MIDI – ausgedient oder unterschätzt? Was die Hersteller und MIDI.org verschlafen
MIDI ist unwahrscheinlich alt für eine Schnittstelle. Auf der Musikmesse 1983 ließ sie zum ersten Mal den brandneuen SCI Prophet-600 mit dem Roland Jupiter-6 sprechen. Das Interface ist technisch auf dem Stand der seriellen Schnittstelle eines Commodore C-64. Welche Chancen hat die neue Zeit und wo schläft die MIDI Association?
14 Bit?
Wenn sich verschiedene Hersteller auf einen Standard einigen, ist das extrem selten. Nachdem die ersten Hersteller digitale Schnittstellen entwarfen, war MIDI ein echter Segen: endlich kann jeder mit jedem sprechen. MIDI wird heute aber auch häufig verflucht, es sei langsam oder könne nicht hoch auflösen. Das ist aber falsch, denn MIDI löst per Definition und Richtlinien von MIDI.org in 14 Bit auf, was einer Auflösung von 16834 Schritten entspricht. Damit lassen sich theoretisch auch genauso viele Parameter ansprechen. Allerdings muss dafür das Instrument 6 Bytes über die Schnittstelle schieben können, was aktuelle Microcontroller in den Synthesizern auch schaffen könnten. Schwer wird es ab einer gewissen Menge, z.B. wenn das System 16 Kanäle umfassen kann.
Die Erfassung von Tempo beispielsweise hat mit dem MIDI-Kanal nichts zu tun und gibt einfach nur in einem bestimmten Takt ein Signal aus. Fast so wie analoge Systeme auch. Das Nadelöhr ist dabei das MIDI-Kabel. Und verbinden muss man diese auch.
Die Lösung: USB. Das kann in zwei Richtungen kommunizieren, allerdings nur für Computer. Tastaturen und Controller, die noch 5-Pol-MIDI statt USB Typ A verwenden, sind schon Mangelware. Und das wird mit der fortschreitenden Einführung von USB-C mit Wendestecker noch mal kollidieren.
Trotzdem wurde mit MIDI eine Basis geschaffen, die heute kein Hersteller mehr alleine durchsetzen könnte und sicher auch nicht wird – Leider! Wer dafür eine Bestätigung sucht, muss einfach nur schauen, wie kompatibel ein Song aus DAW A in DAW B ist.
Versäumte Kaskaden
Probleme könnten moderne, rein computergestützte Anwendungen machen, die einen vorwiegend akademischen Hintergrund haben. Hier kann man ja durchaus mehr als 16k additive Wellen oder Granularwolken steuern. Die Adressierung ist mit NRPNs (kaskadierten Controllerwerten) nicht genormt. Es gibt es keine einzige DAW oder Hardware, in der man solche Kaskaden einzeichnen oder editieren kann. Sie bleiben also Handarbeit. Das ist ein reines Versäumnis der DAW- und Sequencer-Hersteller. Macht also bitte mal! MIDI ist auch noch da! Es gibt noch immer Noten!
Für tastenlose Musiker, insbesondere Bläser ist MIDI allerdings nicht geschaffen. Ihr Ton beginnt mit dem Anblasen, kann sich sehr langsam aufbauen und es entsteht eine Art flexible Kurve. Die hat natürlich keinen Anschlagweg, dafür aber eine anschwellende Lippenspannung oder Luftdruck, die Klänge erzeugen. Da fehlt MIDI einfach das Verständnis. Ebenso gibt es außer der chromatischen keine andere Möglichkeit, tonale Korrekturen oder andere Skalen abzufahren. Oder eine Reinstimmung innerhalb des System vorzunehmen. Der letzte Schrei ist MPE: Die Kontrolle über jede gespielte Stimme mit individueller und kontinuierlicher Tonhöhe. Das alles geht mit festgelegter Notennummer und Dynamik nicht gut und muss über MPE „gebrückt“ werden, um moderne, stufenlose Controller wie Haken Continuum sinnvoll zu machen. Hier ist die Auflösung oft zu knapp oder unnötig begrenzt.
