40 Jahre Ride The Lightning — Das Thrash-Jubiläum des Jahres
Das zweite Studioalbum der Thrash-Götter im Fokus
Vor 40 Jahren, im Juli 1984, veröffentlichten Metallica ihr zweites Album. „Ride the Lightning“ sollte ein würdiger Nachfolger für das Erstlingswerk „Kill Em All“ werden. Meine ganze persönliche Gitarristen-Karriere begann zwar erst später. Doch bietet mir das Jubiläum von Ride the Lightning eine wunderbare Gelegenheit, einem der besten Thrash-Alben aller Zeiten einmal ganz ausgiebig zu huldigen, gemeinsam mit euch die Besonderheiten dieses Meilensteins zu erkunden und natürlich zu sagen: Herzlichen Glückwunsch, meine Herren. Und Danke für all die Riffs!
40 Jahre Ride the Lightning – Inhalt
Nach dem explosiven Debüt „Kill ’Em All” im Jahr 1983 suchten Metallica nach Wegen, ihren Sound weiterzuentwickeln und zu verfeinern. „Kill ’Em All” hatte die Energie und den rohen Thrash-Metal-Sound eingefangen, der die Band auszeichnete. Doch musikalisch war noch lange nicht alles gesagt — mehr Tiefgang musste her.
Allerdings standen die Zeichen zunächst nicht unbedingt auf Erfolg: Die finanzielle Situation war prekär und die Isolation in einem fremden Land (aufgenommen wurde in Dänemark) trug zur intensiven, oft düsteren Atmosphäre des Albums bei. Und zu gesteigerten Alkoholkonsum, wenn man zahlreichen Berichten aus der Zeit glauben mag.
Klanglich machten sich vor allem Cliff Burton und Kirk Hammett daran, den rohen Pentatonik-Sound des ersten Albums zu entzerren. Während Cliff seine fundierten musiktheoretischen Kenntnisse einbrachte, trugen Lektionen bei Joe Satriani nicht unerheblich dazu bei, Kirks Solotechniken aufzupolieren.
Die Kombination aus diesen neuen Einflüssen und der bewährten Energie von Hetfield und Lars Ulrich führte zu einem reiferen und vielseitigeren Album, das tiefere emotionale und thematische Ebenen zu erforschen wagte. Und das ganze bei einem bombastischen Sound.
Das Equipment hinter dem Sound
Von nichts kommt nichts. Nicht mal, wenn man die rechte Hand von James Hetfield besitzt. Der neue Sound der Band ist zu großen Teilen dem Talent und der Magie von Flemming Rasmussen zu verdanken, der das Equipment der Band in einer Weise zu mixen verstand, dass der Sprung von „Kill Em All“ zu „Ride the Lightning“ beinahe unheimlich wirkt. Ein Blick auf das Equipment gefällig?
Gitarren
Obwohl diverses Equipment bereits früh auf Abwegen kam (Farout Magazine), tauchten auch beim Nachfolgealbum zum Debüt einige alte Bekannte wieder auf:
James Hetfields Flying V Kopie (Electra OGV) kam zum Einsatz. Ebenso wie nun regelmäßig im Arsenal befindliche Gitarren aus japansicher Fertigung: Mit der ESP MX-220 schnappte sich der Frontmann eine aufgemotzte Explorer-Kopie, die dank aktiver EMG-Pickups ordentlich Dampf und Bühnenpräsenz mitbrachte. Bis heute sind die MX-220er eng mit dem Mythos der frühen Metallica-Alben verbunden und unter Sammlern mehr als beliebt. Daneben stand auch eine echte Gibson Explorer mit auf der Bühne — als Vorbild für die später modifizierte „So What!“-Explorer.
Für die Lead-Arbeit setzte Kirk Hammett auf verschiedene Gitarren, darunter eine Gibson Flying V und eine modifizierte Fernandes Stratocaster mit heißeren Pickups.
Was mit einer beinahe Bescheidenen begann, fand seinen Höhepunkt mit dem Kauf der legendären Greeny: Die ehemalige Les Paul von Peter Green ist nun ebenfalls im Setup des Solisten vertreten.
Verstärker und Effekte
Da, wie bereits oben geschrieben, ein Teil des Band-Equipments gestohlen wurde, arbeitete James Hetfield zunächst mit einem JCM800 in Verbindung mit einem ProCo RAT und Tube Screamer. Die Celestions in den Boxen waren bereits perfekt auf den Scooped-Mid-Sound eingestellt und durch simple Shure SM7 abgenommen. Spätestens nach Ride the Lightning brach dann aber die Mesa/Boogie Zeit an und der legendäre Mark IIc+ nahm Platz im Rig.
