Synthesizer-Klassiker: KORG DW-8000
Hybridsynthesizer mit DWGS-Waves
Zwischen den großen Polysynth-Legenden der 1980er wird der KORG DW-8000 oft vergessen. Zu Unrecht, denn der hybride Synthesizer hat einen unverwechselbaren Klang. Hier ist seine Geschichte.
KORG DW-8000
KORG DW-8000
Die 80er sind bekanntlich nicht arm an Synthesizer-Legenden – vom Roland Jupiter-8 und der Juno-Serie über die Oberheim-Boliden bis zum Yamaha DX7. Doch dazwischen gab es auch eine Menge Synthesizer, denen der große Ruhm verwehrt blieb. Und das nicht unbedingt, weil sie nicht gut klangen oder keine interessanten Features boten, sondern weil sie vielleicht einfach zur falschen Zeit erschienen oder sich gegenüber anderen spannenden Neuerscheinungen nicht im Rampenlicht behaupten konnten. Nicht jeder Synthesizer kann aus dem Stand ein Riesenhit werden.
Der 1985 erschienene KORG DW-8000 ist so ein Fall. Mit acht Stimmen, einer für die damalige Zeit neuartigen hybriden Struktur, Aftertouch und integrierten Effekten hatte er eigentlich alle Zutaten zum Erfolg. Da er digitale Schwingungsformen verwendete, konnte er außerdem bemerkenswert „realistische“ Sounds wie Orgeln liefern, was damals als erstrebenswert galt. Traditionelle Synthesizer-Sounds gehören aber ebenso zu seinem Repertoire.
Auch wurde der DW-8000 von zahlreichen Größen jener Zeit verwendet, darunter Keith Emerson, Rick Wakeman, Tony Kaye, Klaus Schulze und Depeche Mode, die den Synthesizer im Jahr 1986 auf der Black Celebration Tour einsetzten.
Und doch verblasst der DW-8000 heute etwas neben seinen Zeitgenossen – zu Unrecht! Was ihn ausmacht und warum er auch heute noch Spaß macht, klären wir in diesem Artikel.
KORG in den 1980ern
Um den DW-8000 zu verstehen, muss man sich das Marktumfeld zum Zeitpunkt seines Erscheinens vor Augen führen. Anfang des Jahrzehnts hatte KORG zwar mit dem Polysix (1981) und Poly-800 (dem ersten polyphonen Synthesizer unter 1000 Dollar) einige Erfolge gefeiert. Trotzdem ging es dem Hersteller finanziell nicht besonders gut. Seit Yamaha mit dem DX7 die Synthesizerwelt gründlich umgekrempelt hatte, war nichts mehr wie zuvor. Analogsynthesizer waren abgemeldet und alle versuchten sich auf der Jagd nach dem nächsten digitalen Riesenhit zu überbieten.
Das sollte KORG erst später vergönnt sein, nämlich mit der M1. Auf dem Weg dorthin experimentierte der Hersteller mit verschiedenen digitalen Konzepten, von Sampling (DSS-1, DSM-1) bis FM (DS-8, 707). Bei Letzteren profitierte der Hersteller von seiner langjährigen Verbindung zu Yamaha.
Außerdem experimentierte KORG mit hybriden Synthesizern, die digitale und analoge Elemente miteinander verbanden. Die Idee war nicht neu – schon der PPG Wave von Wolfgang Palm hatte bekanntlich auf eine Kombination aus digitalen Oszillatoren und analogen Filtern und VCAs gesetzt. Das erste Ergebnis dieser Experimente bei KORG war der DW-6000, ein sechsstimmiger Synthesizer, dessen Oszillatoren acht verschiedene digitale Schwingungsformen liefern konnten.
Kurz danach folgte dann der DW-8000, der die Stimmenzahl auf acht erhöhte, doppelt so viele Schwingungsformen bot, über Velocity und Aftertouch verfügte und den analogen Chorus des Vorgängers durch ein digitales Delay ersetzte. Letzteres war meines Wissens ein Novum für einen Synthesizer.
Die Kombination aller dieser Elemente ergibt einen Synthesizer, der wie kein anderer klingt. Werfen wir einen genaueren Blick auf seine Klangerzeugung.
KORG DW-8000: DWGS-Oszillatoren
Wenn du einen aktuellen Synthesizer von KORG besitzt, ist dir die Abkürzung DWGS vielleicht schon begegnet. Sie steht für „Digital Waveform Generator System“. Dahinter verbergen sich digitale Schwingungsformen, die mittels eines additiven Synthesesystems erstellt und dann gesampelt wurden. Für jede Schwingungsform ist nur ein einziger Zyklus gespeichert (sogenannte Single-Cycle-Waveforms), wodurch sich der benötigte Speicherplatz auf ein Minimum begrenzen ließ.
