etwas ungehobelten Charakter passt auch, dass das Resonanzpoti wie schon beim Leipzig-S ein gewöhnungsbedürftiges Verhalten zeigt. Was schon damals in einigen Testberichten angemerkt wurde, musste ich auch beim Leipzig v3 feststellen: Über etwa zwei Drittel des Regelwegs passiert so gut wie gar nichts, bevor die Resonanz dann plötzlich rapide und nur begrenzt kontrollierbar ansteigt. Besonders feinfühlig geht der neue Leipzig da also immer noch nicht vor, aber Zurückhaltung ist ohnehin nicht seine Stärke.

Zu den Änderungen gegenüber dem Vorgänger gehört zum Beispiel, dass die Schwingungsformen der Oszillatoren nun im Mixer per Schalter ausgewählt werden, statt mit einem Poti, das in beide Richtungen gedreht werden kann. Auch der zweite Suboszillator ist weggefallen, ebenso wie die Möglichkeit, VCO 2 statt zu VCO 1 zum LFO oder einem externen Signal zu synchronisieren. Beides ist in meinen Augen zu verschmerzen, aber es ist schon etwas merkwürdig, dass der Leipzig-S in dieser Hinsicht mehr konnte als das neue Modell.

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Ansonsten ist aber fast alles beim Alten geblieben. Der LFO bietet Dreieck- und Rechteckschwingungen und moduliert die beiden Oszillatoren und/oder die Filterfrequenz. VCO 1 kann auch durch VCO 2 moduliert werden (Crossmodulation); beim Filter lässt sich VCO 1 als Modulationsquelle einsetzen (Filter-FM). Die beiden ADSR-Hüllkurven sind vielseitig einsetzbar. Beide können den VCA steuern. ENV 1 kann sich zusätzlich auf das Filter, die Frequenz von VCO 1 und die Pulsbreite von VCO 2 auswirken. ENV 2 steuert auf Wunsch die Frequenz von VCO 2. Das sind viele Gelegenheiten, um aus der recht einfachen Struktur des Synthesizers überraschend vielseitige und interessante Klänge herauszuholen.

Patch-Buchsen

Die neuen Patch-Möglichkeiten sorgen für zusätzliche Flexibilität. Neben den neuen Features des Sequencers (dazu gleich mehr) sind sie der entscheidende Zugewinn beim Leipzig v3 gegenüber dem Vorgänger. Analogue Solutions war ein Eurorack-Modulhersteller der ersten Stunde und in der neuen Version versteht sich nun endlich auch der Leipzig v3 mit Modularsystemen. Gegenüber dem Leipzig-S, der überhaupt keine Möglichkeit zur Anbindung über CV/Gate bot, ist das ein großer Schritt nach vorne und macht den neuen Leipzig gerade in Verbindung mit einigen Eurorack-Modulen zu einer interessanten Ergänzung.

Fünf Eingänge und sechs Ausgänge sind im linken Bereich des Bedienfelds angeordnet. Inputs gibt es für die Gesamtstimmung, eine separate Frequenzmodulation von VCO 2 und den Filter-Cutoff; außerdem steht ein Eingang zum gleichzeitigen Auslösen beider Hüllkurven und ein Eingang zum Einspeisen eines externen Audiosignals oder zum Clocken des internen Sequencers bereit. Man sollte allerdings wissen, dass die Pitch-Eingänge nicht auf 1 V/Okt. kalibriert sind. Sie eignen sich also weniger zum externen Sequenzieren von Noten, sondern eher zur Einbindung weiterer LFOs und anderer Modulatoren.

Ausgangsseitig lassen sich das Synchronisationssignal des Sequencers, beide Schwingungsformen des LFOs und beide Envelopes abgreifen. Auch eine Buchse, die das CV-Signal des Sequencers ausgibt, steht zur Verfügung. Somit kann man den 8-Step-Sequencer des Leipzig zum Modulieren externer Ziele nutzen.

Gegenüber vielen semi-modularen Synthesizern (z. B. von Moog oder Behringer) sind die Patch-Möglichkeiten des Leipzig v3 immer noch vergleichsweise begrenzt. Aber der Synthesizer lässt sich nun deutlich besser mit anderen analogen Gerätschaften verknüpfen als der Vorgänger, bei dem jegliche CV-/Gate-Anbindung fehlte. Sehr schön!

Analogue Solutions Leipzig v3

Der 8-Step-Sequencer wurde um einen MIDI-Sequencer mit 16 Schritten ergänzt · Quelle: Gearnews (Lasse)

Sequencer

Auf den ersten Blick sieht die Sequencer-Abteilung des Leipzig v3 fast genauso aus wie die des Vorgängers. Dennoch schlummern hier die gravierendsten Veränderungen – und leider, wie ich finde, nicht nur zum Guten. Der Leipzig-S hatte einen simplen, einfach zu durchschauenden Modulations-Sequencer mit acht Steps. Er ließ sich von vielen verschiedenen Quellen triggern (u. a. auch von VCO 2) und eignete sich sogar als Klangquelle. Bei der neuen Version sind Teile davon erhalten geblieben, Teile wurden gestrichen und Neues ist hinzugekommen.