MIDI HD über Wifi
Was es bereits gibt, ist die Nutzung von MIDI HD, welches ausschließlich über USB oder als Protokoll „getunnelt“ vorkommt. Beispielsweise über Ethernet und sogar wireless (WIFI, Bluetooth). Vermutlich werden wir bald so jammen, dass alle Instrumente in der Nähe einfach auftauchen: „Hallo, ein Mac, eine Groovebox, ein MS20 und ein DX7 sowie Diva und ein Airbus A310 stehen bereit, möchtest du loslegen?“ – alles ohne Kabel. Aber aktuell gibt es immer mehr flach gebaute Geräte mit MIDI, wo die riesigen DIN-Buchsen, die nur 3 Drahtverbindungen wirklich benötigen, auf 3.5mm Miniklinken umgeleitet werden. Hier hat MIDI.org keinerlei Norm, weshalb aktuelle Angebote komplett inkompatibel sind und man nicht irgendwo Adapter vom Massenhersteller kaufen kann. Arturias Beatstep-Kabel passt nicht an die MPCs von Akai und diese nicht an Korgs neue Electribes. Geht so etwas mal verloren, ist man wirklich aufgeschmissen. Am besten, man misst vorher nach und weiß, wie man lötet. Oder man hat entsprechend proprietäre Lösungen vom Hersteller als Ersatz im Schrank. Hier hinkt die MIDI Association nach, denn das ist ein klarer Fall fehlender Norm. Der Wunsch nach anderen Designs ist von Tablets und Computern bekannt, dort ist sogar die Audiobuchse schon zu „fett“. Liebe Hersteller – bitte gebt euch einen Ruck, das mal anzupacken.
Treiber werden vernachlässigt
Leider gibt es auch viel Halbwissen und Vermutungen, die MIDI in die Schuhe geschoben werden. Manchmal ist es auch eine Frage der Umsetzung oder andere kleine Dinge. Am Ende sind wir ja Musiker und wollen nur gut arbeiten können. Es gibt immer mehr Lösungen, die nur mit den Geräten von XY funktionieren. Und es sollte auch bei Treibern gewisse Mindestnormen geben, damit ein Hardware-Gerät auch in dem dritten Jahr nach dem OS-Update noch läuft und so in den Standardmodus gehen kann, bevor es gar nichts mehr kann. Das ist nämlich bei meinem V-Synth GT der Fall, der einfach nicht mehr über USB mit macOS Sierra reden will. Was soll das? Ich kaufe ja noch immer Synthesizer für viel Geld und für mindestens 20 Jahre Betrieb, vielleicht länger! Jetzt ist er nur noch ein MIDI-Synthesizer – zum Glück. Ohne diese Norm wäre er nur noch manuell spielbar. Herrjeh! Noch heute gibt es Hersteller, deren Geräte ohne Treiber gar nichts tun! Einige kann man wenigstens in den Compliance Mode bringen. So macht man das!
Also, Hersteller: Seid nachhaltig, denkt nicht immer nur an das nächste verkaufte Gerät und lasst eure Instrumente auch nach 10 Jahre noch wertig erscheinen. Danke!
Hier ist MIDI echt ein Segen. MIDI-Thru wegzulassen, um 2 Euro (oder viel weniger) für eine Buchse zu sparen ist allerdings eine Unart, die besonders für Sequencer und Grooveboxen ein unzulässiger Akt ist, der Jamming enorm verkompliziert.
Merge it!
Eine Lanze für MIDI zu brechen ist gar nicht so schwer: Es ist einfach und funktioniert. Es überfordert manchen Neuling etwas, dass an zwei Sequencern dessen Output nur an DESSEN MIDI-Out anliegt, die Clock über Thru weitergeht und die Sequenzen des ersten Mastergeräts enthält, nicht aber irgendetwas zusammengemischt wird. Hier braucht man MERGE-Boxen – in einer Zeit, in der Kabel bereits USB-MIDI-Interfaces sind und es auch in der Computerwelt Kabel mit Firmware gibt. Wo bleiben diese Lösungen? Es gibt sie, allerdings oft nur computergesteuert.