Ein weiteres Schlüsselelement des frühen Metallica-Sounds war das geschickte Spiel mit den Verstärkereinstellungen. Die Kombination aus hohem Gain (sowohl Amp- als auch effektseitig), reduziertem Mittenbereich und angehobenen Höhen und Bässen schuf den charakteristischen „scooped” Sound, der den Gitarren eine zusätzliche Aggressivität verleiht und auch heute noch gern eingesetzt wird. Wie das geht? Seht ihr hier:
Spieltechniken und musikalische Einflüsse
Equipment ist nicht alles und die musikalischen und spieltechnischen Einflüsse machen auch beim Jubiläumsalbum den entscheidenden Unterschied. Schauen wir mal auf die beiden 6-Saiter der Band:
Downpicking und Palm-Muting
James Hetfield ist nicht umsonst berühmt für seine präzise Downpicking-Technik, die auf „Ride the Lightning” bereits deutlich zu hören ist und für mich das klangliche Fundament der Band ist. Und das bis heute. Die schnellen Downstrokes, kombiniert mit einem fetten Palm-Muting, verleihen den Riffs etwas Brutales, Direktes. Wer sich mal die Mühe gemacht hat, „Creeping Death“ im Gegensatz dazu im Wechselschlag zu spielen, wird wissen, wovon ich rede — da fehlt’s an Dynamik und Attack.
Hetfield hat diese Technik in meine Ohren bereits früh perfektioniert und nutzt sie in Songs wie „Fight Fire with Fire” oder eben „Creeping Death“ mehr als effektiv. Ist es besonders elegant oder filigran? Nein. Aber klingt geil! Wer den Sound des Albums selbst reproduzieren möchte, braucht (neben Flemming Rasmussen) einiges an Ausdauer im Unterarm und ein besonders festes, trockenes Dämpfen der Saiten, ansonsten wird’s schnell schwammig und der Sound bricht auseinander.
Soli und Harmonien – mehr Finesse für Ride the Lightning
Auch Kirk Hammett brachte in „Ride the Lightning“ deutlich mehr künstlerisches Aspekte in den das Album ein, als es noch bei „Kill Em All“ der Fall war. Unterschiedliche Modi, ausgespielte Apreggios und Skalen, die sich aus ihrer Box trauen (dafür gibt’s ja schließlich diese ganzen Bünde …) machen sich breit. Und auch wenn das stärkste Solo des Albums („Fade to Black“) sich recht starr an die B-Moll Skala hält, ist ein wenig kreative Freiheit hier und dort durchaus zu hören.
Besonders der Einsatz von harmonisierten Parts macht den späteren Sound von Metallica besonders — auf die Spitze getrieben dann auf der „Master of Puppets“ mit dem Instrumental „Orion“. Den Anfang dieses Skills hört man perfekt auf dem Opener von „Ride the Lightning“: Ab Minute 03:00 gehts los!
Die Produktion in den Sweet Silence Studios
Die Aufnahmen zu „Ride the Lightning“ fanden in den Sweet Silence Studios in Kopenhagen unter der Leitung des mittlerweile wohl legendären Produzent Flemming Rasmussen statt.
Rasmussen spielte eine entscheidende Rolle bei der Feinabstimmung des Gitarrensounds und half der Band, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Die Isolation in Dänemark (zumindest für die Nicht-Dänen der Band …) und die intensive Arbeitsweise im Studio trugen dazu bei, dass die Band einen kreativen Höhepunkt erreichte.
Die Produktion von „Ride the Lightning“ lässt sich durchaus als konservativ beschreiben, vergleicht man mit späteren Projekten des Dänen: Besonders der „… and Justice for All“-Mix hat ja mehr als gemischte Reviews nach sich gezogen.
Was jedoch klar ist: Rasmussen hat es in seiner Karriere immer wieder geschafft, eher ungeschliffene Sounds von diversen Erstlingswerken in tighte Alben zu verwandeln (siehe auch die deutschen Vorzeige-Metaller Blind Guardian und deren Album „Imagination from the Other Side“).
Song-by-Song Analyse
Gut, genug um den heißen Brei herumgeschrieben. Was ist denn nun auf dem Album zu hören? Hier kommt meine kleine Song-by-Song Analyse:
„Fight Fire with Fire“
Mich erinnert der erste Part des Openers immer an meinen Musikunterricht in der Schule und die Frage, was zum Teufel eigentlich ein Cembalo genau ist. Die akustische Einleitung kommt unverhofft, entwickelt sich aber zum Glück schnell in ein explosives Thrash-Riff sondergleichen — eines der besten des ganzen Albums, meiner Meinung nach. Downpicking vom Allerfeinsten, rhythmische Spielereien und ein wunderbares Bild nuklearer Zerstörung — was gäbe es Besseres für ein Thrash-Album? Ah ja, das harmonisierte Solo hatte ich ja schon genannt.