Die Obertonspektren der DWGS-Waves reichen von Grundschwingungsformen wie Sinus und Sägezahn bis hin zu akustischen Klängen wie Piano, Violine und Blasinstrumenten. Für jede Oktave der Tastatur steht eine eigene Variante zur Verfügung – schließlich klingt ein Klavier im Bassbereich auch anders als im Diskant.
16 solcher DWGS-Waves bilden das klangliche Rückgrat des DW-8000 (siehe Bild). Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass das keine Samples akustischer Instrumente sind, sondern additiv erzeugte Nachbildungen davon. Auch sind DWGS-Waves etwas ganz anderes als Wavetables – eben ganz kurze Schnipsel eines Sounds mit nur einem einzigen Schwingungszyklus. Und nur weil man zum Beispiel die Wave „Acoustic Piano“ auswählt, entsteht nicht zwangsläufig ein Klaviersound, sondern eben das, was man mit dem Rest der Klangerzeugung aus diesem Ausgangsmaterial macht.
Wie andere samplebasierte Instrumente der 1980er ist der DW-8000 nicht frei von Aliasing, besonders in den hohen Lagen. Heute gehört das aber fast zu seinem ganz besonderen Charme.
Da pro Stimme zwei Oszillatoren zur Verfügung stehen, kann man interessante Kombinationen aus zwei DWGS-Waves erstellen. Sägezahn und Saxophon? Warum nicht? E-Piano und Bass? Kein Problem! So entstehen einzigartige Sounds – erst Recht, wenn man die Oszillatoren gegeneinander verstimmt.
Filter, VCA und Hüllkurven
Nach den Oszillatoren wird das Signal von digital nach analog gewandelt und durchläuft ein analoges Tiefpassfilter mit 24 dB/Oct Flankensteilheit. Der DW-8000 nutzt KORGs NJM2069-Filter, das auch im Poly-800 und verschienenen anderen Synthesizern des Herstellers aus jener Zeit seinen Dienst verrichtet. Es klingt warm und musikalisch und trägt einen wichtigen Teil zum Sound des Synthesizers bei.
Der VCA ist ebenfalls analog, die Hüllkurvengeneratoren allerdings nicht. Ähnlich wie der Casio CZ-101 bietet der DW-8000 digitale Hüllkurven mit mehreren Break-Punkten. Die ADBSSR-Hüllkurven verfügen über die Phasen Attack, Decay, Break Point, Slope, Sustain und Release, wodurch deutlich komplexere Verläufe möglich sind als mit typischen ADSR-Varianten.
Ein weiteres interessantes Feature des KORG DW-8000 ist der Auto-Bend-Parameter. Dahinter verbirgt sich im Grunde eine Pitch-Hüllkurve für Portamento und andere Pitch-Effekte, die mit dem Anschlag einer Taste beginnen. Bei extremen Einstellungen lassen sich damit ungewöhnliche Resultate erzielen – vor allem, wenn man die Funktion nur einem der beiden Oszillatoren zuweist.
Digitales Delay
Zur Abrundung bietet der KORG DW-8000 das erwähnte digitale Delay mit einer maximalen Delay-Zeit von 500 ms. Da es sich modulieren lässt, kann es auch Chorus-, Flanger- oder Ensemble-artige Klänge hervorbringen.
Auch einen einfachen, aber effektiven Arpeggiator hat KORG dem DW-8000 spendiert. Er lässt sich zur MIDI-Clock synchronisieren.
Der DW-8000-Sound heute
Anders als die Junos, Jupiters und Prophets, die ihm den Weg geebnet hatten, gehört der DW-8000 bisher nicht zu den bevorzugten Klonobjekten der einschlägigen Hardware- und Software-Entwickler von heute. Wer auf der Suche nach genau dem Sound des DW-8000 ist, dem bleibt auch heute kaum etwas anderes übrig, als in ein Original aus den 80ern zu investieren. Trotzdem gibt es einige Optionen, sich dem Sound mit heutigen Mitteln zu nähern.
Zum Beispiel gibt es eine sehr gute Emulation von Full Bucket Music – den FB-7999 –, die sogar kostenlos ist. Der Software-Synthesizer bietet eine auf 64 Stimmen erweiterte Polyphonie und kann sogar Presets des Originals importieren. Das ist schwer zu schlagen.
Wer nichts gegen Samples hat, findet eine samplebasierte Nachbildung des KORG DW-8000 in Syntronik 2 von IK Multimedia.
Und nicht zuletzt weiß auch KORG um den unverwechselbaren Sound der DWGS-Waves, weshalb man sie in vielen aktuellen Instrumenten des Herstellers wiederfindet, zum Beispiel im KingKORG Neo, microKORG und modwave. Auch für die logue-Serie (Minilogue XD, Prologue, NTS-1) gibt es sie. Obwohl der Rest der Klangerzeugung natürlich anders aufgebaut ist, lassen sich mit diesen Synthesizern DW-ähnliche Klänge erstellen.
Mehr Informationen
Videos zum DW-8000
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Hinweis: Die Idee zu diesem Artikel stammt von Adam Douglas auf gearnews.com.