Was man auf dem Bedienfeld sieht, ist der achtschrittige Modulations-Sequencer, der im Wesentlichen wie beim Vorgänger funktioniert. Er wirkt auf VCO 1, VCO 2 und/oder das Filter, was durch drei Potis separat regelbar ist. Da VCO 2 sich einzeln ansprechen lässt, ist der Sequencer beispielsweise auch in Verbindung mit der Sync-Funktion oder der Crossmodulation ein Lieferant vieler interessanter Klänge. Allerdings hat Analogue Solutions die Möglichkeiten zum Triggern zusammengestrichen. Wahlweise hört der Sequencer auf den internen LFO, eingehende MIDI-Noten mit dem Wert 0 oder ein über die Buchse EXT SIG eingespeistes Signal. Mehrere Trigger-Varianten des Vorgängers sind aber weggefallen, darunter VCO2 und verschiedene MIDI-Optionen. Schade!

Neu hinzugekommen ist dafür die Funktion VCO 2 Rhythm, die man als eine Art Akzent verstehen kann. Sie kann nur mit der Rechteckschwingung von VCO 2 verwendet werden. Bei aktivierter Funktion kann man für VCO 2 einen Rhythmus programmieren. Der Oszillator spielt dann also nur auf den ausgewählten Steps, wodurch man in Verbindung mit VCO 1 Akzente setzen kann. Das sorgt für lebendige Patterns und ist eine schöne Idee.

Die wichtigste Neuerung ist jedoch auf dem Bedienfeld gar nicht zu sehen. Neben dem 8-Step-Sequencer verfügt der Leipzig v3 über einen zweiten (Noten-) Sequencer, der sich jeweils die 16 zuletzt gespielten MIDI-Noten merkt. Er läuft immer zusammen mit dem Modulations-Sequencer.

In der Praxis fand ich dies recht gewöhnungsbedürftig, zumal man den Noten-Sequencer nicht deaktivieren und die eingegebenen Noten nicht löschen kann. Die einzige Möglichkeit, ein neues Pattern einzugeben, ist es, über MIDI 16 neue Noten an den Synthesizer zu senden. Läuft der 8-Step-Sequencer, dann läuft auch der Noten-Sequencer und spielt fortlaufend sein Pattern ab. Möchte man den 8-Step-Sequencer auf dem Bedienfeld zum Sequenzieren von Noten nutzen, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als über MIDI 16 gleiche Noten in den Speicher des MIDI-Sequencers zu legen und ihn somit „gleichzuschalten“. Intuitiv ist das nicht.

Gedacht ist das wohl als Performance-Tool. Man kann das Pattern während der Wiedergabe durch Eingabe neuer Noten über ein MIDI-Keyboard verändern, was interessante, sich entwickelnde Muster entstehen lassen kann. Praktisch fand ich das dennoch nicht oder der Sinn der Sache hat sich mir nicht ganz erschlossen. Bestimmt hat Analogue Solutions sich bei dieser Lösung etwas gedacht und es mag für einige Einsatzbereiche sinnvoll sein. De facto ist es aber nicht mehr möglich, den 8-Step-Sequencer als separate Modulationsquelle zu nutzen, ohne dass dabei eine MIDI-Sequenz abläuft. In meinen Augen ist das nicht unbedingt ein Zugewinn, sondern in vielen Fällen eher störend.

Analogue Solutions Leipzig v3

Analogue Solutions Leipzig v3 · Quelle: Gearnews (Lasse)

Fazit

Der Analogue Solutions Leipzig v3 bleibt ein erfrischend direkter, ehrlicher Analogsynthesizer mit sehr durchsetzungsstarkem Sound, dessen klanglichen Qualitäten vor allem in etwas aggressiveren Gangarten zur Geltung kommen. Das stabile Desktop-Gehäuse passt besser in die heutige Zeit und die recht einfache Struktur und die üppig dimensionierten Knöpfe machen das Schrauben an Sounds zu einer intuitiven, inspirierenden Angelegenheit. Trotz seiner Geradlinigkeit bietet der in England handgefertigte Synthesizer dabei viele interessante Möglichkeiten, allen voran den integrierten 8-Step-Sequencer. Der neu hinzugekommene, „versteckte“ MIDI-Sequencer wirkt allerdings wie eine nicht ganz zu Ende gedachte Zugabe.

Den Analogue Solutions Leipzig v3 bekommt ihr hier bei Thomann.de (Affiliate) für 1179 Euro.

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