Angecheckt: SSL The Bus+ – der Über-Kompressor?
Der Hard- und Software-Entwickler SSL (Solid State Logic) veröffentlichte Mitte April 2022 mit The Bus+ eine, wie ich finde, großartige Weiterentwicklung des legendären SSL Bus Compressors. Und das in einem modernen Design und auf zwei Höheneinheiten als 19“-Hardware. Interessante Funktionen und das perfekte Zusammenspiel verschiedener neuer Tools zum Bearbeiten von Audiomaterial, sorgen für hochwertige Klangergebnisse, die normalerweise mehrere Geräte benötigen. Und das müssen wir natürlich in einem Angecheckt ausprobieren.
SSL The Bus+: Analoger Sound meets digitale Steuerung
1976 präsentierte die britische Firma Solid State Logic in ihrer 4000 B Konsole die erste Version ihres Bus Compressors. Bis heute ist dieser Dynamikprozessor nicht mehr aus der Geschichte der Musikproduktion wegzudenken. Hauseigene Weiterentwicklungen, Nachbauten des Kompressors durch Fremdfirmen und Plug-in-Emulationen gibt es mittlerweile in Mengen am Markt. Jetzt hat sich der Entwickler dazu entschlossen dieses Thema nochmals aufzugreifen und schickt mit The Bus+ einen weiteren Dynamikprozessor der nächsten Generation an den Start.
Mit den ursprünglichen Funktionen und dem einzigartigen Charakter ausgestattet, bekommt ihr den typischen SSL Bus Compressor mit High Performance 2181 THAT VCAs. Aber das war natürlich noch nicht alles. Denn hinter dem „+“ steckt eine Menge mehr, das uns das Leben im Studio erleichtern, aber auch das Klangergebnis nochmals mehr veredeln soll. Und genau das musste ich mir einmal anschauen und die neue eierlegende Wollmilchsau in Sachen „Bus-Tool“ im Studioeinsatz ausgiebig testen. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass ich alle Funktionen des wirklich umfangreichen Gerätes hier aus Platzgründen nicht vorstellen kann. Wow!
Weiter geht’s zur Praxis.
Die Hardware ausgepackt
Der große Karton ist angekommen. Er beinhaltet gut verpackt natürlich die eigentliche Hardware (zwei Höheneinheiten in 19“ inklusive Rackohren), ein Netzkabel und eine Schnellanleitung zur Bedienung. Mit 7 kg wirkt der Kompressor hochwertig und man merkt, dass analoge Technik im Inneren verbaut wurde. Auf der Front wird man mit einer Flut an Reglern und Tastern überrascht. Auf der linken und rechten Seite (für zwei Kanäle ausgestattet) findet man je zehn (teilweise klickbare) Drehregler und je sechs hintergrundbeleuchtete Buttons. Drei weitere Tasten bestimmen den Arbeitsmodus oder die Ausgabe.
18 LEDs zeigen verschiedene aktivierte Modi an. Zwei VU-Meter geben den Gain-Reduction-Wert an, werden aber auch zur visuellen Einstellung der D-EQ-Frequenz genutzt. Auf der Rückseite befinden sich die Anschlüsse und der Netzschalter. Hier gibt es neben einem XLR-Ein- und Ausgang (je links/rechts), einen XLR-Sidechain-Eingang (links/rechts) sowie einen External-Send-Ausgang (links/rechts) als Duplikat des Eingangssignals und den Stromanschluss.
Im Rack solltet ihr für die Hardware laut Hersteller jeweils eine Höheneinheit über und unter dem Bauteil für eine Luftzirkulation bereitstellen, wobei ich nach einigen Tagen im Test keine großartige Hitzeentwicklung im Vergleich zu anderen Geräten in meinem Rack bemerkt habe. Passend zur SSL Fusion verbinde ich den Kompressor mit dem Insert-Ein- und Ausgang dieses Channelstrips vom gleichen Hersteller. Jetzt wird es Zeit das Studio einzuschalten.
The Bus+ in Aktion
Wie auch von Fusion bekannt, „knacken“ alle eingebauten Relais (Steuerung der analogen Technik) des Kompressors beeindruckend nach dem Drücken auf den Netzschalter und die alle LEDs beginnen zu leuchten. Sehr cool ist die Möglichkeit die Hardware durch einen Short Command in den Schlafmodus zu versetzen (CH1 und CH2 Button gleichzeitig für einige Sekunden drücken). Das spart Strom und lässt die Hardware kühl. Das vermisse ich ein wenig an Fusion. Ohne die Anleitung gelesen zu haben, versuche ich den Kompressor in mein Setup zu integrieren und auf verschiedene Audio-, Instrumentenspuren sowie der Master-Summe einzusetzen.
