Axel Hartmann: Interview mit dem legendären Synthesizer-Designer
Wie kann ein Mann allein so viele grandiose Synthesizer-Designs entwickeln? Wir stellen vor: Axel Hartmann.
Auch wenn Axel Hartmann vielleicht nicht den „Fame“ eines Boob Moog mitbringt: In der Synthesizer-Branche ist Hartmann einer der wichtigsten Designer. Fragt man Branchenkenner, wird klar, wie wichtig. Also mussten wir Hartmann über seinen Schaffensprozess und der Suche nach Inspiration interviewen. Auch wollten wir wissen, für wen Axel unbedingt noch einen Synthesizer entwerfen möchte. Ein Tipp: Es sind Skandinavier …
Unser großes Interview mit Axel Hartmann
Axel Hartmann: Designs für Waldorf, Alesis, Roland und Arturia
Machen wir zum Einstieg einen kleinen Versuch. Schließt die Augen und denkt an euren Lieblingssynthesizer aus den letzten 30 Jahren. Vergleicht man nun sein Ergebnis mit der Liste der Instrumente, die Axel Hartmann entworfen hat, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass er am Industriedesign – dem Look and Feel – eures Lieblingssynths mitgearbeitet hat.
Es ist fast schockierend, an wie vielen Synthesizerns Hartmann mitgewirkt hat. Von seinen Anfängen bei Waldorf mit Instrumenten wie dem Wave und dem Q, über den Alesis Andromeda und den Roland Fantom (2019), hin zu einer engen Zusammenarbeit mit Arturia, aus der die Brute-Linie, der MiniFreak und das AstroLab hervorgegangen sind und zu esoterischeren Instrumenten wie dem Stylophone Theremin – Hartmanns Vita liest sich wie die ultimative GAS-Liste. Und dann wäre da natürlich noch sein eigener Synthesizer, der Hartmann Neuron – ein inspirierender und bahnbrechender Synthesizer.
Kürzlich haben wir Axel Hartmann getroffen, um mit ihm über das Design von Musikinstrumenten und Plugins zu sprechen (ja, auch das macht er).
Axel Hartmann: Look and Feel bei Synthesizern
Gearnews: Ab welchem Punkt in der Entwicklung eines Synthesizers werden Sie involviert?
Axel Hartmann: Idealerweise werden wir zu einem Zeitpunkt in ein Projekt hinzugezogen, an dem die grundlegenden Spezifikationen eines zukünftigen Produkts bereits feststehen. So können wir das Design schon von Anfang an perfekt an das Produkt anzupassen. Natürlich ist das nicht immer der Fall. Wir wurden auch schon einige Male zu einem späteren Zeitpunkt angefragt. Wir konnten bei einigen Projekten auch schon bei der Ausarbeitung der Spezifikationen mitwirken, d. h. wir sitzen bereits in der Konzeptionsphase zusammen mit dem Produktteam des Herstellers.
Gearnews: Welches ist Ihr Lieblings-Synthesizer-Design?
Axel Hartmann: Es gibt mittlerweile einige Lieblingsprojekte und es wäre etwas unfair eines herauszupicken. Jedes Design bringt seine ganz eigene und für mich als Industriedesigner und Musiker immer wieder interessante Anforderungsstruktur mit sich. Es war jedoch schon eine ganz besondere Erfahrung und eine Ehre für mich, an dem letzten Synthesizer zu arbeiten, den Bob Moog selbst kurz vor seinem traurigen und viel zu frühen Tod im Jahr 2005 entwickelt hat, dem Little Phatty. Dieser hat für mich das Erbe der Marke Moog nach auf eine sehr ehrliche Weise in die Moderne transportiert. Was für mich fundamental am ikonischen Aussehen des Synthesizers liegt.
GN: Welchen Synthesizer, den Sie nicht entworfen haben, hätten Sie gerne entworfen?
AH: Ich würde sehr gerne einen Synthesizer für Hans Nordelius/Nord entwerfen, weil ich deren Produkte sehr schätze und sie auch selbst als Keyboarder verwende. Ich denke auch, dass wir mit unserer Erfahrung und unseren Fähigkeiten vielleicht sogar einen guten Beitrag zur Ästhetik der Clavia-Produkte leisten könnten. Ich habe aber schon einige Male angefragt, aber Hans bleibt – natürlich auf sehr freundliche Art – hart. Er hat mir immer wieder deutlich gemacht, dass er an einer Zusammenarbeit deswegen nicht interessiert ist, weil er dann viel mehr Instrumente verkaufen (und bauen) müsste (*lacht).
Aus ästhetischer Sicht bewundere ich – wie vielleicht viele meiner Kollegen – die Produkte von Teenage Engineering, die in den winzigsten Details ihres Industriedesigns einfach nur genial sind. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn es ein neues TE-Produkt zu entdecken gibt. Die Detailtiefe in allen relevanten Bereichen der Produktentwicklung ist einfach unübertroffen – nein, mehr als das – es ist fast unverschämt! Auf jeden Fall ist es große Klasse!
Wandel im Synthesizer-Design
GN: Wie hat sich das Synthesizer-Design im Laufe der Jahre verändert?
AH: Was sich in meiner persönlichen Wahrnehmung im Laufe der Jahre verändert hat, ist die Tatsache, dass heutzutage auch kleinere Hersteller erfolgreich großartige Instrumente oder Effekte entwerfen und vermarkten können. Selbst sogenannte Ein-Mann-Shows können äußerst interessante elektronische Instrumente entwickeln und diese dann über neue Kanäle auf den Markt bringen. Die traditionellen Marketingstrukturen in der Synthesizerindustrie haben sich in den vergangenen Jahrzehnten durch das Internet rasant verändert. Hinzu kommen neue Möglichkeiten wie das Crowdfunding über Plattformen wie Kickstarter.
