von Jan Rotring | Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Amp oder Gitarre: Was macht den Sound aus?

Amp oder Gitarre: Was macht den Sound aus?  ·  Quelle: RichardBakerFrance / Alamy Stock Foto

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Wir alle sind Suchende auf dem Weg zum perfekten, ultimativen Sound. Doch die Einflüsse, die auf unser Signal einprasseln, sind beinahe unendlich: Die Stromversorgung streut ein. Die Kabel haben einen zu geringen Querschnitt. Die Effektpedale haben zu wenig True-Bypass. Und dann ist da auch noch die Frage, was den Sound maßgeblicher beeinflusst: Der Amp oder doch die Gitarre. Also: Was ist wichtiger: Amp oder Gitarre?

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Der Verstärker – Die wahre Stimme des Sounds?

Der Verstärker verleiht unserem Spiel die Stimme, da ist doch klar, dass der größere Einfluss bei ihm liegt. Oder? Ohne Verstärker käme aus der besten E-Gitarre kaum mehr als ein leises Flüstern, ihr Potenzial bliebe weitgehend ungenutzt. Na gut, optisch machen sie schon auch immer was her… Rein technisch nimmer der Amp das elektrische Signal der Gitarre auf und formt es zu dem Klang, den wir so lieben und der etliche Genres definiert hat.

Die Bedeutung des Verstärkers liegt in seiner Fähigkeit, den Klang maßgeblich zu beeinflussen. Unterschiedliche Verstärkertypen – Röhren, Transistoren oder digitale Modeling-Amps – bieten eine Vielzahl von Klangcharakteristiken. Röhrenverstärker sind bekannt für ihren warmen, dynamischen Sound und ihre natürliche Verzerrung bei höheren Lautstärken. Transistorverstärker bieten Klarheit und Präzision, während Modeling-Amps die Sounds verschiedener klassischer Verstärker digital reproduzieren können und eine schier unerschöpfliche Menge an Sounds und Stilrichtungen kreieren können.

Einstellungen wie Gain, Equalizer und zahlreiche integrierte Effekte ermöglichen es, den Klang individuell anzupassen und zu formen. So kann derselbe Akkord, gespielt über verschiedene Verstärker, völlig unterschiedlich klingen – von sanft und clean bis hin zu aggressiv und verzerrt.

Objektiv betrachtet ist damit der Verstärker entscheidend für den endgültigen Sound einer E-Gitarre und wir könnten die Diskussion an dieser Stelle beenden. Denn selbst eine herausragende Gitarre kann an einem minderwertigen Verstärker flach und uninspiriert klingen. Umgekehrt kann ein hochwertiger Amp selbst einer simplen Einsteigergitarre zu beeindruckendem Klang verhelfen.

Doch wer will schon objektiv auf Dinge wie Musik schauen? Die Betrachtung von Amp oder Gitarre ist zu einem großen Teil nämlich genau das nicht. Subjektivität ist unser Metier. 

Die Gitarre – Das Herzstück oder nur ein Stück Holz?

Gitarre oder Amp? Gitarre!
Gitarre oder Amp? Gitarre! · Quelle: Shaun Daley / Alamy Stock Foto
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Die Gitarre ist weit mehr als nur ein Stück Holz mit Saiten. Sie ist das Herzstück unseres musikalischen Ausdrucks, die direkte Verbindung zwischen unseren Emotionen, unseren Fingern und dem Klang, den wir erzeugen. Und jede Gitarre hat ihre ganze eigene Persönlichkeit, geprägt durch ihre Bauweise, die verwendeten Holzarten und die eingebauten Pickups.

Wir hatten schon berichtet: Die Wahl des Holzes beeinflusst nicht nur das Gewicht und die Ästhetik, sondern auch die Klangfarbe und den Charakter eines Instruments. Mahagoni verleiht dem Ton Wärme und Tiefe, während Esche für Klarheit und Brillanz sorgt. Die Bauweise – ob Solidbody, Semi-Hollow oder gar komplette Hollowbody-Konstruktionen – bestimmt, wie die Gitarre schwingt und resoniert. Die Tonabnehmer fungieren dann als Herz der Elektronik und fangen die Schwingungen der Saiten ein, um sie in elektrische Signale zu verwandeln.

Die Gitarre als Verbindung zur Musik

Doch jenseits der schnöden technischen Aspekte ist es die psychologische Bindung zur Gitarre, die sie so unverzichtbar macht: Wir geben unseren Gitarren Namen, personalisieren sie mit allerhand guten oder weniger guten Artworks. Wir spendieren besondere Gurte und verbringen unzählige Stunden damit, sie zu pflegen. Jede Delle und jeder Kratzer erzählt eine Geschichte, erinnert an vergangene Gigs oder intensive Proben — manch einer liebt die „Patina“, manch einer hasst sie. Und manch einer sorgt sogar durch künstliches Aging für den Used-Look.