Und das klappt erstaunlich gut. Beim Mastern eines Songs mit anderen Kompressoren musste ich die „typischen Nebenwirkungen“ (Distortion und Energieverlust im Low-End) mit einem zusätzlichen Equalizer ausgleichen. Das ist hier im The Bus+ perfekt gelöst. Denn hier lässt sich über den integrierten dynamischen EQ (D-EQ) sowie dem LF- und HF-Gain genau dieses Problem unglaublich gut ohne weitere Geräte in den Griff bekommen. Und das schnell und effektiv. Der aktivierte Button „LOW THD“ hilft hier ebenfalls. Das sorgt für einen sehr guten Workflow während Mix und Mastering. Genau mein Ding!
Aber das ist natürlich noch lange nicht alles. Mit der Hardware könnt ihr das Audiomaterial in Classic Stereo, summiertem S/C Stereo (hier wird mono Content vorzugsweise betrachtet), Dual Mono oder Mid Side bearbeiten. Sehr cool ist die Option den Kompressor ebenso parallel im Dry/Wet-Modus (Crossfade von Dry nach Wet) einzusetzen. Aber auch ein Dazumischen des komprimierten Signals (echte NY Compression) ist optional möglich. Das nenne ich sehr vielseitig!
Dazu könnt ihr zwischen der Feed-Forward und Feed-Back Compression per Knopfdruck wählen. Auch für den Sidechain-Eingang gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder ihr nutzt den internen Sidechain-Weg mit einem regelbaren Hochpassfilter oder ihr schleift ein externes Signal in die Hardware. Dieses beeinflusst den Kompressor, den D-EQ (sogar LF und HF getrennt) oder sogar beide Einheiten gleichzeitig.
Ein guter Charakter
Der „britische SSL Sound“ wird nicht umsonst versucht, von vielen Software-Firmen zu emulieren. In dieser Hardware stecken gleich mehrere Charaktere. Über einen Button lässt sich ein 4K Mode aktivieren, falls ihr den Klang und Charakter (Harmonic Distortion) der SSL 4000 Konsole spüren wollt. Hier stehen euch neun verschiedene Stufen an Distortion zu Verfügung. Aber auch den legendären G-Series-Filtercharakter (12 dB pro Oktave) könnt ihr per Klick auf den LF-Gain-Regler zuschalten.
Der D-EQ ist nicht nur eine „kleine Zugabe“, sondern besitzt auf er Benutzeroberfläche eine eigene Sektion mit mehreren Reglern und Buttons. Durch die Trennung von Low und High wirkt dieser dynamische Equalizer schon fast als Multibandkompressor. Hiermit lässt sich das Audiomaterial nochmals vor oder nach dem Kompressor nachbearbeiten und formen. Und genau das ist für mich mein Go-to-Lieblings-Feature dieser Hardware! Hier stehen euch entweder je ein Shelf-Filter oder ein Shelf (Low) und Bell (High) zur Verfügung. Die Frequenzen der beiden Bänder sowie die Range lassen sich in 16 beziehungsweise 23 Schritten einstellen.
Im Stereomodus erhält der Kompressor neben dem LF-Gain auf der rechten Seite einen eigenen HF-Gain-Regler (leider verschwindet diese Möglichkeit beim Wechsel in Dual-Mono oder Mid/Side). Im Mid/Side-Modus würde ich mir einen HF-Gain gerade für die Seiten wünschen, um die Breite mehr zu betonen.
Ein Blick ins PDF-Handbuch verrät erst die Menge an zusätzlichen Funktionen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar sind. Und das sind wirklich viele. So gut wie jeder Button und Regler ist doppelt und dreifach mit Funktionen belegt, die ihr durch mehrfaches Anklicken, längeres Halten des Klicks oder durch ein Tippen auf mehrere Buttons gleichzeitig aktivieren könnt. Glücklicherweise befinden sich unter diesen Features keine super-wichtigen Funktionen, die ihr für den üblichen Gebrauch des Dynamikprozessors benötigt. Der schnelle Workflow beim Einsatz in Mix und Mastering bleibt somit bestehen.
Soundtechnisch habe ich mit noch keinem Tool (Hard- oder Software) so schnell das Ergebnis erhalten, was ich mir vorher vorgestellt hatte. Teilweise wurden meine Ideen sogar nochmals übertroffen. Natürlich solltet ihr beim Einsatz des Kompressors ein wenig Ahnung haben, wie ein solcher Effekt funktioniert und eingesetzt werden soll. Aber man kann mit The Bus+ auch sehr gut durch beobachten und hören lernen, wie ein Kompressor arbeitet. Ich persönlich bin sehr begeistert über das Zusammenspiel von Kompressoreinheit und dem dynamischen Equalizer, das meinen Workflow im Studio extrem verbessern wird.