Und so können plötzlich auch kleinere Firmen revolutionäre neue Produkte zu entwickeln – und uns immer wieder auch mit dem Design beauftragen, zum Beispiel UDO, Supercritical oder Schmidt. Durch modernere Produktionstechniken können Synthesizer auch in kleineren Auflagen professionell und gut gestaltet produziert werden. Es ist, meiner bescheidenen Meinung nach, eine fantastische Zeit für kreative Entwickler!
Axel Hartmann: Plugins vs. Hardware
GN: Du hast auch Designs für Plugins, wie z. B. Waldorf Nave und Antares Autotune, entworfen. Wie unterscheidet sich das Design für ein Plugin gegenüber dem für Hardware?
AH: Zunächst erscheint ein Plugin als zweidimensionale Grafik auf einem Bildschirm. Die Plugin-Szene hat sich parallel zu den Möglichkeiten der computergestützten Musikproduktion so weit entwickelt, dass sie heute in vielerlei Hinsicht im Vergleich zu Hardware das Werkzeug der Wahl ist, insbesondere im professionellen Bereich. Software-Instrumente sind mittlerweile weit mehr als die reine Emulation klassischer Instrumente oder Effektgeräte in der Welt der DAWs. Sieht man von „reinen Hardware-Nachbildungen“ ab, können Plugins äußerst kreative Instrumente sein, deren Klang- und Soundesign-Möglichkeiten weit über das hinausgehen, was Hardware jemals bieten kann. Und das drückt sich natürlich auch in der Benutzeroberfläche aus.
Wenn ich ein Hardware-Instrument entwerfe, geht es hauptsächlich um Aspekte wie Ergonomie, Herstellbarkeit, Produktionskosten usw., die in den meisten Fällen bereits vorgeben, wohin die Reise geht. Bei Software-Instrumenten ist das eine ganz andere Nummer. Es sind „nur“ (hoffentlich) attraktive und inspirierende Bilder, die wir entwickeln, die den Benutzer bei der Arbeit mit dem Tool idealerweise ergonomisch unterstützen, ihm vor allem aber Spaß machen oder sogar inspirieren.
Natürlich gilt das auch für den Workflow eines „echten“ Hardware-Synthesizers. Aber dort ist das die Bedienoberfläche nur eine Dimension von vielen verschiedenen Aspekten des gesamten Instruments. Hinzu kommen die eben genannten Faktoren, die ein Hardware-Instrument als eigenständige Einheit ausmachen. Ich entwerfe beides gerne. Aber tief in meinem Herzen bin ich natürlich Industriedesigner – und liebe die drei Dimensionen der „realen Welt“.
Ungewöhnliches Design
GN: Einige aktuelle Plugins bringen ziemlich ungewöhnliche Designs mit, wie die von Aberrant DSP oder LOLCOMP von Mixing Night. Glaubst du, dass Hardware in Bezug auf das Design jemals so ungewöhnlich sein kann?
AH: Tolle Beispiele! Um ehrlich zu sein, musste ich beide googeln (lacht). Wenn man sich auf der alljährlichen Superbooth umschaut, entdeckt man oft eine ganze Reihe an super interessanten, fast schon lustigen und oft auch beeindruckenden Hardware-Konzepten, die alle ihren ganz eigenen Charme haben – teilweise mit faszinierenden Funktionen. Die Gegenfrage wäre: Glaubt ihr, dass Software jemals so direkt anzufassen sein kann wie Hardware? Werde ich jemals in der Lage sein, das strahlende Smiley von Mixing Nights LOLCOMP zu berühren und zu streicheln?
Meiner Meinung nach haben beide Welten ihre Daseinsberechtigung. Natürlich gibt es ebenso Hardware, die genauso ungewöhnlich und fröhlich ist. Beispiele? BlipBlox von Playtime Engineering oder die Gamechanger-Instrumente, die Produktlinie von Soma …
Axel Hartmann: Woher kommt die Inspiration?
GN: Was inspiriert Sie neben Musikinstrumenten noch?
AH: Ich bin schon mein ganzes Leben lang ein großer Autofan und verfolge diese Szene mit großer Leidenschaft. Man kann zukünftige Trends in der Automobilindustrie sehr gut erkennen, weil dort das Geld liegt. Und dann gibt es hier auch einige der besten Industriedesigner, weil man im Automobildesign immer noch eine Vielzahl von Fähigkeiten benötigt, insbesondere wenn es um das Gesamtbild geht. Aber ich gehe ab und zu auch in MediaMarkt-Filialen und schaue mir an, was es Neues im Elektronikbereich gibt – aus allen möglichen Bereichen. Alles, was einen Stromanschluss hat, hat mich schon immer fasziniert.
GN: Was würden Sie gerne noch im Leben erreichen, hatten aber noch keine Gelegenheit dazu?
AH: Ich würde gerne mal ein richtig hochwertiges HiFi-Gerät entwerfen, vielleicht so etwas wie einen Plattenspieler oder sogar eine ganze Serie. Oder eine kompakte Stereoanlage, wie sie in den Siebzigern populär war. Aber ehrlich gesagt, bin ich überglücklich, dass ich in meiner bisherigen Karriere so viele Synthesizer und elektronische Musikinstrumente entwerfen durfte. Dass mir so viele Hersteller ihr Vertrauen geschenkt haben, macht mich fast wunschlos glücklich!
Infos zu Axel Hartmann
- Website von Axel Hartmann
- Mehr über Synthesizer
Im Original erschienen auf Gearnews.com von Adam Douglas, Übersetzung von Julian Schmauch.
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