Diese emotionale Verbindung beeinflusst auch unser Spiel. Mit einer Gitarre, die ich liebe, fühle ich mich inspiriert und motiviert, neue Riffs zu kreieren oder auch mal das ein oder andere Solo zu meistern. Meine liebste Paula liegt perfekt in der Hand und ich kenne alle Kratzer und Macken wie meinen Handrücken. Sie reagiert auf die kleinste Nuance und wird so zur Verlängerung meiner Selbst. Psychologisch gesehen verleiht uns dieses Vertrauen in unser Instrument Selbstsicherheit und fördert unsere Kreativität.

In der Debatte um den Einfluss von Amp oder Gitarre auf den Sound steht für mich die Gitarre klar im Vordergrund. Sie ist nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Ausdruck unserer Identität als Musiker. Während ein Amp den Ton verstärkt und färbt, ist es die Gitarre, die unseren individuellen Sound prägt und uns erlaubt, unsere musikalische Vision zum Leben zu erwecken.

Das Zusammenspiel – Symbiose von Gitarre UND Amp

Amp oder Gitarre: Die richtige Kombination finden
Amp oder Gitarre: Die richtige Kombination finden · Quelle: Philippe Gras / Alamy Stock Foto

Klar, es sollte nicht Amp oder Gitarre heißen. Mit der oben angerissenen Betrachtung wird klar, dass die wahre Magie oft im Zusammenspiel beider Komponenten entsteht. Bestimmte Kombinationen von Gitarren und Amps haben nicht nur einzigartige Klänge hervorgebracht, sondern auch ganze Musikstile geprägt und definiert. Grund genug, da mal genau hinzuschauen. Hier kommen die Evergreens:

Amp oder Gitarre? Beides. Klassische Kombinationen, die stilprägend waren

Fender Stratocaster + Marshall Verstärker

  • Gitarrist: Jimi Hendrix
  • Stil: Psychedelic Rock, Blues Rock
  • Beschreibung: Die Fender Stratocaster mit ihren klaren Single-Coil-Pickups liefert einen brillanten Klang, der durch den warmen und kraftvollen Sound des Marshall-Amps ergänzt wird. Diese Kombination ermöglichte Hendrix seine revolutionären Klangeffekte und Feedback-Experimente.
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Marshall 1959 HW
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Fender Jimi Hendrix Strat OWH
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Gibson Les Paul + Marshall Plexi

  • Gitarrist: Jimmy Page (Led Zeppelin)
  • Stil: Hard Rock, Blues Rock
  • Beschreibung: Die warme, volle Klangfarbe der Les Paul harmoniert perfekt mit dem satten Overdrive des Marshall Plexi. Dieses Setup war entscheidend für den schweren, aber dennoch differenzierten Sound von Led Zeppelin. Wall of Sound, anyone?
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Gibson Les Paul Custom EB GH
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Fender Telecaster + Fender Twin Reverb

  • Gitarrist: Keith Richards (The Rolling Stones)
  • Stil: Rock ’n‘ Roll, Blues
  • Beschreibung: Die Telecaster bietet einen knackigen, twangigen Ton, der durch den klaren und glitzernden Sound des Twin Reverb verstärkt wird. Diese Kombination ist ideal für rhythmusorientiertes Spiel und hat den klassischen Stones-Sound geprägt. Und das ich auf Keith Richards Gitarren stehe, habe ich ja schon geschrieben …
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Fender AV II 51 TELE MN BTB
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Fender 68 Custom Twin Reverb
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Gibson SG + Marshall JTM Full-Stack(s)

  • Gitarrist: Angus Young (AC/DC)
  • Stil: Hard Rock
  • Beschreibung: Die SG, bekannt für ihren bissigen Ton und ihre leichte Bauweise, kombiniert mit dem aggressiven und lauten Marshall Stack, ergibt den rauen und energiegeladenen Sound, der AC/DC auszeichnet.
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Gibson SG 61 Standard VC
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Marshall JTM45/2245
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Rickenbacker 360/12 + Vox AC30

  • Band: The BeatlesThe Byrds
  • Stil: Jangle Pop, Rock
  • Beschreibung: Die 12-saitige Rickenbacker erzeugt einen schimmernden, chorartigen Klang, der durch den warmen und harmonisch reichen Vox AC30 verstärkt wird. Diese Kombination war wegweisend für den Sound der britischen Invasion und des Folk-Rock.
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Rickenbacker 360/12 FG
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Vox AC30 C2
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PRS Custom 24 + Mesa/Boogie Mark Series

  • Gitarrist: Carlos Santana
  • Stil: Latin Rock, Fusion
  • Beschreibung: Die Vielseitigkeit und der sustainreiche Ton der PRS, gepaart mit dem dichten und satten Overdrive des Mesa/Boogie, ermöglichen Santanas charakteristischen, singenden Lead-Sound. Wenn wir auch Mesa/Boogie Amps heute vielfach mit härteren Genres in Verbindung bringen.
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Mesa Boogie Mark Five: 35 1x12 Combo
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Diese, zugegeben sehr bekannten, Beispiele illustrieren, wie entscheidend die richtige Paarung von Gitarre und Verstärker für den endgültigen Klang ist. Jede Kombination bringt ihre eigenen Nuancen mit sich und kann den Unterschied zwischen einem guten und einem ikonischen Sound ausmachen.