Lasst die Spiele beginnen
Die Entwickler des Kompressors haben darüber hinaus ein „Spiel“ in die Hardware integriert. Das Code-Break Master Game erinnert an das bekannte Brettspiel Mastermind, bei dem ein Farbcode erraten werden muss. Bedient wird das Spiel über verschiedene Buttons des Geräts. Ihr könnt so oft spielen, wie ihr wollt. Ein toller Zeitvertreib im Studio. Aber: Wer die Farbkombination errät schaltet eine weitere Funktion der Hardware frei: einen Transient Expander.
Die HF-Kontrolle verwandelt sich nach dem Freischalten optional in das neue Feature und betont je nach eingestellter Stärke die Attack (die Transienten) des Audiomaterials. Also noch ein wichtiges Feature, das eine weitere Hardware ersetzt. Aber: wer nicht warten möchte, kann einen Cheat Code sofort freischalten.
Fazit
Der SSL The Bus+ ist für mein Studio und meine Arbeitsweise ein wirklich großartiges Tool, mit dem ich sehr schnell, intuitiv und vor allem effektiv zu einem sehr guten Ergebnis gelange. Die Hardware bietet etliche Effekte in einem Gerät, die dazu so gut verschaltet wurden, dass sie sehr interessant miteinander interagieren können.
Leider fehlt mir eine Anzeige zur Eingangs- und Ausgangslautstärke über die integrierten VU-Meter. Hier wird lediglich ein Clipping über blinkende LEDs angekündigt. Aber das könnte dieses Manko von meiner gewohnten Arbeitsweise stammen. Dazu erreicht man die Settings zur Justierung einiger wichtiger Parameter oder zur Einstellung der Bedienung des Geräts nur über ein Einschalten (Rückseite) bei gleichzeitigem Druck auf mehrere Buttons auf der Vorderseite. Das ist bei mir ein Problem, da ich die Hardware in mein Rack geschraubt habe und somit nur schwierig an den Netzschalter gelange.
Alles das sind absolut verschmerzbare Punkte, die sich durch Vielseitigkeit und vor allem dem guten Klangergebnis ins Positive umkehren lassen. Ich möchte diesen Kompressor-„Plus“ nicht mehr in meinem Setup missen. Wer mit dem Gedanken gespielt hat sich einen neuen Dynamikprozessor zulegen zu wollen, dem kann ich nur raten diesen Kompressor einmal im eigenen Setup zu testen. Absolute Kaufempfehlung!
Preise und Spezifikationen von SSL The Bus+
SSL The Bus+ erhaltet ihr hier bei Thomann.de (Affiliate) zum Preis von 2699 Euro.
Im Paket enthalten ist ein Kaltgerätestecker zur Stromversorgung des internen Netzteils sowie eine Kurzanleitung als Quick Start Guide und das obligatorische Safety Sheet. Ein ausführliches PDF-Benutzerhandbuch gibt es auf der Website des Herstellers als Download.
Mehr Infos zu SSL und dem neuen Paket
Video zu der Hardware von Solid State Logic
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5 Antworten zu “Angecheckt: SSL The Bus+ – der Über-Kompressor?”
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Bei den Preisen fragt man sich schon wieviel besser man damit dran ist im Vergleich zum Vst Kompressor? Also für die Kohle kann man sich einfach einen neuen PC kaufen und dann in the Box sehr viel mehr bewegen. Ich denke selbst Bohlen wäre zu geizig dazu. Aber ssl klingt wie Rolex Gucci und Vst klingt wie Adidas, Lidl und Aldi. Zwei Klassen Gesellschaft. Ganz klarer Fall! 🤣🎶🎶🎶
..selber Vergleichstest machen, denn wenn ich dir hier lang und breit erkläre um wieviel Hardware tatsächlich besser als Plugins sind, wirst du mir trotzdem nicht glauben, was ja okay ist..
Ich glaube es ist sogar noch schlimmer, ich und viele andere können gar nicht so gut im mischen sein um am Ende im the Mix das bessere zu erkennen. Aber ja das Gerät ist schon beeindruckend anzuschauen. Tolles Stück Technik.
..was mich interessiert ist, wie die Verhältnismäßigkeit zu erklären ist. Der Buskompressor kostet mehr als das Big Six, wo ja ein Buskompressor verbaut ist. Der Vorgänger kostete wiederum 4k und das ohne „+“!?!?
Für Profis in einem eingemessenen Raum hat der SSL sicherlich seine Berechtigung. Einen A/B Vergleich mit einem ART VLA II hätte ich trotzdem mal gerne gehört, da der locker mit teuren Geräten mithalten kann.