„Ride the Lightning“
Etwas langsamer geht es weiter, dissonanten Klängen folgt ein simples, aber mächtiges Riff der beiden Unisono-Gitarren. An „Kill Em All“ erinnernde Lyrics von James Hetfield mischen sich mit einer sehr klassischen Metal-Thematik: Die Todesstrafe aus der Perspektive einer Person, die auf den elektrischen Stuhl wartet. Ab 02:47 dann ein netter Blick auf die „neuen“ Solisten-Fähigkeiten von Kirk.
„For Whom the Bell Tolls“
Da ist es, das ikonische Bass-Intro von Cliff Burton. Was soll man dazu noch sagen? Perfekt inszenierte Bass-Linie, ab 00:57 bestes Headbanging-Material — alles etwas langsamer gespielt, aber dadurch umso schwerer. Wer einsteigen mag und das Album lernen möchte, ist hier gut aufgehoben und die rechte Hand warm zu machen. Die Lyrics, inspiriert von Ernest Hemingways gleichnamigem Roman, reflektieren über die Schrecken des Krieges und die Sinnlosigkeit des Todes. Düster, und der perfekte Übergang zum nächsten Track.
„Fade to Black“
Die erste Ballade der Band erweitert das Portfolio von Metallica ungemein. Wunderbar kombinierte akustische und verzerrte Gitarren, mehrteilige Soli und ein zum greifen fetter Refrain machen den Song zu einem Highlight des Albums. Die Geschichte hinter dem Song, inspiriert von persönlichen Krisen und dem Verlust von Equipment, gibt dem Stück eine ungewohnte emotionale Tiefe. Ab 05:20 dann das beste Solo des ganzen Albums.
„Trapped Under Ice“
Ein schneller, aggressiver Song in der Mitte des Albums macht den geneigten Zuhörer schnell wieder klar, woran man hier ist. Der Song basiert auf einem alten Exodus-Riff, das Kirk mit in die Band brachte. Von Aufbau und Stil erinnert „Trapped Under Ice“ am ehesten an das Debütalbum und macht klar, woher Thrash-Metall seinen Namen hat. Die schnellen Riffs und das hohe Tempo ab Minute 02:25 fordern die Schlaghand des jungen, lernenden Gitarristen — lange, lange Sessions mit dem Metronom und langsamer abgespielten Aufnahmen kommen da ins Gedächtnis.
„Escape“
Allgemein als schwächster Song des Albums anerkannt ist „Escape“ der erfolglose Versuch, einen radiofreundlichen Song zu schreiben. Einfache Riffs, klare Struktur und das Rock ’n‘ Roll Urthema Ausbruch und Freiheit — für nebenbei ganz nett. Aber leider kein Highlight und gerade der langsam ausgefadete Abschluss wirkt eher ideenlos. Das beste an „Escape“? Der nächste Track:
„Creeping Death“
Jetzt wird’s ernst. Eines der besten Riffs aller Zeiten beginnt schon ab Zeitstempel 00:20 und kracht so richtig. Auch heute noch ein Live-Genuss und Highlight eines jeden Metallica-Konzerts! Der ikonische „Die by my hand“-Refrain und die dynamische Riffstruktur machen es quasi unmöglich, nicht laut „Die! Die! Die!“ zu schreien. Großartig! Und mal wieder der Beweis, dass die Bibel zumindest geile Ideen für Thrash-Metal Alben liefert.
„The Call of Ktulu“
Kaum je hat ein Instrumental besser zu seinem Titel gepasst als hier. Inspiriert von H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos, baut der Song eine wirklich düstere und unheimliche Atmosphäre auf, um im Finale in epische Bass- und Gitarren-Sounds abzutauchen. Die strukturelle Komplexität ist sicherlich dem Einfluss von Cliff Burton zu verdanken, der eine grandiose Bass-Linie nach der anderen abfeuert. Ein würdiger Abschluss für ein Album, das auch nach 40 Jahren mehr Spaß macht, als vernünftig wäre.
Herzlichen Glückwunsch zum 40. Jubiläum!
„Ride the Lightning“ bleibt auch nach 40 Jahren ein Meilenstein in der Geschichte des Thrash. Für mich bietet das Album eine Fülle von Inspiration und Lernmöglichkeiten, von präzisem Downpicking über komplexe Soli bis hin zur kreativen Nutzung von Equipment und Effekten. Metallica setzten mit diesem Album neue Maßstäbe — nur noch getoppt vom Nachfolgealbum, auf dessen Besprechung ich mich schon jetzt freue. Was war euer Lightning-Moment? Welche Erinnerungen verbindet ihr mit Metallicas Frühwerken? Verratet es uns in den Kommentaren!
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Eine Antwort zu “40 Jahre Ride The Lightning — Das Thrash-Jubiläum des Jahres”
Nach „Kill ‚em all“ und „Ride the Lightning“ das letzte interessante Album von Metallica. Danach geht’s stilistisch in eine andere Richtung.