Turbo-MIDI
Stufigkeit und Tempo ließen sich durch eine Art Turbo-Modus seitens MIDI.org ebenfalls festlegen. Auch hier ist ein Gespräch nötig. Wenn das nicht passiert, gibt es bald vielleicht noch andere Stecker als Klinkenadapter und etwas überforderte MIDI-Verbindungen. Hoffentlich steigt Apple nie in das Geschäft ein. Die Anzahl der Kanäle zu erhöhen scheint fast nicht mehr nötig. Maximal zwei verschieden klingende Sounds sind heute möglich, vielleicht mal vier. Und das im Jahr 2017. Häufigste Antwort: Wir haben ja alle eine DAW. Und Sequencer? Die würden mit hohem Tempo mehr Kanäle, mehr Controllerdaten und höhere Auflösungen gut vertragen, besonders wo heute USB-C/3.1 schnell genug wäre.
Ein gutes MIDI für alle muss vor allem aber abwärtskompatibel sein und auch da hinkt es. Und wenn ich ehrlich bin: Ein CV/Gate-Signal aus einem uralten Roland MC4 hat gewissermaßen die kontraintuitivste Oberfläche der Welt. Jedoch sind diese Signale total in-time, was daran liegt, dass die analogen Signale „schneller“ bei der Klangerzeugung sind. Ein Controller muss oft erst den Weg über die interne Struktur und den Prozessor des Synths nehmen. Es ist also nicht perfekt und könnte ohne totale Revolution einige Normen vertragen. Würde es ein Speed-Bit erhalten, dann wäre es in der Lage, Parameternamen und einen Teil der Struktur der Synthese oder/und des Sequencer-Klangerzeuger-Controller-Verbundes zu verstehen und somit neuartige OLED-Anzeigen wissen lassen, was wo läuft. Das wäre doch mal was!
MIDI vs. MIDI
Die MINI-Lösung wird und ist die Vernormung des MIDI-Protokolls auf höherer Ebene, wo MIDI HD einen etwas zu freiwilligen Schritt darstellt. Da muss mehr Druck rein und es muss eine extrem kleine, nicht wackelige (also eher nicht USB A/B) und bidirektionale Verbindung herstellen. Vielleicht wird es schon vorher die Luft (wireless) werden? Und wir müssen uns 3 Adapter kaufen für jeden Synth, bis er funktioniert, weil das Ding mal wieder nicht passt? Dafür gibt es Normen.
Also: Hersteller und MIDI.org könnten etwas tun – ob es MIDI 2 mal geben wird oder sollte? Wie siehst du das – bist du zufrieden?
Ich bin froh, dass es zumindest MIDI gibt. Aber es braucht ein für alle verbindliches Update und nicht so einen laschen Versuch wie MIDI HD. Meldet euch bei euren Herstellern, sagt, dass ihr das wollt! Angeblich arbeitet Roland an einer 14-Bit-High-Speed-Schnittstelle. Also faktisch wie MIDI, nur ist es dann etwas einfacher und schneller – so etwas gab’s bei Elektron auch (Turbo MIDI) und sogar bei MFB gibt es MBUS, den schnelleren MIDI-Bus. Nichts davon wird genug Power für die Weltherrschaft haben, aber zusammen könntet ihr es schaffen. Oder wir, wenn wir Geräte nicht kaufen, die analoge Trigger-Eingänge vergessen, MIDI schlampig implementieren und niedrige Auflösungen fahren, und DAW-Hersteller boykottieren, bei denen man keine 16384 Schritte einzeichnen kann. Es gibt schon seit 2001 den Alesis Andromeda, der diese Daten versteht und sendet. Aber die Hersteller macht nichts!
Und bevor zu schreist – blame the right one! Arturia kann nichts dafür, dass die MIDI-DIN auf Miniklinken-Kabel nicht genormt sind.
Eine Antwort zu “MIDI – ausgedient oder unterschätzt? Was die Hersteller und MIDI.org verschlafen”
Man könnte ein „neues“ Midi theoretisch mit drei Adern und einem Mini-Klinkenstecker realisieren. Mit einem digitalen Protokoll. Anstatt Channels könnte es IDs geben, beliebig viele. Die Geräte könnten einfach in Serie geschaltet werden. Die Kommunikation wäre bi-directional, also nur ein Kabel für zwei Richtungen. Das wäre mal was :) Und bestimmt auch gar nicht so teuer zu entwickeln, heutzutage. Kann das Behringer nicht einmal angehen?