Das Experimentieren mit verschiedenen Setups ermöglicht es Gitarristen, ihren individuellen Stil zu finden und vielleicht sogar einen neuen Trend zu setzen. Während manche Kombinationen als (zu) klassisch gelten, können unkonventionelle Paarungen zu überraschenden und innovativen Klangerlebnissen führen … Ich bin gespannt auf eure Settings in den Kommentaren!

Amp oder Gitarre? Mein Fazit

Amp oder Gitarre? Amp!
Amp oder Gitarre? Amp! · Quelle: PA Images / Alamy Stock Foto

Nach all den Überlegungen stellt sich die Frage: Was ist nun wichtiger – Amp oder Gitarre? Meine feste Überzeugung ist, dass der Verstärker den entscheidenderen Einfluss auf den Klang hat. Er ist das Herzstück, das den Ton formt, färbt und projiziert. Ein großartiger Amp kann das Potenzial einer Gitarre voll ausschöpfen und sogar einer durchschnittlichen Gitarre zu beeindruckendem Sound verhelfen. Objektiv betrachtet, ist der Amp der Schlüssel zur Klangvielfalt und Dynamik, die wir als Gitarristen anstreben.

Sprechen wir aber über Musik, fällt das Urteil schon anders aus. Die psychologische, emotionale Bindung, die ich mit einer Gitarre aufbaue, beeinflusst mein Spiel weitaus mehr, als es ein Verstärker je getan hat. Daher beeinflusst meine Gitarre mein Spiel (und damit meinen Sound) am Ende doch erheblich. Es ist ein klassisches Patt. 

Wahrscheinlich wird es nie endgültiges Ergebnis geben – und das ist auch gut so. Letztendlich ist das eine, Amp oder Gitarre, ohne das andere nichts. Wie gut, dass von beidem reichlich vorhanden ist …

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8 Antworten zu “Amp oder Gitarre: Wer macht den Sound?”

    Stefan Hock sagt:
    0

    mein Credo von Früher war immer: Fender through Marshall and Gibson through Fender! Aber, wie immer: anything goes!!

    J.Backes sagt:
    10

    Hallo! Der SPEAKER macht zu 90% den Sound!!! Der Verstärker viel weniger als hier behauptet. Guckt euch mal den Glen bei Spectresoundstudion auf youtube an. Der kann das sogar beweisen und nicht nur behaupten!!! Gruß Jörg

      Dude im internet sagt:
      4

      danke, wollt ich auch grad meckern :D speaker wird grundsätzlich übersehen, wandelt aber letzlich das elektrische signal wieder in ein akkustisches um und färbt den klang weit mehr als amp oder gitarre (oder gar pickups, a gesehen von single coil oder humbucker gibts hier keine drastischen und messbaren unterschiede in den frequenzen)

        Lötkolben sagt:
        0

        Dude & J.B!ackes treffen den Nagel auf den Kopf – war beim Lesen des Artikels erstaunt, dass das Lautsprecherchassis als deutlich klangformendes Element in der Kette nicht genannt wird!
        Wenn man sich die verschiedenen Frequenzgänge einzelner Gitarren-Lautsprecher ansieht, versteht man sehr schnell, dass jeder seine eigene Charakteristik besitzt und diese auch noch in (s)einem Gehäuse ‚mitgeformt‘ wird: in einem hinten offenen Combo klingt ein Speaker auch nochmals anders als in einer 4×12“er Box.
        Dieses somit deutlich den Klang beeinflussende Element kann nicht unberücksichtigt bleiben – zumal Lautsprecherhersteller auch unterschiedliche Chassis herstellen, die für das eine oder das andere Genre prädestiniert werden!

    Matthias K. sagt:
    4

    Am wichtigsten für den Sound bei High-Gain ist natürlich das Tonholz.
    Auch die Farbe des Griffbretts ist sehr wichtig – je dunkler das Holz, desto heavier der Sound. 🙏

    Tom sagt:
    0

    Auch der Holzton vom Tonholz macht viel mit dem Ton der Gitarre, aber nur wenn man mit den Fingern ohne Plektrum zupft und nicht zu fest die Saiten rupft. Vom Tonholz her find ich Pappel gut, aber nur wenn man Gain am Amp auf 10 stellen tut.

    Eric Neufeld sagt:
    0

    Der Gitarrist hat den größten Einfluss. Mit Technik kann man sehr viel bewirken (z.b state variable filter in der klampfe, Impulsantwort des Speakers und Amp Simulation, Transient Design,…)… aber einen Einfluss ob der Gitarrist geübt hat, hat man nicht. Und am Ende schiebt der Tonmann das Signal dahin wo er es braucht und sucht die Mikrofone aus etc.

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